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Portrait

Dr. Ortwin Schwerdtfeger 75 Jahre

Am 28. Juli 2013 ist DR. ORTWIN SCHWERDTFEGER 75 Jahre alt gewor­den. Ein Anlass zur Rückschau.


Im April 1986 durfte ich ganz überra­schend meine alte Mutter im Westharz besuchen. Damit hatte ich nach vielen abge­lehn­ten Anträgen gar nicht mehr ge­rech­net. Meine erste Reise in den Westen! Zu dieser Zeit be­fass­ten wir uns schon über 10 Jahre mit Schwarz­specht (Ssp) und Rauhfußkauz (Rfk) und na­tür­lich hatten wir von dem Eu­lenforscher im Harz gehört und sei­ne Veröffentlichungen von 1979 und 1984 gelesen. Ein Mann, der wie wir über lange Zeit auf großer Fläche mit gleich bleibenden Methoden und pein­lich­er Genauigkeit eine Popula­tion des Rfk untersuchte. Nun wür­de ich ganz in der Nähe von Osterode sein, dem Wohnort ORTWIN SCHWERDTFEGERs. Noch ganz überwältigt von den vielen neuen Eindrücken, fasste ich mir ein Herz und rief bei Schwer­dtfegers an. Schon der erste Kontakt am Telefon war überaus herzlich. Wir fanden über das gemeinsame Hobby sofort eine Gesprächsbasis und schon am übernächsten Abend war ich mit ihm im Wald unterwegs. Bis tief in die Nacht fingen wir mit dem Japan­netz Rauhfußkauzmännchen, haben sie vermessen und beringt. Nur mit Mühe konnte ich dem agilen Mann folgen, wenn er in der Dunkelheit durch das Dickicht stürmte, weil ein Kauz im Netz war. Bis dicht an die Grenze konnten wir ohne Probleme gehen - unvorstellbar, war ich doch auf der östlichen Seite der Grenze ohne Passierschein in der 5 km-Zo­ne immer in Gefahr, wegen versuch­ten Grenzdurchbruchs eingesperrt zu werden!

Als wir in den ersten Morgenstunden wieder in Osterode eintrafen, wartete JUTTA SCHWERDTFEGER mit dem Abend­brot auf uns, und während ich am nächsten Morgen ausschlief, war ORTWIN SCHWERDTFEGER schon wieder früh auf den Beinen, um zur Mathematik­stunde pünktlich im Gymnasium zu sein. „Er ist unser lustigster Lehrer“ sagten seine Schüler über ihn.

Dieser ersten Rauhfußkauznacht folgten bald weitere, es entstand eine gute Zusammenarbeit und bald eine persönliche Freundschaft.

ORTWIN SCHWERDTFEGER wurde am 28.Juli 1938 in Oldenburg/Oldenburg geboren und war schon als Schuljunge in der Umgebung unterwegs, um die Natur zu erkunden und Tiere zu beob­achten. Nach dem Abitur studierte er Mathematik und Physik in Göttingen und München. Er erweiterte sein Stu­dium um die Fächer Pädagogik und Psychologie und promovierte in Mün­chen mit einer lernpsychologischen Arbeit zum Dr. rer. nat. Sein großes Interesse an der Natur blieb immer er­halten. Zusammen mit seiner Frau Jut­ta bereiste er regelmäßig bedeutende Naturgebiete in vielen Ländern Euro­pas und suchte Tiere in ihren Lebens­räumen auf. Durch genaue Kenntnis des Verhaltens der Tiere, Geduld und großes Einfühlungsvermögen konnte er sich frei lebenden Tieren sehr weit annähern. Eindrucksvolle Fotos und Filmdokumente (16 mm-Film, später Video) sogar von Moschusochsen, Steinböcken und Luchsen, um nur ei­nige zu nennen, waren der Lohn.

Der Schuldienst führte ihn 1969 an das Gymnasium in Osterode. Er un­terrichtete die Fächer Mathematik, Physik sowie Werte und Normen. Dass er hier bis zu seiner Pensionie­rung und bis heute blieb, lag wohl auch an seinen anspruchsvollen Lang­zeitprojekten in den Harzwäldern. Seine große Liebe gilt dabei bis heute dem Rauhfußkauz, der schönen klei­nen Eule, die er mit einer besonderen und wohl einmaligen Methode er­forscht: Auf 200 km2 einer Hochfläche fast ohne natürliche Höhlen, hat er gleichmäßig gut erreichbare Nist­kästen verteilt und damit ein sehr ef­fektives Freiluftlabor geschaffen. Seit nunmehr 35 Jahren werden die Daten aller Bruten mit den immer gleichen Methoden erfasst. Jährlich werden alle Weibchen und Jungen sowie fast alle Männchen gefangen und iden­tifiziert. Die bisherigen Ergebnisse seines Fleißes sind eine riesige Da­tenbank. Neben dem Rfk untersuch­te er ebenfalls mit gleich bleibenden Methoden die beiden Baumläuferar­ten auf 7 km2 über 15 Jahre. Das Le­ben der Dachse erforschte er auf der Fläche von 600 km2, wo er 200 Dachs­baue kartieren konnte - alles Tierar­ten, die bisher nur wenig untersucht worden waren.

