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Portrait

ALBRECHT JACOBS

ALBRECHT JACOBS – Uhuschützer der ersten Stunde

 ALBRECHT JACOBS 2006 mit Bundesverdienst-<br>kreuz. Foto: GUNNAR JACOBS.
ALBRECHT JACOBS 2006 mit Bundesverdienst-
kreuz. Foto: GUNNAR JACOBS.

Mit einem Buch fing es an: „Strix. Die Geschichte eines Uhus“. SVEND FLEURONs illustrierte Schilderungen aus dem Leben Europas größter Eulenart weckten das Interesse des jungen ALBRECHT JACOBS. Das war zu Beginn der 1950er Jahre. Deutschland war mit dem Wiederaufbau beschäftigt, die Vogelwelt – von heute aus betrachtet – fast unversehrt, der Uhu aber im Solling wie im gesamten Weserbergland schon lange zuvor verschwunden. ALBRECHT JACOBS wuchs am Rande des Sollings auf, sein Interesse galt der Vogelkunde, dem Vogelschutz und dem Uhu. Im Harz hätte der junge Vogelschützer mit viel Glück noch einen Uhu beobachten können. Der letzte niedersächsische Uhu starb dort 1965.

Zur selben Zeit nahmen in Deutschland die Überlegungen für eine Wiederansiedlung des Uhus Gestalt an. Im September 1965 berichtete Prof. BERNHARD GRZIMEK darüber in der Fernsehsendung „Ein Platz für Tiere“. Schon ein Jahr zuvor hatte OSWALD von FRANKENBERG, der Pionier der Uhuwiederansiedlung, bei Landesbergen an der Weser am nördlichen Rand des Weserberglandes Uhus in Freiheit gesetzt. Das erste europäische Naturschutzjahr (1970) und das Bundesnaturschutzgesetz (1976) lagen noch in weiter Ferne. Naturschutz war überwiegend die Sache von Ehrenamtlichen und bot kaum eine rechte berufliche Perspektive. ALBRECHT JACOBS studierte Elektrotechnik, was der Sache des Uhuschutzes noch zugute kommen sollte.

Ende der 1960er Jahre war ALBRECHT JACOBS Diplomingenieur, mit Frau EDELTRAUD in Stadtoldendorf verheiratet, aber sein Interesse an Vogelkunde und Vogelschutz keineswegs verflogen. Zu der Zeit hörte er von Uhus am Breitestein an der Weser. Breitestein bezeichnet einen Hang längs der Weser in landschaftlich schöner Lage etwa zehn Kilometer nordwestlich von Stadtoldendorf. Uhus dort – Sensation oder Spekulation? Er ging der Sache nach und hörte dort im März tatsächlich ein Uhumännchen rufen. Es war seine erste Begegnung mit einem freilebenden Uhu. Der von ihm verständigte OSWALD von FRANKENBERG reiste an, aber der Uhu ließ sich weder sehen noch tat er einen Laut, was an ALBRECHT JACOBS‘ Ornithologen-Ehre nagte. Allerdings nur bis sich am darauffolgenden Abend der Uhu erneut rufend einstellte.

VON FRANKENBERG organisierte umgehend ein Uhuweibchen aus dem Kölner Zoo, das ALBRECHT JACOBS in nächster Nähe zum rufenden Uhumännchen in einer eigens eingerichteten Voliere platzierte, mit lebender Nahrung versorgte und im August 1968 freiließ, nachdem es zu ersten vielversprechenden Kontakten zwischen Uhuweibchens und -männchen gekommen war. Erfolg war dem Unterfangen nicht beschieden: Das Uhuweibchen wurde bald darauf auf der Bundesstraße überfahren, das Männchen einige Zeit später vergiftet aufgefunden. Die beiden Uhus zählen zu den ersten der etwa 3.000 Uhus, welche im Rahmen der „Aktion zur Wiedereinbürgerung des Uhus“ (AzWU) bis in die 1990er Jahre in Freiheit gesetzt wurden.

ALBRECHT JACOBS ließ sich vom anfänglichen Fehlschlag nicht entmutigen. Im Gegenteil: Er las und lernte immer mehr über Uhus, studierte die Wiederansiedlungsbemühungen, setzte sich mit Fachleuten in Verbindung, recherchierte in den Lebensräumen, wo zuletzt noch Uhus gebrütet hatten. Bald war er in der AzWU der Hauptverantwortliche für die Uhuwiederansiedlung in Niedersachsen. Er richtete mehrere Volieren ein, in denen Uhupaare ab 1971 insgesamt 79 Junge aufzogen. Parallel betrieb er die Zucht von Meerschweinchen und Kaninchen, mussten die jungen Uhus doch das Schlagen lebender Beute trainieren. Bis zu 50 junge Uhus je Jahr starteten in für Uhus geeigneten Gegenden unter seiner Regie aus Kartons; insgesamt mehr als 400 Uhus.

