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Aus dem Alltag der Eulenforscher

Rauhfußkauz wandert mehr als 1.000 km weit ab

12.12.2021

Bekanntlich können Rauhfußkäuze Entfernungen von mehreren 100 Kilometern zurücklegen (SCHERZINGER & MEBS 2020: 406). Wanderungen über Distanzen von mehr als 1.000 km werden dagegen nur selten dokumentiert.

Am 24. Juni 2012 wurde im Hofoldinger Forst in Oberbayern ein junger Rauhfußkauz von mir (H. MEYER) beringt. Knapp acht Jahre später, am 18. März 2020 (genau 2.824 Tage später), wurde der Ring im südwestlichen Weißrussland (Oblast Brest) mit Hilfe eines Metalldetektors gefunden, 1.098 km nordöstlich (63° NO). Der Finder, Herr Vladislav Kislyak, meldete den Fund und schickte auf Nachfrage auch Belegfotos des Rings. Über das Schicksal des Vogels ist nichts bekannt; vermutlich war er umgekommen.

Der Fundort liegt etwas südlich der bekannten Brutverbreitung der Rauhfußkäuze in Weißrussland (SCHERZINGER & MEBS, l.c.). Um dorthin zu gelangen, muss der Kauz größere Gebiete außerhalb der geschlossenen Brutverbreitung durchquert haben, z.B. in Polen.

(Da nur der Ring gefunden wurde könnte er hypothetisch auch passiv an den Fundort gelangt sein, z.B. wenn der Kauz nach einem Zusammenstoß mit einem LKW oder als „blinder Passagier“ in einem LKW dorthin gefahren wurde. Dies erscheint aber extrem unwahrscheinlich).

Herzlichen Dank an Vladislav Kislyak für die Weitermeldung!

Helmut Meyer, Ismaning

(Literatur: SCHERZINGER & MEBS 2020: Die Eulen Europas.- kosmos)




Die Eulen Europas

Die 3. überarbeitete und aktualisierte Auflage ist erschienen

05.12.2021

Wolfgang Scherzinger & Theo Mebs (2020); Kosmos-Verlag / Stuttgart: 416 S., 323 Fotos, 125 Graphiken, 59 Tabellen, 15 Karten.

Aus dem Schummer von Mythen und Märchen sind die Eulen in einem bisher nicht gekannten Maße ins Rampenlicht breiter Interessenskreise gerückt. Vom Kinderbuch bis zur Eulen-Show, von der Fachzeitschrift bis zur Welt-Eulen-Konferenz haben die Eulen ihr Außenseiter-Image abgestreift. Dank des wachsenden Engagements zum Schutz dieser ungewöhnlichen Vogelgruppe, dank langjähriger Beringung und neuer Telemetrie-Systeme, die jeden Ortswechsel selbst über Kontinente registrieren, mit Hilfe automatischer Kameras und Nachtsichtgeräte, die eine Beobachtung bei Dunkelheit ermöglichen, dank handlicher Aufnahmegeräte für bioakustische Feldarbeit und zunehmender Etablierung von Labors für genetische Analysen kam in wenigen Jahren eine Fülle wegweisender Forschungsergebnisse zur Veröffentlichung, die eine Überarbeitung und Aktualisierung der „Eulen Europas“ jedenfalls für gerechtfertigt und geraten machen.

Von besonderer Aussagekraft sind dabei Langzeitprojekte, die z. T. mehrere Jahrzehnte überspannen, wie ein kontinuierliches Monitoring regionaler Bestände, die systematische Beringung lokaler Brutpopulationen, oder die Fortschreibung von Genealogie und Populationsaufbau samt den mitunter komplexen Fortpflanzungsstrategien. Dabei erwies sich die Zusammenführung unterschiedlicher Disziplinen als besonders fruchtbar, da somit Beutewahl, Paarungssysteme, Bruterfolg und selbst Migrationen in eine Zusammenschau mit Lebensraum und Prädationsrisiko sowie den großräumigen, z. T. kontinentalen Fluktuationen von Beuteangebot und Witterung gestellt werden können. Gänzlich neu sind Kooperationen zwischen funktionaler Morphologie, Strömungs-Technik und Luftfahrtingenieuren, die in der Feinstruktur der Eulenfeder bis zum „lautlosen“ Eulenflug ein Modell für geräuscharme Flugkörper, Windkrafträder und Turbinen erkennen.

Diesen unübersehbaren Fortschritten steht die wachsende Gefährdung der Eulen gegenüber, wobei oft landschaftsweiter Lebensraumverlust an erster Stelle steht. Am auffälligsten in der Agrarlandschaft, durch stete Erweiterung der Feldeinheiten – unter rasantem Wegfall kleinräumiger Vielfalt und lebensraum-bestimmender Strukturen; durch zunehmenden Umbruch von Grünland und Aufgabe von Brachland. Wenn Wald-Lebensräume auch noch weniger massiv umgebaut erscheinen, so trifft die zunehmende Nutzung naturnaher Altbestände samt ihrer Vielfalt an Specht- und Baumhöhlen sowie deckungsreichen Einständen besonders die Höhlenbrüter. Völlig ungewiss sind die Folgen des Klimawandels für die künftige Entwicklung der Lebensräume und für die Verbreitung der Eulen, wie auch für Beuteangebot und Feinddruck. Im „Anthropozän“ wachsen auch die Unfallrisiken für Eulen in der freien Landschaft, an erster Stelle durch den Verkehr, durch das dichte Netz an Stromleitungen und die trügerischen Glaswände der Hausfassaden.

Gleichzeitig beweist das erfreuliche Engagement für unsere Eulen in allen Gesellschaftsschichten, dass die Hilfsmaßnahmen greifen: wie der nachhaltige Effekt von Wiederansiedungsprojekten bei Uhu, Habichtskauz und Steinkauz; die unübersehbaren Erfolge systematischer Nistkastenanbringung samt kontinuierlicher Betreuung, speziell für Steinkauz, Raufußkauz und Schleiereule; die Abschirmung sensibler Brutgebiete von Störungen, wie Geo-Caching, Klettersport oder Baumfällung. Die Eulen selbst zeigen uns, dass auch ganz unerwartete Entwicklungen möglich sind, wie der Zuzug des Uhus aus „einsamen Waldschluchten“ in die lärmende Großstadt! - Eulen brauchen Freunde – und die haben sie gefunden!



Bestand und Schutz des Steinkauzes Athene noctua Scopoli 1769 in den nordrhein­westfälischen Kreisen Düren und Euskirchen in den Jahren 2011 bis 2020

von Wilhelm Breuer, Lutz Dalbeck, Peter Josef Müller, Rita Edelburg-Müller und Doris Siehoff

1. Vorbemerkung

Der Steinkauz zählt in Deutschland zu den gefährdeten Brutvogelarten (Grüneberg et al. 2015). Der größ­te Teil des deutschen Brutbestandes (7.500 - 8.500 Reviere, Geriach et al. 2019) befindet sich mit rund 5.000 Paaren in Nordrhein-Westfa­len (NRW) (Jöbges & Franke 2018, Franke & Jöbges 2018a). Daher hat dieses Bundesland für den Schutz die­ser in Deutschland streng geschützten Art eine nationale Verantwortung. In NRW zählt der Steinkauz zu den ge­fährdeten Brutvogelarten (Grüne­berg et al. 2016). Zwischen den Jah­ren 2003 und 2016 sank der Bestand in NRW um rund 800 Paare; das entspricht einem Verlust von 14 % (Franke & Jöbges 2018a).

Zu den Regionen NRWs, die vom Steinkauz noch in relativ hoher Dichte besiedelt werden, gehören die Kreise Düren und Euskirchen. Im Jahr 2020 ermittelte die Gesellschaft zur Erhal­tung der Eulen e. V. (EGE) in diesem Gebiet 394 besiedelte Reviere (Abb. 1). Die EGE betreibt im Kreis Düren seit dem Jahr 1990 und im Kreis Euskir­chen seit dem Jahr 2000 ein Projekt zum Schutz des Steinkauzes.

Hauptverantwortlich für dieses Pro­jekt sind im Kreis Düren Doris Sie- hoff und im Kreis Euskirchen Pe­ter Josef Müller und Rita Edel­burg-Müller. Das Projekt umfasst ein jährliches Bestandsmonitoring (einschließlich Beringung), das An­bringen und Warten von Nisthilfen, Verbesserung und Pflege von Stein­kauzhabitaten, Öffentlichkeitsarbeit sowie das Wahrnehmen von Beteili­gungsrechten in Zulassungsverfahren für Eingriffe und in Aufstellungsver­fahren für Flächennutzungs-, Bebau- ungs- und Landschaftspläne.

