Bericht über die 34. Jahrestagung der AG Eulen sowie das 9. Internationale Symposium Populationsökologie von Greifvogel- und Eulenarten vom 18.10. bis 21.10.2018 in Halberstadt, Sachsen-Anhalt
Abbildung 1: Teilnehmer und Teilnehmerinnen der 34. Jahrestagung in Halberstadt (Foto: Elke Steinborn)
Nachdem sich im Vorjahr die Deutsche Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Eulen e.V. in Breklum in Schleswig-Holstein versammelt hatte, fand 2018 die nachfolgende 34. Tagung einschließlich Mitgliederversammlung in Halberstadt in Sachsen-Anhalt statt. Der Förderverein für Ökologie und Monitoring von Greifvogel- und Eulenarten e.V. veranstaltete unter Kooperation und Mitwirkung der AG Eulen e.V. das 9. Internationale Symposium Populationsökologie von Greifvogel- und Eulenarten.
Die AG Eulen folgte damit der Tradition, alle vier Jahre eine gemeinsame Veranstaltung mit dem Förderverein durchzuführen. Die Organisation lag in den Händen von Ubbo Mammen und Michael M. Jöbges. Der Einladung waren rund 260 Teilnehmer/Innen, unter anderem aus Ungarn, Österreich, Schweiz, den Niederlanden und Schottland, gefolgt. Ein umfangreiches, vielschichtiges Tagungsprogramm wurde mit 26 Vorträgen geboten und mit 15 Postern abgerundet.
Das Veranstaltungsprogramm begann am Anreisetag mit einem öffentlichen Bildervortrag von Winfried Nachtigall und Silvio Herold: „40.000 km und zurück mit den Milanen ins Winterquartier“. Die Autoren berichteten von ihren Beobachtungen und den Ergebnissen der Rotmilan-Schlafplatzzählungen ihrer insgesamt vier Reisen auf die Iberische Halbinsel, dem zentralen Überwinterungsgebiet der Art in Europa.
Es folgten zwei Tage mit wissenschaftlich hochwertigen Vorträgen und interessanten, zeitweise kontroversen Diskussionen. Die AG Eulen steuerte acht Vorträge und mehrere Poster zum Symposium bei. Im Einzelnen waren dies vier Vorträge über den Uhu Bubo bubo, jeweils ein Vortrag über den Waldkauz Strix aluco, den Sperlingskauz Glaucidium passerinum und den Rauhfußkauz Aegolius funereus sowie ein Vortrag über Eulen und Greifvögel als Opfer der Vogelgrippe (Geflügelpest).
Am Freitag, den 19.10.2018, eröffneten Ubbo Mammen und Michael M. Jöbges die Fachtagung und begrüßten die angereisten Teilnehmer/innen. Staatssekretär Klaus Rehda vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie des Landes Sachsen-Anhalt überbrachte Grußworte der Umweltministerin Prof. Dr. Claudia Dalbert. Der Staatssekretär hob das hohe Engagement der ehrenamtlich tätigenden Greifvogel- und Eulenschützer hervor. Die erhobenen Monitoringdaten sowie die Durchführung von Artenhilfsprogrammen sind unverzichtbare Bausteine für die Arbeit des Umweltministeriums in Sachsen-Anhalt.
Der erste Vortragsblock begann mit einem Überblick von Ubbo Mammen und Ines Stark: „30 Jahre Monitoring Greifvögel und Eulen Europas“. Die ersten Erfassungen im Rahmen dieses Programms fanden 1988 statt. Seitdem werden kontinuierlich Bestands- und Reproduktionsdaten von Eulen und Greifvögeln und von fest definierten Kontrollflächen aufgenommen. Die Referenten zeigten die Bestandsentwicklung und Reproduktionsparameter ausgewählter Greifvogel- und Eulenarten von 1988 bis 2014.