Eine fruchtbare Zusammenarbeit er­gab sich insbesondere mit Prof. Dr. Gerhard Thielcke (individueller Ge­sang der beiden Baumläuferarten), PROF. DR. MICHAEL WINK (Rfk) und PROF. DR. ANTAL FESTETICS (Dachse, Rfk). Das führte auch zur Betreuung einiger Diplomarbeiten.

Auf seiner Homepage http://www.o-schwerdtfeger.de findet man die lange Liste seiner Publikationen von dieser umfangreichen Freizeit­forschung, die auch international große Beachtung findet. Allein zum Rfk 28 Veröffentlichungen und 48 Vorträge auf Fachtagungen, auch im Aus­land, zum Teil in englischer Sprache, sind das bisherige Ergebnis. Auch das öffentliche Fernsehen berichte­te über ORTWINs Forschungsprojek­te, z.B. „Wildnis Harz - Im Reich der kleinen Eule“ (von SVENJA und RALPH SCHIEKE).

Als Professor STUBBE von der Univer­sität Halle 1986 eine erste Tagung der Laienforscher an Greifvögeln und Eu­len in Meisdorf organisierte, war das zu dieser Zeit eine mutige Tat, es durften allerdings unsere Mitstreiter von der anderen Seite der Mauer nicht teilnehmen. Zeitgleich hatte ORTWIN SCHWERDTFEGER im Wasserschloss Mit­witz die erste Tagung der Rauhfußkauzgruppe in der AG zum Schutz bedrohter Eulen organisiert, aber auch hier trennte die Mauer. Für die Eulen war sie allerdings kein Hinder­nis. SCHWERDTFEGERsche Käuze brüte­ten in Thüringen und unsere im Harz. 1990 änderte sich alles: Mauern und Grenzen waren endlich gefallen und ORTWIN SCHWERDTFEGER stand bei der zweiten Tagung 1990 in Meisdorf auf der Liste der Vortragenden. Die AG zum Schutz bedrohter Eulen (AG Eu­len) erhielt Zulauf von den ostdeut­schen Eulenfans und die Tagung 1990 in Homburg/Saar sowie die Tagung der Bayerischen Waldkleineulengrup­pe 1991 im Wasserschloss Mitwitz wurden schon gesamtdeutsch besucht. Damit ging auch ein großer Wunsch ORTWIN SCHWERDTFEGERs in Erfüllung. Immer war sein Anliegen die Förde­rung der überregionalen Zusammen­arbeit.

ORTWIN war von 1997 bis 2004 Spre­cher der Bundesarbeitsgruppe (BAG) Eulenschutz des NABU und über­nahm ab 1999 den Vorsitz der AG Eu­len, den er 2004 aus gesundheitlichen Gründen abgeben musste. Er richte­te sofort die Homepage http://www.ageulen.de ein und führte die AG zu interna­tionaler Bedeutung. Zwei große inter­nationale Tagungen waren sein Werk: das 3. Europäische Eulen-Symposium bei St. Andreasberg (Harz 2000) mit 44 Vorträgen von Referenten aus 17 Ländern und 2003 das 4. Europäische Eulen-Symposium in Dornbirn/Ös­terreich. Über 200 Teilnehmer hörten hier 36 Vorträge von Referenten aus 16 Ländern. Zahlreiche Poster-Präsentationen, Dia- und Filmbeiträge trugen zum Gelingen beider Veran­staltungen bei.

Für ORTWIN SCHWERDTFEGER gibt es auch jetzt noch keinen Ruhestand. Er wertet mit Begeisterung das sehr umfangreiche und vielseitige Materi­al seiner Forschungsprojekte aus, wo­durch interessante neue Ergebnisse zu erwarten sind. Dabei ist seine Frau stets eine verständnisvolle Unterstüt­zerin. Seine Video-Dokumentationen regten ihn auch zu sehr einfühlsa­men Kurzvideos an, die wir als Teil­nehmer von Eulentagungen genießen konnten; in seiner Heimatstadt sind sie ein fester Bestandteil des Kultur­angebots.

Wir wünschen DR. ORTWIN SCHWERDTFEGER für seine Projekte noch viele Jahre ungebrochener Schaffenskraft.

Wilhelm Meyer, 2014 im Eulen-Rundblick 64: 111

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