Die Bestandsentwicklung des Stein­kauzes in den Jahren 2011 bis 2020 in diesem Gebiet, die hier bestehen­den Gefährdungsursachen, die zum Schutz der Art unternommenen Be­mühungen und die in diesem Zusam­menhang gewonnenen Erfahrungen sind Gegenstand des folgenden Bei­trages.

2. Lage des Projektgebietes und charakteristische Habitate

Das Projektgebiet umfasst die bei­den im Südwesten NRWs gelege­nen Kreise Düren und Euskirchen (Abb. 1). Das Projektgebiet ist eine der von Menschen dicht besiedelten, stark erschlossenen und intensiv land­wirtschaftlich genutzten Regionen Deutschlands mit einem überdurch­schnittlich hohen Flächenverbrauch für Siedlungen, Wirtschaft und Ver­kehr. Hier besiedelt der Steinkauz mit Obstbäumen und anderen Laub­bäumen bestandenes Grünland in der Jülicher und Zülpicher Börde in der Niederrheinischen Bucht sowie den hügeligen waldarmen Lagen der an­grenzenden Voreifel bis 420 m über NN. Dieser Lebensraumtyp ist im Bereich der zahlreichen Börde- und Voreifeldörfer und an Hofstellen im Außenbereich vergleichsweise häu­fig und in weitaus geringerem Um­fang in den Auen von Rur, Inde, Erft und an deren Zuflüssen sowie ande­ren siedlungsfernen Standorten noch fragmentarisch erhalten. Dieses vom Steinkauz besiedelte, nachfolgend als Projektgebiet bezeichnete Gebiet um­fasst eine zusammenhängende Fläche von etwa 1.000 km2. Das entspricht ungefähr der Hälfte der Fläche der beiden Kreise. Eine Besonderheit stel­len im Kreis Düren die Braunkohleta­gebaue Hambach und Inden dar. Etwas mehr als die Hälfte der 394 im Jahr 2020 besiedelten Reviere liegt in der Peripherie oder innerhalb von Ortschaften; die übrigen Reviere be­finden sich in siedlungsfernen Berei­chen (im Kreis Düren 48 %, im Kreis Euskirchen 54 %). Von den siedlungs­fernen Revieren entfallen auf das Um­feld von Hofstellen im Kreis Düren ungefähr 20 % und im Kreis Euskir­chen 10 %, auf die Fluss- und Bach- auen im Kreis Düren 10 % und im Kreis Euskirchen 30 %. Rund 70 % des Grünlandes in Steinkauzrevie­ren im Kreis Düren wird beweidet; im Kreis Euskirchen sind es noch mehr als 80 %. Dominierende Wei­detiere sind Rinder, Pferde und Scha­fe. An das Projektgebiet schließen im Westen die Städteregion Aachen, im Nordwesten der Kreis Heinsberg, im Nordosten der Rhein-Kreis Neuss und im Osten der Rhein-Erft-Kreis und der Rhein-Sieg-Kreis an. Auch diese Gebiete sind vom Steinkauz besiedelt.

3. Bestandsentwicklung

3.1 Daten vor 2011

Für die Mitte der 1970er Jahre schätzt die EGE den Steinkauzbestand im Gebiet der Kreise Düren und Euskir­chen stichprobengestützt auf 450 Paa­re. Für das Jahr 1992 gibt sie 330 Paa­re an (Breuer 2008). Das entspricht einem Rückgang um 26,7 % bzw. von jährlich 1,5 %.

Im Kreis Düren ermittelte die EGE 1991/92 insgesamt 262 territoriale Steinkauzmännchen, davon 246 in oder um Ortschaften und 16 in Auen außerhalb von Siedlungen (Dal- beck & Hachtel 1999). Im Jahr 2001 war dort die Zahl auf 223 territoria­le Männchen gesunken; das entspricht einem Rückgang von annähernd 15 % in zehn Jahren. Im Jahr 2010 stellte D. Siehoff nur noch in 52 % der im Jahr 1991 im Kreis Düren besiedelten Re­viere Steinkäuze fest.

Abbildung 1: Die nordrhein-westfälischen Kreise Düren und Euskirchen. Waldflächen sind grün, landwirtschaftliche Flächen hellbraun, Siedlungs- und Verkehrsflächen grau, Wasserflächen blau, Tagebaue und sonstige Flächen weiß dar­gestellt. Rote Punkte markieren im Jahr 2020 festgestellte Steinkauzreviere.

Franke & Jöbges (2018a) geben den Steinkauzbestand für das Gebiet des Kreises Düren bezogen auf das Jahr 2003 mit 150 und für das Gebiet des Kreises Euskirchen bezogen auf das Jahr 2000 mit 40 Revieren an, so dass man für die Zeit um das Jahr 2000 von einem Bestand von insgesamt knapp 200 Revieren für die beiden Kreise ausgehen kann. Im Jahr 2008 wurden im Projektgebiet nur noch 169 besie­delte Reviere festgestellt. Erst ab dem Jahr 2010 lag die Anzahl der besiedel­ten Reviere im Projektgebiet wieder über 200 (Tab. 1).

3.2 Daten aus den Jahren 2011 bis 2020

Im Zeitraum 2011 bis 2020 stieg die Zahl der besiedelten Reviere signifi­kant um 66 % von 237 auf 394 (Abb. 2; Spearman r = 0,952; p <0,001; n = 10), die Zahl der Bruten mit bering­ten Jungvögeln um 87 % von 120 auf 224 (Spearman r = 0,915; p <0,001; n = 10) und die Zahl der Jungvögel dieser Bruten um mehr als 100 % von 387 auf 772 (Spearman r = 0,818; p = 0,004; n = 10). Im Jahr 2019 wurde die bisher höchste Zahl Jungvögel re­gistriert, nämlich 884 Individuen; das ist gegenüber 2011 ein Zuwachs um mehr als 128 % (Tab. 2 und 3). Zu den Bruten mit beringten Jungen kommen weitere erfolgreiche Bruten mit unbe­kannter Jungenzahl hinzu, bei denen Brutplätze oder Jungvögel nicht er­mittelt oder erreicht werden konnten. Zum Vergleich: Den Bestandszahlen von Franke & Jöbges (2018a) zufol­ge nahm der Steinkauzbestand zwi­schen den Jahren 2010 und 2016 in den an das Projektgebiet nördlich an­grenzenden Kreisen Heinsberg und Rhein-Kreis Neuss um 11,5 % und in NRW um 6,5 % ab. Im selben Zeit­raum stieg im Projektgebiet der EGE der Bestand bezogen auf die Angaben in Tab. 2 um fast 60 %.

Jahr 1975* 1992* um 2000 2008 2010
Besiedelte Reviere 450 330 200 169 205

* geschätzt
Tabelle 1: Bestand des Steinkauzes im Projektgebiet der EGE in den Jahren 1975, 1992, um das Jahr 2000 und in den Jahren 2008 und 2010.

Jahr2011201220132014201520162017201820192020
Besiedelte Reviere237251238245287329324337352394
Bruten mit beringten Jungen120149110145178166182217230224
Beringte Jungvögel387518298315602447555693884772
Jungvögel je Brut3,233,482,712,173,382,693,053,193,843,45

Tabelle 2: Bestandsentwicklung des Steinkauzes im Projektgebiet in den Jahren 2011 bis 2020.

Stadt/Gemeinde Besiedelte Reviere 2011Besiedelte Reviere 2020
Kreis Düren
Aldenhoven²1514
Düren713
Heimbach515
Hürtgenwald02
Inden¹1310
Jülich1621
Kreuzau816
Langerwehe312
Linnich²2821
Merzenich17
Nideggen1227
Niederzier69
Nörvenich913
Titz1621
Vettweiß919
Kreis Euskirchen
Bad Münstereifel03
Euskirchen1842
Kall15
Mechernich2432
Weilerswist1122
Zülpich3570
Summe237394

¹ erhebliche Verluste von Steinkauzrevieren bedingt durch Tagebau
² Gemeinden mit augenfälligem Rückgang der Weidetierhaltung

Tabelle 3: Anzahl vom Steinkauz besiedelter Reviere in Kommunen der Kreise Düren und Eus­kirchen bzw. im Projektgebiet der EGE in den Jahren 2011 und 2020.