Nach diesem Überblick referierte Dr. Peter Petermann über Eulen und Greifvögel als Opfer der Vogelgrippe (Geflügelpest). Geflügelpest-Fälle bei Wildvögeln sind ein neues Phänomen, das erst seit etwa 2004 regelmäßig weltweit beobachtet wird und vor allem Wasservögel betrifft. Der Vortrag beleuchtete, in welchem Umfang Eulen und Greifvögel betroffen sind und was über das Ausmaß und die Ursachen aktuell bekannt ist.
Nach den Greifvogel-Vorträgen begann das eigentliche Eulenprogramm nach der Mittagspause am Samstag. Der junge Ornithologe Vincent Schwartz (Ungarn) berichtete über die Bestandssituation und -entwicklung des Uhus in Ungarn. Der Uhu war in Ungarn in den 1980er Jahren fast ausgestorben, aber zwischen 1987 und 1991 haben Vogelschützer 139 gezüchtete Uhus ausgewildert. In der Folge begann sich die Population langsam zu etablieren. Das Wachstum hat sich seit dem Jahr 2004 beschleunigt und hält derzeit weiter an. Jedoch hat der Schutz der Greifvögel, vor allem des Wanderfalken, in Ungarn derzeit Priorität vor den Eulenvögeln. Deshalb ist die Freude über die anwachsende Uhu-Population in Naturschutz- und Artenschutzkreisen nicht ungeteilt.
Christiane Geidel (stellvertretende Vorsitzende der AG Eulen) referierte zum Thema: „Wie viel Nachwuchs benötigen Uhus zur Aufrechterhaltung einer stabilen Populationsgröße?“ Der Vortrag stellte die Bestandsentwicklung des Uhus in Bayern vor, diskutierte diese im Hinblick auf bestehende Gefährdungspotenziale sowie Individuenverluste und gab eine erste fachliche Einschätzung eines „angepassten“ Reproduktionswertes.
Im Anschluss stellte Thomas Grünkorn (BioConsult SH) Zwischenergebnisse einer Studie zur besseren Abschätzung des Kollisionsrisikos des Uhus an Windenergieanlagen (WEA) vor, die BioConsult SH im Auftrag des Landesverbands Eulenschutz Schleswig-Holstein durchführt. Ziel dieser Studie ist es, detaillierte Daten zu Raumnutzung und Flugverhalten von mehreren Uhu-Brutpaaren in zwei Jahren zu erheben. Die ersten Ergebnisse dieser Studie zeigten überwiegend bodennahe Flüge des Uhus. Nach Aussage des Referenten besteht nur ein geringes Kollisionsrisiko für Uhus. Eine kontroverse Diskussion löste sein Vorschlag aus, bei Genehmigungen hoher Windräder auf den Mindestabstand zu Uhubrutplätzen zu verzichten, der von der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten empfohlen wird.
Nachdem sich die Gemüter nach der Kaffeepause beruhigt hatten, widmete sich Dr. Christian Harms in seinem Vortrag ebenfalls dem Uhu: „IR-Videokameras bringen Licht ins Nachtleben des Uhus“. Seit 2015 arbeitete der Referent mit IR-Videokameras, welche die Aktivitäten und ungestörten Verhaltensweisen von Uhus an ihrem Brutplatz über längere Zeit kontinuierlich aufzeichnen. Das Verhalten der Uhus während der Balz, der Brut und der Aufzucht der Jungen wurden dokumentiert und ausgewertet. Die Dynamik und Zusammensetzung der Beuteeinträge während der Brutzeit und damit die Nahrungsversorgung des Weibchens bildeten dabei einen besonderen Untersuchungsschwerpunkt. Der Referent machte anhand ausgewählter Ergebnisse deutlich, wie der gezielte Einsatz fotografischer Techniken und insbesondere IR-Videokameras das Wissen über Eulen erweitern kann.
