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Portrait

Dr. Wolfgang Scherzinger

Naturschützer, Eulenforscher, Waldökologe, Tier- und Pflanzengärtner

 Wolfgang Scherzinger auf der Treppe<br>zu seinem Blumengarten in St. Os-<br>wald (Foto: Anna Scherzinger)
Wolfgang Scherzinger auf der Treppe
zu seinem Blumengarten in St. Os-
wald (Foto: Anna Scherzinger)
Im Eulen-Rundblick über WOLFGANG SCHERZINGERs Eulenaktivitäten zu schreiben bedeutet, „Eulen nach Athen zu tragen“. Deshalb will ich hier versuchen, eine kurze Überschau über sein facettenreiches bisheriges Lebenswerk zu geben, das über Eulenforschung und -schutz hinausreicht.

Unsere erstes privates Treffen in Jena, an dem auch JOCHEN WIESNER beteiligt war, fand auf unsere Einladung hin bereits im Jahr 1976 statt. Uhu-, Rauhfußkauz- und Auerhuhnreviere wurden gemeinsam aufgesucht, und unvergesslich bleibt uns WOLFGANGs Diavortrag über sein Sperlingskauz-Studiengebiet im heimatlichen Toten Gebirge der Steiermark. Seit der Veröffentlichung seiner richtungsweisen Doktorarbeit „Zum Aktionssystem des Sperlingskauzes (Glaucidium passerinum, L.)“ standen wir in regelmäßigem Briefkontakt, und auch danach rissen unsere freundschaftlichen Begegnungen nie ab. Die über den Eisernen Vorhang hinweg illegal organisierten Treffen im tschechischen Böhmerwald gab es bereits in den 70er- und 80er-Jahren. Nach der Wende gelang es ab 1995, ein gemeinsames chinesisch-deutsches Forschungsvorhaben zum Studium des kaum bekannten Chinahaselhuhns (Bonasa sewerzowi) zu realisieren, in dessen Rahmen nebenbei auch der seltene Davidskauz (Strix uralensis davidi) gefunden und später von WOLFGANG gemeinsam mit chinesischen Partnern intensiv studiert wurde. Wichtige Erkenntnisse dieser Forschungen sind u. a. im Eulen-Rundblick Nr. 58 (2008) publiziert.

WOLFGANG SCHERZINGER wurde am 20. Januar 1944 in Wien geboren. Als Kind der durch Mangel geprägten Nachkriegszeit wuchs er in der Gebirgsnatur der Obersteiermark auf, die sicher sein späteres Leben als Naturforscher und -schützer entscheidend prägte. Nach Besuchen der Volksschule und des Humanistischen Gymnasiums in Wien (Matura 1962) studierte er Zoologie, Botanik, Psychologie und Philosophie an der Universität Wien und promovierte 1969 über Ökologie und Verhalten des Sperlingskauzes auf der Basis von Freilanduntersuchungen im Toten Gebirge und Nachzuchten zur Beobachtung der Verhaltensentwicklung am „Institut für Vergleichende Verhaltensforschung“ Wien. Seine Anstellung als wissenschaftlicher Assistent dauerte dort von 1966-1970. 1971 förderte der Österreichische Forschungsrat seine Mitarbeit am „Handbuch der Vögel Mitteleuropas“ zu den Themen Ontogenese, Verhalten und Stimmen mitteleuropäischer Eulen. Der anschließende Militärdienst war insofern einzigartig und vielleicht nur in Österreich denkbar, als seine Hauptaufgabe in der Betreuung eines „Heereszoos“ bestand und WOLFGANG seinen Neigungen zur Tierhaltung, speziell der Aufzucht von Jungeulen, mit dem Ziel exakter Verhaltensbeobachtung selbst dort weiter nachgehen konnte. Zur Versorgung der Eulen wurden sogar eigene Mäusezuchten eingerichtet.