4. Anthropogene Gefährdungs­ursachen und unzureichender Schutz

4.1 Gefährdungs- und Verlustur­sachen

Auch wenn der Rückgang des Stein­kauzbestandes in den Kreisen Düren und Euskirchen spätestens seit 2010 nicht nur gestoppt, sondern eine deut­liche Trendumkehr erreicht wurde, sind die verbliebenen Steinkauzha­bitate weiterhin bedroht. Die Haupt­ursachen sind quantitative und qua­litative Habitatverluste insbesonde­re infolge wachsender Siedlungs- und Verkehrsflächen, des anhaltenden Verfalls von Obstbaumbeständen so­wie der Intensivierung der landwirt­schaftlichen Nutzung mit Aufgabe der Grünlandbewirtschaftung (vor allem -beweidung):

4.1.1 Ausweitung von Wohnbau- und Gewerbeflächen

Der Siedlungsbau, der im hohen Maße für den nach 1975 eingetrete­nen Rückgang des Steinkauzbestan­des verantwortlich ist, setzt sich im Projektgebiet ungebremst in der Pe­ripherie der Ortschaften fort (Abb. 3, Abb. 4 & 5). Hier befindet sich unge­fähr die Hälfte der im Jahr 2020 er­mittelten 394 Steinkauzreviere. Die Bedrohungslage kennzeichnet bei­spielhaft die 2018 vom Landrat des Kreises Düren gestartete „Wachs­tumsinitiative“ für den Kreis Düren, welche die Steigerung der Einwohner­zahl dieses Kreises von 270.000 auf 300.000 bis zum Jahr 2025 zum Ziel hat. Einer Erhebung der 15 kreisange­hörigen Städte und Gemeinden zufol­ge steht dort eine Fläche für zusätz­liche 66.000 Einwohner zur Verfü­gung (Kreis Düren 2018). Die damit verbundenen Herausforderungen zei­gen sich beispielhaft im Vorentwurf zur Neuaufstellung des Flächennut­zungsplanes der Gemeinde Niederzier im Kreis Düren: Der Plan sieht 71 ha neue Wohnbauflächen und 30 ha neue gewerbliche Bauflächen vor (Gemein­de Niederzier 2018). Das sind 1,6 % des Gemeindegebietes. Davon sind fünf von neun im Jahr 2020 besiedel­ten Steinkauzrevieren betroffen.

Abbildung 2: Bestandsentwicklung des Steinkauzes im Projektgebiet (DN + EU) in den Jahren 2010 bis 2020 (DN=Kreis Düren, EU=Kreis Euskirchen)
Abbildung 3: Ortsrand mit obstbaumbestandenem Grünland; hier brü­ten Steinkäuze mindestens seit den 1980er Jahren sehr erfolgreich. Eine Bebauung des Bereichs konnte bisher abgewendet werden. Nun sollen die „Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwick­lung von Boden, Natur und Landschaft“ im neuen Flächennutzungsplan dargestellt werden (Foto: D. Siehoff)

4.1.3 Bauvorhaben im Außenbe­reich

Steinkauzhabitate im Umfeld von landwirtschaftlichen Betrieben im Außenbereich sind von dort baurecht­lich privilegierten Bauvorhaben be­droht. Bis in die jüngste Vergangen­heit sind Steinkauzvorkommen für solche Bauvorhaben trotz der auf die­se Vorhaben anzuwendenden natur­schutzrechtlichen Eingriffsregelung und der artenschutzrechtlichen Schädigungs- und Störungsverbote zerstört oder erheblich beeinträchtigt worden, teils auch in naturschutzrechtlich be­sonders geschützten Gebieten.

Abbildungen 4 und 5: Hambach - ein Dorf im Projektgebiet der EGE, links im Mai 1975. Damals lebten dort zehn Steinkauzpaare in den Streuobst­beständen rund um den Ort. Die rechte Aufnahme zeigt dieselbe Situation 40 Jahre später im März 2014. Das neueste Baugebiet grenzt unvermit­telt an den Außenbereich. Die im Bebauungsplan festgesetzte Eingrünung des neuen Baugebiets steht nur auf dem Papier. Statt wie verlangt Bäume und Büsche zu pflanzen, haben die Hausbesitzer an der Grenze zum Außenbereich Mauern und hohe Zäune errichtet. Zweien der drei am Ort ver­bliebenen Steinkauzreviere droht die Bebauung, sollten sich die Überlegungen für die Neuaufstellung des Flächennutzungsplanes durchsetzen (Fo­tos: W. Breuer)

Abbildung 6: Eines von zwei Steinkauzweibchen, die im Jahr 2020 im Abstand weniger Wo­chen auf einem kurzen Streckenabschnitt einer Bundesstraße vom Verkehr erfasst wurden (Foto: D. Siehoff)

4.1.4 Straßenverkehr

Im Projektgebiet ist eine Vielzahl von Straßen und Ortsumfahrungen im Bau oder geplant, die Brut- und Nah­rungshabitate von Steinkäuzen zer­stören, optisch oder akustisch beein­trächtigen oder durchschneiden. Im 1.000 m Abstand sind hiervon schät­zungsweise fünf Prozent der Stein­kauzreviere im Projektgebiet betrof­fen. Mit den Straßen geht eine Er­höhung der Kollisionsgefahr für Steinkäuze einher. Je nach Lage kann sich das Tötungsrisiko signifikant er­höhen, weil auf ausgebauten Straßen und Ortsumgehungen der Kraftfahr­zeugverkehr höhere Geschwindigkei­ten erreicht.

Das Potential von Vorkehrungen zur Vermeidung von Kollisionen soll­te nicht überschätzt werden. Das gilt auch für straßenbegleitende Anpflan­zungen, die Käuze von einem Über­fliegen von Straßen auf der Höhe des Verkehrs abhalten sollen. Die Wirk­samkeit solcher Maßnahmen ist un­belegt. Die Bepflanzungen benötigen Jahre, um eine mögliche Wirksamkeit entfalten zu können. Zudem ist eine Wirksamkeit im Winterhalbjahr und nach Pflegemaßnahmen wie „Auf- den-Stock-setzen“ vermindert. Oh­nehin bleiben im Bereich von Zuwe­gungen Durchlässe mit einem hohen Kollisionsrisiko. Am ehesten könnte ein Streckenverlauf im Einschnitt das Kollisionsrisiko mindern. Allerdings bleibt die Gefahr, dass entlang der Fahrbahn attraktive Nahrungshabi­tate mit einem entsprechend erhöhten Tötungsrisiko entstehen. Geschwindigkeitsbegrenzungen dürften kaum durchsetzbar sein; ohne eine Kon­trolle werden diese ohnehin kaum be­achtet.

Die EGE registrierte beispielswei­se in der Brutzeit des Jahres 2020 im Abstand weniger Wochen zwei mit Kraftfahrzeugen kollidierte Stein­kauzweibchen auf einem kurzen Stre­ckenabschnitt einer Bundesstraße in Ortsnähe; eines der beiden Weibchen in einer Tempo-50-Zone (Abb. 6). Die Jungvögel an dem der Unglücksstel­le nächstgelegenen Brutplatz wurden später tot aufgefunden. Wie in diesem Fall dürfte der Verlust von Altvögeln im Straßenverkehr die Ursache für eine Reihe gescheiterter Bruten sein.

Das Netz der Bundesautobahnen, Bun­des-, Landes-, Kreis- und Gemein­destraßen im Gebiet der Kreise Düren und Euskirchen umfasst rund 4.900 km. Das entspricht einer Straßenlän­ge von 2,24 km je km2. Das Kollisi­onsrisiko steigt nicht nur mit der Län­ge des Straßennetzes, sondern auch mit dem Bestand an Kraftfahrzeugen. Im Kreis Düren beispielsweise stieg der Pkw-Bestand zwischen 1987 und 2018 um 45 %, der Lkw-Bestand um mehr als 80 % (Statistisches Jahr­buch NRW 1987 und 2018).

4.1.5 Aufgabe der Beweidung

In den Kreisen Düren und Euskirchen sank im Zeitraum von 2001 bis 2019 die Zahl der Rinderhaltungen um 50 % von 1.227 auf 639, die Zahl der Rin­der um 20 % von 61.055 auf 48.889, die der Milchkühe um 42 % von 20.822 auf 12.036. (Statistisches JahrbuchNRW 2001 und 2019). Er­fahrungsgemäß wird ein großer Teil der verbliebenen Rinderbestände ohne Weidegang gehalten, und in vie­len Dörfern gibt es überhaupt keine Rinder mehr. Diese Entwicklung geht mit der Aufgabe der Beweidung zu­gunsten von Mähgrünland einher, bis zum Inkrafttreten des Grünlandum­bruchverbots im Jahr 2011 auch mit einem Verlust von Grünland.