Ein besonderes Erlebnis wurde der Vortrag von Fred J. Koning aus den Niederlanden: „Der Waldkauz von ,Source to Sink‘“. Der Referent berichtete über die Entwicklung einer Population von Waldkäuzen seit 1961 in einer niederländischen Dünenlandschaft nahe Amsterdam. Seit den 1960 Jahren veränderten sich Flora und Fauna des Untersuchungsgebietes deutlich. Das Hauptinteresse des zeitintensiven Langzeitprojektes war, die Interaktion zwischen Waldkauz und anderen Greifvögeln sowie Prädatoren zu dokumentieren. Die Ergebnisse zeigten, dass Habicht und Baummarder Einfluss auf die Fortpflanzung und das Überleben des Waldkauzes haben. Die Untersuchungen belegten, wie sich die Population von Waldkäuzen von einer „Source“- zu einer „Sink“-Population veränderte.
Mit besonderer Freude wurde der Vortrag von Dr. Jochen Wiesner, ehemaliger Vorsitzender der AG Eulen, verfolgt: „Zum Sozialsystem des Sperlingskauzes – Erkenntnisse aus 35-jähriger Beringungsarbeit an einer kurzlebigen Eulenart“. Langfristige Beringungen an Sperlingskäuzen zeigen, dass die Art eine hohe Sterblichkeitsrate besitzt. In den ostdeutschen Bundesländern sind im Zeitraum 1964 bis 2015 insgesamt 2.970 Individuen beringt worden. Die vorliegenden Befunde zu ortsnahen und ortsfernen Wiederfunden erlauben nicht nur Aussagen zur Dismigration der Jungvögel, sondern auch zum Dispersal adulter Sperlingskäuze. Auswertungen der Langzeitstudien ergaben, dass das Sozialsystem des Sperlingskauzes dem des Rauhfußkauzes entspricht, nicht jedoch dem von Steinkauz und Waldkauz.
Der Abschluss der Eulenvorträge widmete sich dem Rauhfußkauz. Unser „Rauhfußkauz-Papst“ Dr. Ortwin Schwerdtfeger (Ansprechpartner bei der AG Eulen für diese Art) referierte zur „Bedeutung des Gesangs beim Rauhfußkauz“. Im Westharz wurden die Gesänge vieler Männchen aufgenommen, sogar außerhalb der Brutzeit. Die Analysen anhand von Sona- und Oszillogrammen lassen erkennen, dass offenbar bestimmte Eigenschaften der Gesänge bei einzelnen Männchen konstant sind und sich von denen anderer Männchen unterscheiden. Dies ermöglicht individuelles Erkennen von Männchen durch ihren Gesang.
Wie in den Vorjahren fand am Samstagabend die Mitgliederversammlung der AG Eulen statt. Die Ergebnisse und Beschlüsse der Mitgliederversammlung von Halberstadt können im ausführlichen Protokoll im ER nachgelesen werden. Unter dem TOP „Verschiedenes“ wurde die Diskussion um die Gefährdung von Uhus durch Windkraftanlagen kontrovers fortgesetzt.
Den Abschluss der Tagung bildeten am Sonntagmorgen zwei Exkursionen. Eine Wanderung führte zum Episodischen See „Bauerngraben“, alternativ konnte das Museum Heineanum in Halberstadt besichtigt werden. Der derzeit trockene Episodische See im Biosphärenreservat „Karstlandschaft Südharz“ wurde von den Teilnehmern der Exkursion einmal umrundet unter der sachkundigen Leitung von Armin Hoch vom Biosphärenreservat, der engagiert und humorvoll die Besonderheiten dieses einzigartigen Gipskarstgebiets erläuterte. Die Landschaft wird bis heute geprägt und dynamisch gestaltet durch den geologischen Untergrund, der durch Karsthöhlen ungewöhnliche Erscheinungen wie den nur zeitweise Wasser führenden See hervorbringt, aber auch Flora und Fauna beeinflusst, zu der auch der Uhu gehört, ebenso wie Kraniche, die immer wieder zu hören waren.
Michael M. Jöbges
Abbildung 2: Gut besucht: die von Ubbo Mammen (am Rednerpult) und seinen Mitarbeitern organisierte Tagung (Foto: Heidi Hillerich)
Abbildung 3: Spannende Informationen aus Ungarn: Vincent Schwartz (hier mit Christiane Geidel) berichtete über die Bestandsentwicklung des Uhus (Foto: Josef Gerl)