Positionspapier der AG Eulen zu Nisthilfen für Eulen
Genehmigt von der Mitgliederversammlung am 29.10.2016 im Kloster Schöntal
In den letzten Jahrzehnten wurden weltweit im Rahmen der unterschiedlichsten Stützungsprojekte Nisthilfen für Eulen gebaut und angebracht. In vielen Fällen konnte damit gefährdeten Reliktpopulationen wieder „auf die Beine geholfen“ oder Wiederansiedlungsprojekte wirkungsvoll unterstützt werden. Einige Eulenarten sind dadurch wahrscheinlich vor dem Untergang bewahrt geblieben. Bei manchen hat sich der Bestand inzwischen wieder sehr gut erholt.
Da aber ebenso oft Nistkasten-Aktionen ohne entsprechende fachliche Fragestellung bzw. ohne ein wissenschaftlich fundiertes Artenschutzprojekt umgesetzt werden, kann es, wenn auch unbeabsichtigt, zu einer ungünstigen Beeinflussung anderer Arten oder ganzer Lebensgemeinschaften kommen. Der Eingriff in die strukturelle Ausstattung von Lebensräumen, zu denen auch das Anbringen künstlicher Nisthilfen zählt, will daher gut durchdacht sein. Der alleinige Wunsch nach optimalen Beobachtungsmöglichkeiten oder erleichterten Bestandskontrollen bestimmter Eulenarten stellt kein ausreichendes Argument für ein systematisches Anbringen von Nistkästen dar.
Nach Meinung der AG Eulen finden sich im Wesentlichen vier ethisch vertretbare Gründe, die eine Bestandsförderung einzelner Eulenarten in Europa durch Nisthilfen rechtfertigen:
Ziel einer Förderung von Eulen durch Nisthilfen kann dabei jedoch nicht der Aufbau maximal möglicher Siedlungsdichten sein. Vielmehr muss sich die Stützungsmaßnahme an der naturgegebenen Kapazität der Lebensräume orientieren. In diesem Zusammenhang sind Maßnahmen zur Optimierung der Habitatqualität an den Beginn jeder Nistkastenaktion zu setzen, da Nisthilfen keineswegs als dauerhafter Ersatz für naturnähere Strukturen fungieren dürfen. Damit ist die grundsätzliche Forderung an die Waldbewirtschaftung gerichtet, ausreichend alte, hohle oder kränkelnde Bäume für die Anlage von Spechthöhlen zu erhalten, in denen sich die höhlenbrütenden Eulen ansiedeln können. Ebenso unerlässlich ist die Sicherung adäquater Eulen-Nistplätze in der Kulturlandschaft und im Siedlungsraum, wie der Erhalt von Krähen- und Greifvogelhorsten sowie alten Dorf-, Allee- und Obstbäumen mit entsprechenden Höhlungen. Die gleichen Überlegungen gelten auch für Gebäudebrüter, allen voran die Schleiereule: Voraussetzung einer Nistkastenaktion im Siedlungsbereich ist der Wille, die Ansiedlung von verwilderten Haustauben zu verhindern.
Im Fall von Stützungsprojekten für Eulen, die auf dem Angebot künstlicher Nisthilfen beruhen, sind daher folgende Kriterien zu überprüfen:
Empfohlene Maßnahmen zum Eulenschutz unter dem Aspekt des Angebots künstlicher Nisthilfen
(Besprechung der Eulenarten nach Körpergröße gereiht):
Sperlingskauz
Unsere kleinste Eule brütet vorwiegend in Höhlen von Bunt- und Dreizehenspecht. Nistkästen werden unter mitteleuropäischen Verhältnissen vorwiegend als Beutedepot und nur ausnahmsweise zur Brut genutzt. Nistkastenaktionen können daher nur bedingt zur Artenstützung beitragen. Stattdessen ist ein nachhaltiger Waldbau zu fördern, der ausreichend Laub- und Nadelbäume bereithält, die für die mittelgroßen Spechtarten zum Höhlenbau geeignet sind.
Zwergohreule
Als Höhlenbrüter benötigt diese zierliche Art Baumhöhlen. In seltenen Fällen werden aber auch Hohlräume in Gebäuden als Brutplatz genutzt. Wo ein solches Angebot fehlt, können für brutwillige Paare Nistkästen Ersatz bieten.
Rauhfußkauz
Der Rauhfußkauz ist als Nachnutzer von Schwarzspechthöhlen vom zunehmenden Höhlenmangel infolge aktueller Waldbewirtschaftung betroffen. Es ist zu fordern, geeignete Altholzinseln bzw. Baumgruppen für die Anlage von Schwarzspechthöhlen zu erhalten, bevorzugt mit Buche, Kiefer oder Fichte. Das Anbringen von Nistkästen kann den regionalen Bestand vorübergehend stabilisieren, darf jedoch nicht zum Alibi für einen ungebremsten Einschlag von Höhlenbäumen werden!
Um einer möglichen Prädation durch Marderarten vorzubeugen, sollten Nistkästen mit entsprechenden Schutzvorrichtungen ausgestattet sein oder alle 3-5 Jahre umgehängt werden.
Steinkauz
Der Steinkauz leidet unter massivem Lebensraum- und Brutbaumverlust. Die ehemals verbreitete, extensive Weidewirtschaft mit Kopfbäumen und hochstämmigen Obstbäumen ist überregional einer fortschreitenden Bebauung und intensiven Agrarproduktion gewichen.