Abbildung 7: Steinkauzrevier wie im Bilderbuch. Ausgerechnet hier sollte als naturschutzrecht­liche Kompensation für Bau und Betrieb kilometerweit entfernter Windenergieanlagen die Be- weidung aufgegeben werden und die Fläche der natürlichen Sukzession überlassen werden! Es ist ein Beispiel für fehlgeleitete Kompensation. Da es an der grundbuchrechtlichen Sicherung die­ser Maßnahme fehlt, erwarb der BUND die Fläche, ließ sie mähen und pflanzte zehn Obstbäume. Vielleicht lässt sich auch wieder eine Beweidung einrichten (Foto: D. Siehoff)

Beweidetes Grünland ist für Stein­käuze jedoch ein wesentlich attrakti­veres Nahrungshabitat, weil es nach den Erfahrungen der EGE anders als Mähgrünland aufgrund des niedrige­ren Bewuchses kontinuierlich besse­re Jagdbedingungen bietet. Bei einer nicht zeitgerechten Mahd von Grün­land kommt es häufig zu Nahrungs­engpässen, weil Nahrungstiere im ho­hen Aufwuchs schwer erreichbar sind (Abb. 7, Abb. 8). Infolgedessen wer­den Bruten aufgegeben und Jungvögel verhungern. Der starke Bestandsrück­gang des Steinkauzes im Norden des Kreises Düren steht möglicherweise mit der Aufgabe der Beweidung im Zusammenhang. So registrierte die EGE im Bereich der Topografischen Karte (1:25.000) 5003 Linnich im Jahr 2001 noch 71 territoriale Steinkauz­männchen (davon allein in dem Dorf Ederen 14). Im selben Gebiet wurden im Jahr 2020 nur noch 34 besiedelte Reviere festgestellt (in Ederen vier). Die Aufgabe der Beweidung ist in den Dörfern des Nordkreises im Gebiet der Stadt Linnich augenfällig. Zudem schreitet aufgrund wachsender Be­wirtschaftungsintensität die biologi­sche Verarmung des Grünlandes mit dramatischen Folgen für Anzahl und Menge der Nahrungstiere des Stein­kauzes fort.

Abbildung 8: Zu oft steht zum Zeitpunkt der Jungenaufzucht das Gras hoch auf dem Mähgrünland, so dass die Jagdbedingungen für Steinkäuze dort ungünstig sind und Bruten scheitern. Ein Bild, welches sich wie hier oft zeigt, wenn der Landwirt die Viehhaltung aufgegeben hat oder auch bei Kompensationsmaßnahmen ohne Steinkauz gerechte Pflege des Grünlandes (Foto: D. Siehoff)

4.1.6 Grünlandumbruch

In NRW nahm die Dauergrünland­fläche zwischen 1977 und 2013 von 650.000 auf 400.000 ha ab (LANUV 2015). Das ist ein Rückgang um fast 40 %. Diese Entwicklung dürfte sich ähnlich auch im Projektgebiet vollzo­gen haben. Seit dem Jahr 2011 ist der Umbruch nur zulässig, wenn durch den Antragstellenden sichergestellt ist, dass die umgebrochene Fläche nach der Genehmigung vollständig innerhalb desselben Naturraums, in dem die umgebrochene Fläche liegt, durch neu angelegtes Dauergrünland ersetzt wird. Liegt die umgebrochene Fläche in einer Gemeinde, die an ei­nen weiteren Naturraum grenzt, kann das neu anzulegende Dauergrünland auch in der angrenzenden Gemein­de des benachbarten Naturraums lie­gen. Es liegt auf der Hand, dass in dem einen wie in dem anderen Fall gar keine oder jedenfalls keine lage­gerechte Wiederherstellung der vom Verlust betroffenen Steinkauzhabita­te erreicht wird. Bestenfalls profitie­ren von der Neuanlage zufällig andere Steinkauzvorkommen. Die Neuanla­ge berücksichtigt lediglich die Flä­chengröße, aber nicht die eigentlichen qualitativen und funktionalen ökolo­gischen Einbußen. Dabei ließe sich eine angemessene Kompensation mit der Anwendung der Eingriffsregelung erreichen, denn die Eingriffsregelung verlangt die bestmögliche Wiederher­stellung der vom Eingriff betroffenen Funktionen und Werte der Leistungs­und Funktionsfähigkeit des Natur­haushalts und des Landschaftsbildes und nicht einfach, „irgendwo irgend­etwas Schönes für Natur und Land­schaft“ herzustellen (Breuer 2016b).

Sind vom Eingriff Steinkauzvorkom­men betroffen, kann die Kompensati­on gerade nicht fernab der betroffenen Reviere erfolgen. Die Kompensati­onspraxis von Behörden und Gutach­terbüros ist offenkundig von einem tiefen Unverständnis geprägt, sofern sie die Eingriffsregelung überhaupt auf den Grünlandumbruch anwenden.

4.1.7 Verlust von Obstbäumen

Der Obstbaumbestand im Projektge­biet ist großenteils ungepflegt, über­altert, von Trocken- und Schälschä­den gekennzeichnet oder von Mis­teln geschwächt. Nur ein geringer Teil ist jünger als 25 Jahre. Das In­teresse an der Erhaltung und Ver­mehrung von Obstbäumen ist gering; die Pflege ist zumeist nicht gewähr­leistet. Häufig fehlt es den Bäumen an einem Verbissschutz. Schälschä­den bringen die Bäume binnen weni­ger Jahre zum Absterben. Fehlt den Bäumen im Sommer das schatten­spendende Laub, werden die Natur­höhlen und Nisthilfen aufgrund der unverminderten Sonneneinstrahlung vom Kauz gemieden bzw. unbrauch­bar noch bevor die Bäume beseitigt werden oder umstürzen (Abb. 9, Abb. 10). Schälschäden treten insbesondere dort auf, wo Pferde das Grünland beweiden. Die Beweidung mit Pferden hat in den letzten Jahren deutlich zu­genommen. Die Situation der Streu­obstwiesen im Projektgebiet ist ähn­lich ungünstig, wie von Dierichs & Weddeling (2018) für den benach­barten Rhein-Sieg-Kreis beschrie­ben. Allerdings ist die Wertschätzung der Streuobstbestände und ihrer Pro­dukte in den letzten Jahren erkenn­bar gewachsen. So gibt es eine größe­re Nachfrage nach dem Saft und einen vermehrten Einsatz mobiler Saftpres­sen. Auch nimmt die Zahl der jährlich über die Biologischen Stationen be­stellten Obstbäume zu (im Kreis Dü­ren beispielsweise weit mehr als 200 junge Bäume). Das gewachsene Inte­resse am Kulturgut Obstbau zeigt sich auch am hohen Interesse an den an­gebotenen Fortbildungen zum Obst- baumwart, so dass inzwischen im ge­samten Projektgebiet mit der Obst­baumpflege erfahrene Personen zur Verfügung stehen.

Abbildung 9: Eine idealtypische Situation: Junge Steinkäuze in einer Baumhöhle. Ob darin aller­dings die Bedingungen für junge Steinkäuze so ideal sind wie in künstlichen Nisthilfen, erscheint fraglich (Foto: A. Schumacher)

4.1.8 Sonstige zivilisatorische Ge­fahren

Neben der Kollisionsgefahr an Ver­kehrswegen sind Steinkäuze einer Reihe weiterer zivilisatorischer Tö­tungsrisiken ausgesetzt. Dazu zäh­len beispielsweise Wasserbehälter wie offene Viehtränken und Regen­tonnen, in denen Steinkäuze ertrin­ken, sowie Kamine, in denen Stein­käuze umkommen entweder, weil sie hineinfallen oder gezielt darin nach einem Tagesversteck oder Brut­platz suchen. Kaminopfer dürften zu­meist unentdeckt bleiben und ertrun­kene Käuze kaum gemeldet werden, so dass mit einer hohen Dunkelziffer gerechnet werden muss und die Ver­luste nicht unterschätzt werden soll­ten. Auch sind Sekundärvergiftungen von Steinkäuzen infolge des Einsat­zes von Rodentiziden anzunehmen (vgl. Lindner 2020). Dafür sprechen Totfunde von Käuzen und eine vergif­tete Hauskatze, die in einem Bereich mit ausgebrachtem Giftweizen regis­riert wurden.