Der Erfolg ließ noch einige Zeit auf sich warten: 1977 registrierte JACOBS die erste Uhubrut im Weserbergland – nach Jahrzehnten der Abwesenheit der Eulenart, von der wir wissen, dass sie keineswegs auf menschenferne oder unzugängliche Gebiete beschränkt ist, sondern nur dort der Verfolgung entging. Dann verstetigte sich der Erfolg. An zuvor verwaisten Brutplätzen brüteten wieder Uhus. Immer mehr Lücken schlossen sich, so dass es der unterstützenden Freilassung von Uhus nicht mehr bedurfte. Seit Mitte der 1990er Jahre, 30 Jahre nach den bescheidenen Anfängen, sind die meisten der im Weserbergland verfügbaren Uhuhabitate besiedelt. Im außergewöhnlich guten Uhujahr 2012 registrierte DR. KERSTEN HÄNEL dort 76 besetzte Reviere.

Der Uhu hätte das Weserbergland nicht so rasch und vollständig wiederbesiedeln können, wären zur selben Zeit nicht die Lebensbedingungen der Uhus kontinuierlich verbessert worden. ALBRECHT JACOBS hatte von Anfang an erkannt, dass der Uhu Freunde braucht – nämlich Freunde unter Jägern, Forstleuten, Steinbruch- und Netzbetreibern. Er überzeugte für die Sache des Uhus mit bestem Wissen und ohne Besserwisserei, erfindungs- und bisweilen fintenreich. Die Straßenbauverwaltung gewann er für die Entschärfung eines für Uhus unfallträchtigen Stücks Bundesstraße. Die nötigen Bauteile konstruierte er kurzerhand selbst. Seitdem ist dort nur ein einziger Uhu auf der Strecke geblieben. Als einer Uhubrut in einem Steinbruch wegen des nahenden Freizeitrummels Störungen drohten, sorgte JACOBS mit Jauche für die nötige olfaktorische Vergrämung der einen und die optische und akustische Ungestörtheit der anderen.

Sein besonderes Augenmerk galt der Umrüstung gefährlicher Mittelspannungsmasten noch bevor sich die Netzbetreiber dazu selbstverpflichteten und 2002 schließlich dazu gesetzlich verpflichtet wurden. JACOBS‘ professionelles elektrotechnisches Wissen, diplomatisches Geschick und der Arbeitsplatz beim regionalen Netzbetreiber, der Wesertal GmbH, boten beste Voraussetzungen für eine durchgreifende Entschärfung der Masten im Weserbergland modellhaft für andere Regionen Deutschlands, die darauf teils bis heute trotz gesetzlicher Verpflichtung warten. Die frühzeitige Umrüstung hat einer beträchtlichen Anzahl Uhus und zahlreichen anderen Vögeln das Leben gerettet.

Für dieses Engagement verlieh ihm der Bundespräsident 2006 das Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. Bis heute ist ALBRECHT JACOBS ein Motor für den Vogelartenschutz in der Region und ein geschätzter Sachverständiger, der sich auf eine rollenteilende Zusammenarbeit mit den Naturschutzbehörden versteht. So war er im Mai 2014 gleich zur Stelle, als am Hildesheimer Dom junge Uhus festgestellt und in den schwierigen Umfeld der damaligen Dombaustelle für die Sicherheit der Uhus gesorgt werden musste.

Bei der präsidialen Auszeichnung ist es nicht geblieben. Das Land Niedersachsen hat wenig später die Uhulebensräume im Weserbergland als Europäische Vogelschutzgebiete deklarieren und unter Schutz stellen müssen, was die Landesregierung hatte vermeiden wollen. Auch das ist ein zwar leiser, aber nachhaltiger Erfolg des beständigen Einsatzes des erfahrenen Uhuschützers ALBRECHT JACOBS, der darüber nie ein Aufhebens gemacht hat. Der Norddeutsche Rundfunk hat sein fast fünfzigjähriges Engagement für Uhus 2013 in der Sendung „Uhus in Niedersachsen“ eindrucksvoll gewürdigt: http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/media/naturnah637.html

ALBRECHT JACOBS ist ein Uhuschützer der ersten Stunde. Frau EDELTRAUD hat den Einsatz nicht einfach hingenommen; sie hat daran emotionalen Anteil. Seine Unternehmungen für den Uhu waren so nachdrücklich wie nachhaltig: DR. KERSTEN HÄNEL führt sein Engagement für den Uhu im Weserbergland fort. Sohn GUNNAR ist beruflich im Naturschutz tätig und mit Uhus bestens vertraut. Der zwölfjährige Enkel TOM teilt die Naturbegeisterung von Vater und Großvater. Im Juni 2015 wird ALBRECHT JACOBS 75 Jahre alt, was ihn nicht hindert, beispielsweise den mehr als 100 Mauerseglernistkästen in Stadtoldendorf weitere hinzuzufügen und seine Heimatstadt zu einem Leuchtturm des Mauerseglerschutzes auszubauen.

Wilhelm Breuer, 2015 im Eulen-Rundblick 65: 89

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