Soweit geeignete Habitate mit Jagdflächen ausreichender Größe und genügendem Abstand zu Verkehrswegen erhalten sind, ist ein Nistkastenangebot bei fehlenden Brutmöglichkeiten angebracht. Erforderlich sind weiterhin die Pflege bestehender Streuobst- und Kopfbaumbestände sowie die Neupflanzung von Streuobstwiesen und Kopfbäumen und deren gesicherte Pflege. Hierbei ist durch die Naturschutzbehörden besonders die Pflege der Pflanzungen sicherzustellen, die im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmen angelegt worden sind.
Waldohreule
Diese Art ist zur Brut auf die nicht mehr genutzten Nester von Rabenvögeln angewiesen, deren Nistplatzangebot in der Feldflur durch das Verschwinden vieler Saumstrukturen und eine ständige Vergrößerung der Ackerflächen deutlich geschrumpft ist. Eine Förderung der Waldohreule durch Kunstnester erscheint derzeit nicht generell notwendig, kann im Einzelfall aber zielführend sein, insbesondere wenn isolierte Baumbestände in der Feldflur kaum ausreichende Nistplätze bieten.
Sumpfohreule
Bei dieser bodenbrütenden Art sind Artensicherungsmaßnahmen über künstliche Nisthilfen nicht möglich. Hier haben großräumiger Biotopschutz, vor allem eine Anpassung der Zeitpunkte für Mahd und Auftrieb großer Weidetiere absoluten Vorrang.
Schleiereule
Als ausgesprochener Kulturfolger ist die Schleiereule eng an das anthropogene Brutplatzangebot gebunden. Von zentraler Bedeutung sind dabei große Scheunen, ausgestattet mit entsprechenden Einflugöffnungen und möglichst eingelagertem Stroh, sowie Kirchtürme. Ferner werden regional alte Kopfweiden oder Felsen zum Nisten genutzt.
Zur Abwehr von verwilderten Tauben oder Dohlen wurde in letzter Zeit ein Großteil der Kirchtürme vergittert oder ganz verschlossen. Damit fehlen auf überwiegender Fläche störungsfreie und besonders sichere Brutplätze.
Artenschutzprojekte müssen daher zumindest in den Dörfern die Zugänglichkeit von Kirchtürmen sowie Scheunen wieder ermöglichen und gleichzeitig die verwilderten Tauben von diesen Brutplätzen fernhalten. Wo möglich empfiehlt sich eine räumliche Abtrennung innerhalb des Kirchturms, beispielsweise der Abschluss der Spitze als Brutplatz für die Schleiereule, oder die Einrichtung von separaten „Eulenstuben“ (nach O. Diehl; vgl. Eulen-Rundblick 63: 16).
Alternativ können entsprechend große Nistkästen mit erhöhtem Ausgang relativ einfach montiert werden.
Waldkauz
Als weit verbreitete und lokal in hoher Dichte vorkommende Eulenart benötigt der Waldkauz in der Regel keine Förderung durch künstliche Nisthilfen. In Einzelfällen kann aber ein Nistkastenangebot sinnvoll sein, wenn beispielsweise eine Umsiedlung aus ungünstig gelegenen Brutplätzen erreicht werden soll. Da Kleineulen zum Beutespektrum der Waldkäuze zählen, können Fördermaßnahmen zur Bedrohung der kleineren Eulenarten werden.
Da Waldkäuze ihren Nachwuchs mitunter heftig verteidigen, sollten in häufig von Menschen genutzten Bereichen keine Nisthilfen angebracht werden.
Habichtskauz
In der Taigazone nutzt der Habichtskauz vorwiegend Baumhöhlen bzw. ausgehöhlte Baumstümpfe als Brutplatz. Im Karpatenraum dominieren hingegen große Greifvogelhorste. Beides ist in unseren Wirtschaftswäldern kaum gegeben. Seit 1975 gibt es allerdings im Inneren Bayerischen Wald bzw. Böhmerwald und daran angeknüpft seit 2011 in Österreich Wiederansiedlungsprojekte für die Art. Diese werden von einem entsprechenden Angebot an Nisthilfen begleitet, um die Startchancen der noch ungefestigten Kauzbestände zu verbessern. Als Langzeitziel ist mit der Ansiedlung von Habichtskäuzen in jedem Fall der Erhalt entsprechend geeigneter Uraltbäume und Bruchstämme bzw. großer Baumhorste verknüpft.
Aufgrund der hohen Angriffsbereitschaft von Habichtskäuzen zur Verteidigung ihres Nachwuchses ist bei der Standortwahl für Nistkästen auf eine bestmögliche Konfliktvermeidung zu achten.
Uhu
Nach dem die Großeule in weiten Teilen Deutschlands ausgerottet worden war, hat sich ihr Bestand heute wieder gefestigt und befindet sich regional im Aufwärtstrend. Da Naturfelsen und Steinbrüche fast alle besiedelt sind, brüten Uhus heute zunehmend an Bauwerken und sogar am Boden. Sie nutzen zudem auch Horste von Großvogelarten. Intensive Fördermaßnahmen sind daher nicht mehr erforderlich.
Dessen ungeachtet kann es im Einzelfall zweckmäßig sein, Felsnischen zu optimieren oder auch großdimensionierte Plattformen anzubieten, um Brutpaare von ungünstig gelegenen Standorten zur Umsiedlung zu veranlassen.