Abbildung 10: Nach Frühjahrsstürmen im Projektgebiet kein ungewöhnlicher Anblick: Umge­stürzter vernachlässigter Obstbaum mit einer Steinkauznisthilfe im März 2019. Die Nisthilfe wurde rechtzeitig zur beginnenden Brutzeit an einen der wenigen verbliebenen Bäume umge­hängt (Foto: D. Siehoff)

4.2 Unzureichender Schutz

Steinkäuze sind vor den genannten Gefährdungsursachen insbesondere aus den folgenden Gründen nur be­dingt geschützt:

4.2.1 Fehlende oder unzureichend geschützte Schutzgebiete

Der Steinkauz gehört im Unterschied beispielsweise zu Uhu, Sumpfohreu­le, Raufuß- und Sperlingskauz nicht zu den Arten, zu deren Erhaltung Eu­ropäische Vogelschutzgebiete einzu­richten sind. Insofern fehlt es an einer Unterschutzstellung der für die Art „zahlen- und flächenmäßig ge­eignetsten Gebiete“ als Europäische Vogelschutzgebiete. In den im Pro­jektgebiet bestehenden Europäischen Vogelschutzgebieten liegen allenfalls nur sehr wenige Steinkauzreviere; das gilt auch für die hier nach der FFH- Richtlinie zu schützenden Fauna-Flo­ra-Habitat-Gebiete.

Gleichwohl befinden sich 75 % der 394 im Jahr 2020 besiedelten Stein­kauzreviere in nach dem Bundesna­turschutzgesetz (BNatSchG) oder nach dem Gesetz zum Schutz der Na­tur in NRW (Landesnaturschutzge­setz - LNatSchG NRW) naturschutz­rechtlich besonders geschützten Ge­bieten. Einige wenige dieser Gebiete sind nur befristet, d. h. nur solange ge­schützt, bis die Gemeinde hier zuläs­sigerweise Bebauungspläne aufstellt. Allerdings ist der Anteil Reviere in den besonders geschützten Bereichen im Kreis Euskirchen deutlich geringer als im Kreis Düren.

In den naturschutzrechtlich besonders geschützten Gebieten ist die Auswei­sung neuer Baugebiete, sieht man von den Fällen des o. g. befristeten Schutzes ab, nicht ohne weiteres möglich; der Schutz kann aber überwunden werden. Zudem sind bestimmte Vor­haben und Handlungen von den Ver­boten ausgenommen. So bleiben die ordnungsgemäße landwirtschaftliche Bodennutzung und jede andere recht­mäßig und ordnungsgemäß ausgeübte Nutzung in der bisherigen Art und in dem bisherigen Umfang unberührt. In den geschützten Bereichen ist jedoch die Umwandlung von Grünland in Acker und die Beseitigung von Bäu­men nach Maßgabe der Schutzge­bietsverordnungen oder landschafts­planerischer Festsetzungen regelmä­ßig untersagt.

Diese Bestimmungen gewährleisten jedoch weder einen Schutz vor einer Intensivierung der landwirtschaftli­chen Nutzung, noch die Beibehaltung der Beweidung oder die Erhaltung, Pflege oder den Ersatz von Obstbäu­men, weil die Grundeigentümer und Besitzer dazu nicht verpflichtet wer­den können. Hierfür müssten viel­mehr Anreize geschaffen werden, habitaterhaltende und -verbessernde Maßnahmen durchzuführen oder zu dulden. Hierfür könnten beispielswei­se Ersatzzahlungen aus der Eingriffs­regelung verwandt werden. Förder­möglichkeiten bestehen für Landwirte z.B. im Rahmen des Vertragsnatur­schutzes. Im Kreis Düren ist mit 28 Verträgen mit ca. 22,3 ha (Stand De­zember 2020) jedoch das Interesse an einer Förderung gering, so dass sich kreisweit und so auch in vielen die­ser Schutzgebiete die Intensivierung oder Aufgabe der Grünlandbewirt­schaftung und ein schleichender Ver­lust von Obstbäumen fortsetzen.

Erfreulicherweise ist der Anteil von Steinkauzrevieren in naturschutz­rechtlich besonders geschützten Ge­bieten in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass für die neuen Landschaftspläne in Zusammenar­beit mit der EGE Daten über Stein­kauzvorkommen erhoben und einbe­zogen wurden und der Artenschutz stärker berücksichtigt wird als vor 30 Jahren. Sind beispielsweise im Gebiet des noch geltenden Landschaftspla­nes Ruraue aus dem Jahr 1984 (Kreis Düren) zurzeit nur 56 % der im Jahr 2020 besiedelten Reviere geschützt, werden nach dem Vorentwurf für die Fortschreibung dieses Landschafts­planes bis auf vier (nämlich zwei im Innenbereich der Dörfer und zwei Re­viere, die nur befristet geschützt sind) zukünftig alle diese Reviere in sol­chen Bereichen liegen. Allerdings handelt es sich in vielen Fällen um kleine und Kleinstgebiete, die inso­fern durch Randeinflüsse und Nut­zungsänderungen im Umfeld gefähr­det sind.

In NRW sollten Streuobstwiesen we­gen ihres Naturschutzwerts und des hier traditionell hohen aber rückläu­figen Anteils gesetzlich geschütz­te Biotope sein. Tatsächlich zählen sie seit 2016 (wieder) zu den nach § 42 LNatSchG NRW gesetzlich ge­schützten Biotopen. Ausgenommen sind allerdings Flächen von weniger als 2.500 m2 Größe und Bäume, die weniger als 50 m vom nächstgelege­nen Wohn- oder Hofgebäude entfernt sind. Im Unterschied zu anderen Bun­desländern mit einem bedeutenden Anteil an Streuobstwiesen tritt der ge­setzliche Schutz in NRW aber erst in Kraft, wenn die Gesamtfläche dieser Streuobstbestände in NRW um min­destens fünf Prozent abgenommen hat. Ein solcher Rückgang ist bisher nicht belegt worden, weil die hierfür von ehrenamtlichen Helfern durch­geführte erforderliche Erfassung noch nicht abgeschlossen ist (Land­tag NRW 2019); sie soll nach Anga­ben der nordrhein-westfälischen Um­weltministerin spätestens Ende 2022 abgeschlossen sein (NRZ 2020). Er­fasst werden nur Bestände, die nach der Definition für Streuobstbestände des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW min­destens neun hoch- bzw. mittelstäm­mige Obstbäume umfassen und eine Fläche von mindestens 1.500 m2 be­decken (LANUV o. J.). Kritiker ha­ben Zweifel, ob diese Erfassung je­mals fertiggestellt wird.

Über die Notwendigkeit einer kon­kretisierenden Rechtsverordnung zur Realisierung des gesetzlich vorgese­henen Streuobstwiesenschutzes so­wie über die Festlegung eines Stich­tages als Referenzpunkt für den fünf­prozentigen Rückgang soll erst nach Abschluss der Kartierung entschie­den werden (Landtag NRW 2019). Insofern ist der im Projektgebiet für den Steinkauz wichtigste Biotoptyp vier Jahre nach der Gesetzesänderung und möglicherweise auf Jahre hin trotz der dramatischen Bestandsent­wicklung nicht nach § 42 LNatSchG NRW gesetzlich geschützt! Von der seit 1986 bestehenden bundesrecht­lichen Möglichkeit, Streuobstbestän­de zu gesetzlich geschützten Gebieten zu erklären, hatte der nordrhein-west­fälische Gesetzgeber erst 2005 Ge­brauch gemacht, diesen Schutz aber bereits 2007 wieder aufgegeben.

4.2.2 Unzureichende und be­schränkte Anwendung der Eingriffsregelung

Bei Bauvorhaben im Außenbereich (z. B. landwirtschaftliche Bauten und Straßen) ist die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung anzuwenden. Al­lerdings verlangt sie keine Prüfung von Standortalternativen. Untersagt sind nur solche Eingriffe, deren Fol­gen nicht kompensiert werden können und dies auch nur, soweit dem Schutz von Natur und Landschaft Vorrang vor dem Eingriffsinteresse zuerkannt wird. Der Vollzug der Eingriffsrege­lung bleibt zudem hinter ihren ge­setzlichen Möglichkeiten zurück, bei­spielsweise, wenn die Eingriffsfolgen auf Biotoptypen verengt und auf diese Weise die Folgen für die biologische Vielfalt, wie etwa den Steinkauz, häu­fig nicht vollständig ermittelt werden und schon deshalb Art und Umfang der Kompensation in keinem rechten Verhältnis zum Schadensmaß stehen. Darüber hinaus wird den Maßnah­men oft eine Wirksamkeit zugespro­chen, die sie bei realistischer Betrach­tung nicht erreichen können. Vor allem aber erfolgt die Realisierung der Kompensationsmaßnahmen vielfach gar nicht, nur unvollständig, in mo­difizierter Form, unter Missachtung zeitlicher Fristen oder die Maßnah­men werden nicht dauerhaft erhal­ten, sofern entsprechende Kontrollen überhaupt stattfinden.