Noch 1971 bewarb er sich als Zoologe an den ersten deutschen Nationalpark „Bayerischer Wald“, der seinen weiteren Lebensweg bestimmen sollte, zunächst bis 1977 im Werkvertrag, dann als angestellter Nationalparkzoologe. Die Anfangsjahre waren geprägt vom Ringen um die richtigen Zielsetzungen im jungen Nationalpark, dessen Team aus Forstleuten auch die Argumente des Zoologen und Vogelschützers verstehen lernen musste. Umgekehrt war der Nationalpark der optimale Ort, um zu einem Experten für Waldökologie heranzuwachsen. Zahlreiche Reisen in Schutzgebiete mehrerer Kontinente weiteten den Blick. Das erfolgreiche Buch “Naturschutz im Wald“ (Ulmerverlag 1996) war ein Gipfelpunkt dieser Entwicklung.

Eine der ersten anspruchsvollen Aufgaben waren Bestandserhebungen von Rauhfußhühnern und Eulen auf 130 km² Nationalparkfläche und die Planung von Schaugehegen als Besuchereinrichtung im „Tierfreigelände“ mit charakteristischen Vogel- und Säugetierarten der Mittelgebirgslandschaft. Noch heute empfindet der Besucher Bauplanung und Gestaltung der in prachtvollen Bergmischwald mit Felsen eingefügten Großgehege sowie die Gestaltung von Text- und Bildtafeln als beispielhaft und einzigartig. Gruppen begeisterter Tierfotografen aus ganz Europa drängen sich heute um Bären-, Wolfs- oder Luchsgehege.

Eine Meisterleistung ornithologischer Feldarbeit in z. T. schwierigstem Gelände war die Bestandserhebung aller Vogelarten in fünf Urwald-Reservaten im Inneren Bayerischen Wald und später ein 12-jähriges Monitoring von Waldvögeln - insbesondere von Spechten - auf „Katastrophenflächen“ nach Borkenkäferbefall, die zu umfangreichen Auswertungen und viel beachteten Publikationen führten.

Bei der rund 20-jährigen Mitarbeit in der Redaktion der Zeitschrift „Nationalpark“ konnte WOLFGANG sein didaktisches und künstlerisches Geschick ausleben. Die von ihm entworfene Kinderseite mit dem Rauhfußkauz „Stups“ wurde zu einem waldökologischem Kinderbuch wieter entwickelt, illustriert mit eigenen Hinterglasmalereien. Daneben betreute er mit tiergärtnerischem und ethologischem Geschick die Nachzuchten von Vogelarten für Arterhaltung und Wiederansiedlung bzw. Bestandsstützung: Kolkrabe, Uhu, Habichtskauz, Auer- und Haselhuhn. Dabei entwickelte er z. T. neue Haltungs- und Aufzuchttechniken, insbesondere Trainingsprogramme zur Vorbereitung auf das Freiland. Säugetierarten wie Fischotter, Wildkatze, Luchs und Wisent wurden aus den nationalparkeigenen Nachzuchten an andere Artenschutz- und Auswilderungsprojekte vermittelt.

Das über 30 Jahre betriebene Projekt zur Wiederansiedlung des Habichtskauzes im Grenzgebirge, inzwischen auf Tschechien und Österreich ausgeweitet, scheint sich nach langwieriger Anlaufzeit zu einem Erfolg zu entwickeln. Beim Uhu lief die Aussetzung 10 Jahre, beim Auerhuhn 15 Jahre und beim Kolkraben 20 Jahre. Nur wenige Tierhalter haben Ausdauer und Vermögen, ihre reichhaltigen Beobachtungen auszuwerten und zu veröffentlichen. Anders bei WOLFGANG SCHERZINGER, bei dem die Aufzuchten zu intensiven Studien der Verhaltensentwicklung, insbesondere bei Eulen (erfolgreiche Nachzuchten von 16 Arten) und Rauhfußhühnern, dienten und die daraus gewonnenen Erkenntnisse in grundlegende Publikationen mündeten.

Ein Höhepunkt der zahlreichen Veröffentlichungen wurde das mit THEO MEBS bearbeitete Standardwerk „Eulen Europas“ (2000, Kosmos-Verlag). Von den rund 120 wissenschaftlichen Publikationen in Fachzeitschriften und 80 in populärwissenschaftlichen Journalen wurden die meisten im Alleingang verfasst. Im Rahmen des Chinahaselhuhnprojekts war „team-work“ gefordert, was er auch meisterte.

