Portrait
Am 28. Juli 2013 ist DR. ORTWIN SCHWERDTFEGER 75 Jahre alt geworden. Ein Anlass zur Rückschau.
Als wir in den ersten Morgenstunden wieder in Osterode eintrafen, wartete JUTTA SCHWERDTFEGER mit dem Abendbrot auf uns, und während ich am nächsten Morgen ausschlief, war ORTWIN SCHWERDTFEGER schon wieder früh auf den Beinen, um zur Mathematikstunde pünktlich im Gymnasium zu sein. „Er ist unser lustigster Lehrer“ sagten seine Schüler über ihn.
Dieser ersten Rauhfußkauznacht folgten bald weitere, es entstand eine gute Zusammenarbeit und bald eine persönliche Freundschaft.
ORTWIN SCHWERDTFEGER wurde am 28.Juli 1938 in Oldenburg/Oldenburg geboren und war schon als Schuljunge in der Umgebung unterwegs, um die Natur zu erkunden und Tiere zu beobachten. Nach dem Abitur studierte er Mathematik und Physik in Göttingen und München. Er erweiterte sein Studium um die Fächer Pädagogik und Psychologie und promovierte in München mit einer lernpsychologischen Arbeit zum Dr. rer. nat. Sein großes Interesse an der Natur blieb immer erhalten. Zusammen mit seiner Frau Jutta bereiste er regelmäßig bedeutende Naturgebiete in vielen Ländern Europas und suchte Tiere in ihren Lebensräumen auf. Durch genaue Kenntnis des Verhaltens der Tiere, Geduld und großes Einfühlungsvermögen konnte er sich frei lebenden Tieren sehr weit annähern. Eindrucksvolle Fotos und Filmdokumente (16 mm-Film, später Video) sogar von Moschusochsen, Steinböcken und Luchsen, um nur einige zu nennen, waren der Lohn.
Der Schuldienst führte ihn 1969 an das Gymnasium in Osterode. Er unterrichtete die Fächer Mathematik, Physik sowie Werte und Normen. Dass er hier bis zu seiner Pensionierung und bis heute blieb, lag wohl auch an seinen anspruchsvollen Langzeitprojekten in den Harzwäldern. Seine große Liebe gilt dabei bis heute dem Rauhfußkauz, der schönen kleinen Eule, die er mit einer besonderen und wohl einmaligen Methode erforscht: Auf 200 km2 einer Hochfläche fast ohne natürliche Höhlen, hat er gleichmäßig gut erreichbare Nistkästen verteilt und damit ein sehr effektives Freiluftlabor geschaffen. Seit nunmehr 35 Jahren werden die Daten aller Bruten mit den immer gleichen Methoden erfasst. Jährlich werden alle Weibchen und Jungen sowie fast alle Männchen gefangen und identifiziert. Die bisherigen Ergebnisse seines Fleißes sind eine riesige Datenbank. Neben dem Rfk untersuchte er ebenfalls mit gleich bleibenden Methoden die beiden Baumläuferarten auf 7 km2 über 15 Jahre. Das Leben der Dachse erforschte er auf der Fläche von 600 km2, wo er 200 Dachsbaue kartieren konnte - alles Tierarten, die bisher nur wenig untersucht worden waren.
Eine fruchtbare Zusammenarbeit ergab sich insbesondere mit Prof. Dr. Gerhard Thielcke (individueller Gesang der beiden Baumläuferarten), PROF. DR. MICHAEL WINK (Rfk) und PROF. DR. ANTAL FESTETICS (Dachse, Rfk). Das führte auch zur Betreuung einiger Diplomarbeiten.
Auf seiner Homepage http://www.o-schwerdtfeger.de findet man die lange Liste seiner Publikationen von dieser umfangreichen Freizeitforschung, die auch international große Beachtung findet. Allein zum Rfk 28 Veröffentlichungen und 48 Vorträge auf Fachtagungen, auch im Ausland, zum Teil in englischer Sprache, sind das bisherige Ergebnis. Auch das öffentliche Fernsehen berichtete über ORTWINs Forschungsprojekte, z.B. „Wildnis Harz - Im Reich der kleinen Eule“ (von SVENJA und RALPH SCHIEKE).
Als Professor STUBBE von der Universität Halle 1986 eine erste Tagung der Laienforscher an Greifvögeln und Eulen in Meisdorf organisierte, war das zu dieser Zeit eine mutige Tat, es durften allerdings unsere Mitstreiter von der anderen Seite der Mauer nicht teilnehmen. Zeitgleich hatte ORTWIN SCHWERDTFEGER im Wasserschloss Mitwitz die erste Tagung der Rauhfußkauzgruppe in der AG zum Schutz bedrohter Eulen organisiert, aber auch hier trennte die Mauer. Für die Eulen war sie allerdings kein Hindernis. SCHWERDTFEGERsche Käuze brüteten in Thüringen und unsere im Harz. 1990 änderte sich alles: Mauern und Grenzen waren endlich gefallen und ORTWIN SCHWERDTFEGER stand bei der zweiten Tagung 1990 in Meisdorf auf der Liste der Vortragenden. Die AG zum Schutz bedrohter Eulen (AG Eulen) erhielt Zulauf von den ostdeutschen Eulenfans und die Tagung 1990 in Homburg/Saar sowie die Tagung der Bayerischen Waldkleineulengruppe 1991 im Wasserschloss Mitwitz wurden schon gesamtdeutsch besucht. Damit ging auch ein großer Wunsch ORTWIN SCHWERDTFEGERs in Erfüllung. Immer war sein Anliegen die Förderung der überregionalen Zusammenarbeit.
ORTWIN war von 1997 bis 2004 Sprecher der Bundesarbeitsgruppe (BAG) Eulenschutz des NABU und übernahm ab 1999 den Vorsitz der AG Eulen, den er 2004 aus gesundheitlichen Gründen abgeben musste. Er richtete sofort die Homepage http://www.ageulen.de ein und führte die AG zu internationaler Bedeutung. Zwei große internationale Tagungen waren sein Werk: das 3. Europäische Eulen-Symposium bei St. Andreasberg (Harz 2000) mit 44 Vorträgen von Referenten aus 17 Ländern und 2003 das 4. Europäische Eulen-Symposium in Dornbirn/Österreich. Über 200 Teilnehmer hörten hier 36 Vorträge von Referenten aus 16 Ländern. Zahlreiche Poster-Präsentationen, Dia- und Filmbeiträge trugen zum Gelingen beider Veranstaltungen bei.
Für ORTWIN SCHWERDTFEGER gibt es auch jetzt noch keinen Ruhestand. Er wertet mit Begeisterung das sehr umfangreiche und vielseitige Material seiner Forschungsprojekte aus, wodurch interessante neue Ergebnisse zu erwarten sind. Dabei ist seine Frau stets eine verständnisvolle Unterstützerin. Seine Video-Dokumentationen regten ihn auch zu sehr einfühlsamen Kurzvideos an, die wir als Teilnehmer von Eulentagungen genießen konnten; in seiner Heimatstadt sind sie ein fester Bestandteil des Kulturangebots.
Wir wünschen DR. ORTWIN SCHWERDTFEGER für seine Projekte noch viele Jahre ungebrochener Schaffenskraft.
Wilhelm Meyer, 2014 im Eulen-Rundblick 64: 111