Abbildung 11: Eine respektable Kompensationsmaßnahme - könnte man meinen. Immerhin wur­den ein paar Obstbäume gepflanzt und in einem alten Baum eine Nisthilfe angebracht; aller­dings in nächster Nähe zu einer vielbefahrenen Bundesstraße mit den vorhersehbaren Folgen. Hier wird den Käuzen kein neuer Lebensraum geboten, sondern eine ökologische Falle gestellt (Foto: D. Siehoff)

Die Ermittlung und die Kompensa­tion von Eingriffsfolgen im Projekt­gebiet war und ist in vielen Fällen eher regelmäßig als ausnahmsweise beispielsweise mit folgenden Män­geln behaftet; diese gelten für arten­schutzrechtlich veranlasste Maßnah­men (z. B. vorgezogene Ausgleichs­maßnahmen im Sinne von § 44 Abs. 5 BNatSchG, s. Abschnitt 4.2.3) ent­sprechend:

  • Die Bedeutung von Flächen als Brut- oder Nahrungshabitat des Steinkauzes wird verkannt oder un­terschätzt.
  • Für die Kompensation ausgewähl­te Flächen sind bereits vom Stein­kauz besiedelt, zu klein oder auf­grund ihrer Lage ungeeignet (z. B. an waldnahen oder von Men­schen stark frequentierten Stand­orten oder im Einwirkungsbereich von Straßen oder zu weit von den zu erhaltenden Brutvorkommen ent­fernt; Abb. 11).
  • Gepflanzte Bäume sind standört­lich oder nach Art, Größe oder Ha­bitus ungeeignet.
  • Es fehlt den Bäumen an einer an­gemessenen Verankerung, an Ver­bissschutz und Entwicklungs­pflege; witterungs-, bewirtschaf- tungs- oder Vandalismus bedingte Baumverluste werden nicht ersetzt.
  • Eine Beweidung oder eine ande­re geeignete Bewirtschaftung wird nicht vorgesehen oder eine solche kommt nicht zustande (z. B. weil es an einer Einzäunung fehlt), so dass die Flächen für den Steinkauz nicht oder nur eingeschränkt nutz­bar sind. Mähtermine werden nicht hinreichend an die Erfordernisse des Steinkauzschutzes angepasst oder diese werden nicht eingehal­ten.
  • Nisthilfen werden an ungeeigneten Stellen, falsch oder ohne Einstreu angebracht.
  • Die Maßnahmen werden nicht oder mit erheblichem zeitlichem Verzug, teils erst nach Jahren realisiert.
  • Die Maßnahmen werden besten­falls daraufhin kontrolliert, ob sie erfolgt sind, nicht aber auf das Erreichen der Kompensationsziele (hier der Ansiedlung oder des Re­produktionserfolgs des Steinkau­zes); im Falle verfehlter Kompen­sationsziele fehlt es an Nachbesse­ungsverpflichtungen.

Positiv zu bewerten ist immerhin, dass Anpflanzungen ab 500 m2, die als Ausgleichs- und Ersatzmaßnah­men nach § 15 Abs. 2 BNatSchG fest­gesetzt wurden und im Kompensati­onsflächenverzeichnis nach § 34 Abs. 1 Satz 1 LNatSchG NRW zu erfassen sind, nach § 39 LNatSchG NRW ge­setzlich geschützte Landschaftsbe­standteile sind. Diese Bestimmung kann dazu beitragen, dass diese An­pflanzungen, beispielsweise solche mit Bedeutung für den Steinkauz­schutz, eher auf Dauer erhalten blei­ben oder nicht ersatzlos untergehen.

Der größte Teil des Flächenverbrauchs und insoweit auch von Brut- und Nah­rungshabitaten des Steinkauzes voll­zieht sich jedoch in der Bauleitpla­nung. Ausgerechnet dort besteht keine strikte Rechtspflicht zur Kompensati­on, vielmehr ist über die Bewältigung der Folgen der in Flächennutzungs­plänen dargestellten und in Bebau­ungsplänen festgesetzten Eingrif­fe in der Abwägung nach § 1 a Bau­gesetzbuch (BauGB) zu entscheiden. Das Ausmaß der hierbei auftretenden Abwägungsmängel belegen beispiels­weise die Untersuchungen der EGE im Projektgebiet: In drei nach 1993 aufgestellten Flächennutzungsplänen bereiteten Gemeinden im Kreis Dü­ren die Habitate von etwa 23 % der ihnen bekannten 115 Steinkauzvor­kommen für eine Bebauung vor, ohne den Anforderungen der Eingriffsrege­lung auch nur ansatzweise zu genügen (Breuer 1998).

Die Eingriffsregelung gilt allerdings längst nicht für alle Bebauungsplä­ne und Bauvorhaben. Der Gesetzge­ber hat nämlich den unbeplanten In­nenbereich im Sinne von § 34 BauGB sowie „Bebauungspläne der Innenent­wicklung“ (§ 13 a BauGB) dauerhaft und die „Einbeziehung von Außen­bereichsflächen in das beschleunigte Verfahren“ (§ 13 b BauGB) befristet vom Ausgleichsgebot ausgenommen, wenn diese Pläne bestimmte Flächen­größen nicht überschreiten. Der Ent­wurf des „Baulandmobilisierungsge­setzes“ des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (Stand 09.06.2020) sieht eine Verlängerung der Frist um weitere drei Jahre vor. Knapp die Hälfte der 394 im Projekt­gebiet im Jahr 2020 besiedelten Re­viere liegt aber in diesen Bereichen. Einer Inanspruchnahme für Bebau­ungszwecke sind allerdings Grenzen gesetzt, wo es sich um naturschutz­rechtlich besonders geschützte Gebie­te handelt. Der Anteil von Revieren in solchen Bereichen ist, wie in Ab­schnitt 4.2.1 dargelegt, erfreulicher­weise hoch.

Im Übrigen bleiben im Falle von Be­bauungsplänen und bei Bauvorhaben die mit ihnen verbundenen erhebli­chen Beeinträchtigungen von Stein­kauzlebensräumen, sofern nicht zu­gleich artenschutzrechtliche Verbo­te des § 44 Abs. 1 BNatSchG verletzt werden, unbewältigt, d. h. unberück­sichtigt und kompensationslos. Das gilt beispielsweise für die bloße Inan­spruchnahme von Nahrungshabita­ten, die nicht zugleich die Fortpflanzungs- oder Ruhestätten des Stein­kauzes zerstört oder beschädigt.

4.2.3 Unzureichende Anwendung der artenschutzrechtlichen Schädigungs- und Störungs­verbote

Zumal angesichts des beschränkten Anwendungsbereichs und der Voll­zugsschwächen der Eingriffsrege­lung ist der Steinkauz umso mehr auf die Anwendung des besonderen Ar­tenschutzrechts angewiesen, welches aber seinerseits eingeschränkt und mit Schwierigkeiten konfrontiert ist (Breuer 2016a):

  • Die artenschutzrechtlichen Verbo­te gelten im Falle von Bauvorha­ben und haben in der Bauleitpla­nung aufgrund der Bestimmun­gen des § 44 Abs. 5 BNatSchG nur Bedeutung, sofern sich mit der ge­planten Nutzung das Tötungsrisiko für Steinkäuze signifikant erhöht oder sich der Erhaltungszustand der lokalen Population verschlech­tert oder Brutplätze oder Tagesver­stecke des Steinkauzes beschädigt oder zerstört werden.
  • Ein Verstoß gegen das Verbot, Brutplätze oder Tagesverstecke des Steinkauzes zu zerstören, liegt nicht vor, wenn deren Funktion - etwa nach Durchführung von vor­gezogenen Ausgleichsmaßnah­men - im räumlichen Zusammen­hang weiterhin erfüllt wird. Ist dies nicht gewährleistet, das Tötungsri­siko signifikant erhöht oder droht die Verschlechterung des Erhal­tungszustandes der lokalen Popula­tion, darf das Vorhaben nur zuge­lassen werden, wenn die Ausnah­mevoraussetzungen des § 45 Abs. 7 BNatSchG vorliegen. D. h., die Ver­bote können nur überwunden wer­den, wenn zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Inte­resses einschließlich sozialer oder wirtschaftlicher Art vorliegen, zu­mutbare Alternativen nicht gege­ben sind und sich der Erhaltungszu­stand der Populationen der Art trotz der Ausnahme nicht verschlechtert. Dieses sind allerdings hohe Zulas­sungshürden.
  • Die vorstehend genannten arten­schutzrechtlichen Zulassungsgren­zen sind umkämpft wie kaum ande­re naturschutzrechtliche Grenzen. An ihr messen sich darauf spezi­alisierte Gutachter mit der Natur­schutzverwaltung, die mit dem ge­samten Spektrum naturschutzkri­tischer Nutzungen und Interessen konfrontiert ist. Sie unterliegt in dieser Auseinandersetzung leicht schon wegen der geringen perso­nellen und finanziellen Ressour­cen, die oft keine Begegnung mit der anderen Seite „auf Augenhö­he“ erlaubt. So wird eine signifi­kante Erhöhung des Tötungsrisikos infolge von Straßenbauverfahren oder eine Verschlechterung des Er­haltungszustandes der lokalen Po­pulation infolge des Verlustes von Nahrungshabitaten häufig infra­ge gestellt, Vorkehrungen zur Ver­meidung von Schädigungen oder vorgezogenen Ausgleichsmaßnah­men eine Wirksamkeit zugespro­chen, die unbelegt ist oder auf un­realistischen Prognosen beruht. Da­bei wäre es bereits ein Fortschritt, würden die Anforderungen beach­tet, welche das nordrhein-westfäli­sche Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz in dem „Leitfaden Wirksamkeit von Arten­schutzmaßnahmen für die Berück­sichtigung artenschutzrechtlich er­forderlicher Maßnahmen“ bezogen auf den Steinkauz etwa hinsichtlich Standort, Größenordnung, Funk­tionssicherung, Gewährleistung, Prognosesicherheit, Risikomanage­ment und Monitoring solcher Maß­nahmen formuliert hat (MKULNV 2013).