Zu den jüngsten Aktivitäten nach seinem wunschgemäß etwas früheren Ausscheiden aus dem Dienst zählen gutachterliche Tätigkeiten (u. a. Evaluierung der Naturschutzarbeit im Nationalpark „Donau-Auen“ 2006 und im Gesäuse 2008), Betreuung und Beurteilung studentischer Arbeiten und vieles mehr. Von der Mitarbeit in zahlreichen Gremien und wissenschaftlichen Beiräten sei nur die Arbeit in der Nationalpark-Kommission Österreichs erwähnt, nicht zu vergessen der mehrjährige Vorsitz der „AG zum Schutz bedrohter Eulen“.

Es fehlte auch nicht an Ehrungen: so erhielt er den Umweltpreis des Bayerischen Umweltministeriums und wurde zum Ehrenmitglied des Naturwissenschaftlichen Vereins Bayerischer Wald und der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Ostbayerns ernannt. Auch nach der Umsiedlung aus seiner Zweitheimat im Bayerischen Wald nach Berchtesgaden - mit großem Enthusiasmus gestaltete er am neuen Wohnsitz ein wahres Gartenparadies - dürfen wir auf weitere Aktivitäten gespannt sein. Dazu wünschen wir unserem Mitglied Gesundheit, Geborgenheit im Kreis seiner Familie und Durchhaltevermögen im Kampf für Vogel- und Naturschutz!

Siegfried Klaus, 2011 im Eulen-Rundblick 61: 152

Dr. Wolfgang Scherzingers Literaturliste

Nachtrag 2016: Bei der Jahrestagung der AG Eulen wurde Dr. Wolfgang Scherzinger durch die Überreichung einer Urkunde in die Ehrentafel der AG Eulen aufgenommen.

Wolfgang Scherzinger in die „World Owl Hall of Fame“ aufgenommen

 Wolfgang Scherzinger mit Preis
Wolfgang Scherzinger mit Preis
Wolfgang Scherzinger wurde Anfang März 2013 mit dem Champion of Owls Award, dem Spitzenpreis des 11. Internationalen Eulenfestivals in Houston/Minnesota ausgezeichnet und damit in die „World Owl Hall of Fame“ aufgenommen. Diese Auszeichnung würdigt seine langjährigen wissenschaftlichen Forschungsarbeiten, seine vielseitigen publizistischen Aktivitäten und seine hohes Engagement für den Schutz unserer Eulen.

Die AG Eulen spricht Dr. Wolfgang Scherzinger ihren herzlichen Glückwunsch zu dieser hohen Auszeichnung aus und wünscht ihm auch für seine weitere Arbeit in der Eulenforschung eine stabile Gesundheit, alles erdenklich Gute und recht viel Erfolg.

Die nachfolgende Tabelle gibt eine Übersicht über die vom Geehrten gehaltenen Eulenarten zusammen mit dem dabei erzielten Erfolg.

Artnamen regelmäßige Nachzucht gelegentliche Nachzucht Einzelvögel, Paare ohne Bruterfolg Einzelvögel, kurzzeitige Haltung
Tyto alba *
Bubo bubo *
Bubo scandiacus *
Strix nebulosa *
Strix uralensis *
Strix aluco *
Asio otus *
Otus scops *
Athene noctua *
Athene cunicularia *
Aegolius funereus *
Surnia ulula *
Glaucidium passerinum *
Glaucidium perlatum *
Athene brama *
Glaucidium brasilianum *
Glaucidium cuculoides *
Strix varia *
Asio flammeus *
Aegolius acadicus *
Glaucidium californicum *
Glaucidium radiatum *
Bubo cinerascens *
Bubo ketupu *
Otus sunia *
Otus bakkamoena *
Ninox scutulata *
S = 22 (27) Arten 14 3 5 (5)

Von Wolfgang Scherzinger bisher gehaltene bzw. nachgezüchtete Eulenarten (aus: Eulen-Rundblick 64: 95 (2014); Text korrigiert)

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ag_eulen/ehrungen/portraits/1944_wolfgang_scherzinger.txt · Zuletzt geändert: 2020/05/10 00:54 (Externe Bearbeitung)