Dass die Schädigungs- und Störungs­verbote überhaupt für Eingriffe sowie für Vorhaben in Gebieten mit Bebau­ungsplänen nach § 30 BauGB, wäh­rend der Planaufstellung nach § 33 BauGB und im Innenbereich nach § 34 BauGB gelten, verdankt sich der „Kleinen Artenschutzrechtsnovelle“ von 2007, die nach der ein Jahr zu­vor erfolgten Verurteilung Deutsch­lands vor dem Europäischen Ge­richtshof notwendig geworden war, weil Deutschland das Artenschutz­recht stärker beschränkt hatte, als das Unionsrecht erlaubt.

Nach der ab 1998 von der EGE po­litisiert vorgetragenen Kritik an den Flächennutzungsplänen von Ge­meinden im Projektgebiet der EGE (Breuer 1998) und insbesondere mit dem Bedeutungszuwachs des Arten­schutzrechts nach der „Kleinen Ar­tenschutznovelle“ des BNatSchG des Jahres 2007 ist die Aufmerksamkeit für den Schutz des Steinkauzes ge­wachsen. Heute wird der EGE nicht mehr wie im Januar 2005 von einem Bürgermeister unter Beifall des spä­teren nordrhein-westfälischen Mi­nisterpräsidenten Dr. Jürgen Rütt­gers vorgeworfen, sie verhindere mit „Phantomsteinkäuzen“ neue Wohnge­biete (Dürener Nachrichten 2005 und EGE 2005). Allerdings haben einige Grundstückseigentümer am Steinkauz auf ihrem Eigentum kein Interesse mehr, seitdem die Auswei­sung von Baugebieten an der Exis­tenz von Steinkäuzen scheitern kann. Der EGE wird deshalb die Erlaubnis zum Aufhängen von Nisthilfen häufi­ger als früher versagt. Wo Baugebie­te geplant oder erhofft werden, ver­schwinden bisweilen die Nisthilfen über Nacht und die Bäume dazu.

Dabei gelingt es längst nicht in al­len Fällen, Steinkauzlebensräume vor Bebauung zu schützen (Abb. 12). Oft kann nur eine Kompensation der Eingriffsfolgen erreicht werden. Und auch dies nur mit der permanenten Intervention von Naturschutzvereini­gungen, ihrer rollenverteilten Zusam­menarbeit mit den Naturschutzbehör­den sowie flankierender Öffentlich­keitsarbeit über den gesamten Prozess der Bauleitplanung bis hin zur Aus­führung, Pflege und Gewährleistung von Kompensationsmaßnahmen.

Immerhin erfasst das Schädigungsver­bot des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG aber Verbiss bedingte Zerstörungen und Beschädigungen von Bäumen mit Bruthöhlen und Tagesverstecken des Steinkauzes. Grundbesitzer und Tier­halter sind verpflichtet, die Bäume vor Schälschäden zu schützen. Diese Rechtsauffassung hat das nordrhein­westfälische Umweltministerium 2007 gegenüber der EGE bestätigt (MUN- LV 2007). Insofern ließe sich mit der Mitteilung und Ahndung solcher Ver­stöße etwas erreichen; allerdings setzt dies zum einen die Meldebereitschaft der Naturschutzvereinigungen und zum anderen die Konfliktfähigkeit von Naturschutzbehörden voraus, sol­chen Meldungen nachzugehen.

4.2.4 Rechtliche Sonderstellung der Landwirtschaft

Die Landwirtschaft nimmt gegenüber anderen Natur und Landschaft beein­trächtigenden Nutzungen eine Son­derstellung ein. Ihre Produktionswei­sen hat der Gesetzgeber von natur- und artenschutzrechtlichen Beschränkun­gen weitgehend ausgenommen. Zu­dem sind agrarisch genutzte Flächen kaum Bestandteil von Schutzgebieten oder die Schutzgebietsverordnungen treffen gegenüber der landwirtschaft­lichen Nutzung keine ausreichenden Regelungen. Beschränkungen der landwirtschaftlichen Bodennutzung in Schutzgebieten würden zwar nicht in jedem Fall Entschädigungsansprü­che auslösen, bei den staatlichen Stel­len ist aber eine generelle Zurückhal­tung spürbar, die landwirtschaftliche Bodennutzung zu reglementieren. Aufgrund dieser Umstände ist das für den Steinkauz wichtige Dauergrün­land nur bedingt vor einer Nutzungs­intensivierung geschützt.

Abbildung 12: Ein skandalöser Fall im Frühjahr 2020: Im Steinkauzhabitat entsteht in der Brutzeit auf der buchstäblich grünen Wiese ein neues Baugebiet. Die Nisthilfe, in der bisher Steinkäuze gebrütet haben, befindet sich in dem Baum rechts des Wirtschaftsweges. Zuvor sind für den rei­bungslosen Baustellenverkehr etwa ein Drittel der Äste dieses Baumes abgesägt worden. Zu einer erfolgreichen Brut kam es erwartungsgemäß nicht mehr (Foto: D. Siehoff)

Die Durchführung von Artenschutz­maßnahmen auf agrarisch genutzten Flächen ist von der Kooperationsbe­reitschaft der landwirtschaftlichen Unternehmen abhängig, ohne die­se dazu verpflichten zu können. Für die Akzeptanz der Grundeigentümer muss gezahlt werden. Die Zahlungen müssen mit den bei einer auflagen­freien Bewirtschaftung erzielbaren Preisen für Nahrungsmittel, Rohstof­fe oder Strom aus erneuerbaren Ener­gien konkurrieren. Die von der öf­fentlichen Hand für Naturschutz im Agrarraum bereitgestellten Mittel ge­nügen weder für eine Trendumkehr noch um weitere Biodiversitätsverlus­te stoppen zu können. Das gilt insbe­sondere für die Neuanlage und Pfle­ge von Streuobstbeständen und Bio­toptypen des Grünlandes.

4.2.5 Unzureichende Zusammen­arbeit zwischen Naturschutz­behörden und Naturschutz­vereinigungen

Der Schutz des Steinkauzes erfor­dert die arbeitsteilige Zusammenar­beit zwischen Naturschutzbehörden und Naturschutzvereinigungen. Da­ran fehlt es nicht selten deshalb, weil Politik und Wirtschaft von den Perso­nen in den Naturschutzbehörden bis­weilen anderes oder gegenteiliges er­warten als den Schutz von Natur und Landschaft, diesen Erwartungen nach­gegeben oder einfach „von oben“ anders entschieden wird. Das zeigt sich beispielsweise in Defiziten bei der Anwendung naturschutz- und arten­schutzrechtlicher Vorschriften wie im Projektgebiet vielfach belegt werden kann. Umso wichtiger ist es, die ver­bleibenden Möglichkeiten zu erken­nen und im Interesse der Sache zu nut­zen. Dabei ist es von Vorteil, sich in die Lage des jeweils anderen hinein­zuversetzen. Ein fachlicher Austausch zwischen Naturschutzbehörden und -vereinigungen sollte unter allen Um­ständen gewährleistet sein und Verbin­dungen nicht abgebrochen werden. In dieser Hinsicht ist die Zusammenar­beit verbesserungsbedürftig. Das setzt allerdings eine wechselseitige Bereit­schaft zur Zusammenarbeit voraus.

5. Schutzbemühungen

Bemühungen zum Schutz des Stein­kauzes gibt es im Projektgebiet der EGE seit den 1970er Jahren. Diese Bemühungen gehen teilweise auf die Nominierung des Steinkauzes zum Vogel des Jahres 1972 zurück; der zweiten Vogelart in der 1970 vom da­maligen Deutschen Bund für Vogel­schutz (DBV) begonnenen Reihe die­ser Nominierungen. Seitdem wurden in diesem Raum systematisch Stein­kauzvorkommen erfasst, in geeig­neten Lebensräumen Steinkauznist­röhren nach dem 1969 von Ludwig Schwarzenberg (1913-2001) ent­wickelten Modell angebracht und die noch vor Einführung der naturschutz­rechtlichen Verbandsbeteiligung da­mals der Gesellschaft Rheinischer Ornithologen (GRO) in Flurbereini­gungsverfahren gewährten Mitwir­kungsrechte genutzt, um die Zerstö­rung von Steinkauzhabitaten in die­sen Verfahren abzuwehren (Breuer 1983).

Abbildung 13: Doris Siehoff und Klaus Frankenberg nach der Beringung junger Steinkäu­ze. Der Vorentwurf des neuen Flächennutzungsplanes aus dem Jahr 2020 sieht hier anstelle der jetzigen landwirtschaftlichen Nutzung ein Hotel, Grünflächen und einen Golfplatz vor (Foto: A. Schumacher)

An die in diesem Zusammenhang ge­wonnenen Kenntnisse und Erfahrun­gen knüpfte das Steinkauzprojekt der 1990 in diesem Raum als Nachfolge­organisation der Aktion zur Wieder­einbürgerung des Uhus (AzWU) ge­gründeten Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen (EGE) - nicht zuletzt auch personell - an. Seitdem bemüht sich die EGE, die für Steinkäuze beste­henden Gefährdungs- und Verlustur­sachen zu erkennen und zu begren­zen. Wenngleich der vorliegende Bei­trag in der Hauptsache lediglich den Bestand und den Schutz des Stein­kauzes in der letzten Dekade betrach­tet, stehen diese Bemühungen in dem Kontext eines über ein halbes Jahr­hundert lang betriebenen Steinkauz­schutzes.

Die Herausforderungen sind heute keinesfalls geringer als damals. Die Gefährdung von Steinkauzlebens­räumen hält an, wenngleich sich die rechtlichen Bedingungen des Stein­kauzschutzes (allerdings hinsichtlich des Schutzes von Streuobstbeständen am wenigsten in NRW) verbessert ha­ben. Die im Steinkauzschutz verfolg­ten Strategien und angewandten Methoden sind keine prinzipiell anderen als zu Beginn des Steinkauzschut­zes. Die Aufwendungen sind aber un­gleich höher als damals. Beispielswei­se umfasst in der EGE das Steinkauz­monitoring, die Bereitstellung und Wartung von Nisthilfen, die Pflege von Obstbäumen, die Öffentlichkeits­arbeit und die Wahrnehmung von Be­teiligungsrechten an Planungen in den Kreisen Düren und Euskirchen jähr­lich etwa 3.000 Arbeitsstunden und eine Fahrleistung von 8.000 km. Zu diesen Bemühungen zählen:

5.1 Jährliches Bestandsmonitoring

Seit 2010 umfasst das jährliche Be­standsmonitoring im Kreis Düren die von zwei Personen durchgeführte Er­fassung von Steinkauzvorkommen in der Zeit von Ende Februar bis Mitte April mit dem Einsatz von Klangat­trappen entsprechend dem Methoden­handbuch von Südbeck et al. 2005. In bekannten Revieren beschränkt sich das Verhören bei Erfolg auf ei­nen einmaligen Einsatz. An poten­tiellen Standorten mit bisher fehlen­dem Nachweis einer Besiedlung er­folgt ein mindestens zweimaliges Verhören. Diese Vorgehensweise ent­spricht den in diesem Gebiet in den Jahren 1991 und 2001 von Wilhelm Bergerhausen vorgenommenen Er­fassungen. Sie wurde im Interesse der Vergleichbarkeit nach dessen Tod im Jahr 2006 beibehalten. Aufgrund des Umstandes, dass auf das Abspie­len der Klangattrappe nicht unbedingt alle Steinkäuze antworten, kann vom Ergebnis nicht zuverlässig auf eine Nichtbesiedlung geschlossen werden. Im Kreis Euskirchen beschränkt sich die Frühjahrserfassung seit dem Jahr 2011 auf Kontrollen der Steinkauz­nisthilfen ab März. In beiden Krei­sen werden alle Nisthilfen von April bis Juli kontrolliert und möglichst alle Jungvögel beringt (Abb. 13). Beringt werden auch die bei den Kontrollen angetroffenen unberingten Altvögel; die Ringdaten beringter Altkäuze werden registriert. Alle Beringungs­daten werden der Vogelwarte Helgo­land gemeldet.

Eine Darstellung der in den letzten Jahrzehnten in diesem Zusammen­hang gewonnenen Daten beispiels­weise über Wiederfunde sowie Zu- und Abwanderung von Individuen (z. B. nach oder aus Baden-Württem­berg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Bel­gien, den Niederlanden) würde den Rahmen dieses Beitrages überstei­gen; sie soll einem späteren Beitrag vorbehalten bleiben. Die Winterkon­trollen der Nisthilfen erwiesen sich zur Bestandserfassung als wenig effi­zient und wurden deswegen reduziert. Im Winter verlagern sich die Revier­zentren teilweise in den Bereich der Siedlungen oder in landwirtschaftli­che Gebäude.

5.2 Nisthilfenangebot

Der Steinkauzbestand ist in NRW im hohen Maße von künstlichen Nisthil­fen abhängig; das gilt um nichts we­niger im Projektgebiet. Im Jahr 2010 hingen dort 452, im Jahr 2016 536 solcher Nisthilfen (Franke & Jöb- ges 2018b). Heute sind es mehr als 600. Darin finden 95 % der bekann­ten Bruten statt. In NRW liegt der An­teil der Bruten in Nisthilfen bei ca. 45 % (Franke & Jöbges 2018b).

Die Nisthilfen werden mit Zustim­mung der Grundeigentümer nach Möglichkeit auf einem Ast ange­bracht, so dass von dort aus nicht flügge Jungvögel in die schützende Nisthilfe zurückkehren können. Die meisten Nisthilfen haben einen Mar­derschutz, der allerdings wie Mar­dernachweise belegen keinen absolu­ten Schutz gewährleistet und Wiesel nicht abhält. Metallmanschetten um die Baumstämme hindern Marder zwar am Heraufklettern, allerdings auch noch nicht flugfähige auf den Boden gelangte Steinkäuze. Zudem können die Metallmanschetten die Bäume schädigen. Daher werden die­se in der Regel nicht verwendet. Die Nisthilfen werden entweder von Mit­arbeitern der EGE oder nach Maßga­be der EGE von Personen in sozialen Einrichtungen gefertigt. Eine seitli­che Öffnung erleichtert die Reinigung und vermindert Störungen bei der Be­ringung. Die Nisthilfen werden von der EGE im Herbst/Winter gewartet, repariert, ausgetauscht oder ggf. um­gehängt. Dabei werden auch Hinter­lassenschaften anderer Nistkastenbe­wohner, z.B. Mäuse, Stare, Meisen, Hornissen, Wespen, entfernt. Allein für Wartung, Reparatur, Austausch und Neubau von Nisthilfen wendet die EGE jährlich 525 Stunden auf.

5.3 Verbesserung und Pflege von Steinkauzhabitaten

Zum Schutz des Steinkauzes bedarf es der Erhaltung, Entwicklung und Pflege von Lebensräumen. Es sol­len nach Möglichkeit Bedingungen erreicht werden, die die Abhängig­keit des Steinkauzes von künstlichen Nisthilfen vermindern. Zu den Leis­tungen der EGE zählen die Pflanzung und Pflege von Obstbäumen, die Si­cherung der Bäume vor Verbiss so­wie Bemühungen zur Etablierung ei­ner steinkauzgerechten Grünlandbe- weidung z. B. in den Festsetzungen der Landschaftspläne, mit der Ein­zäunung von Grünland und der Ver­mittlung geeigneter Bewirtschafter (Abb. 14). Im Kreis Euskirchen hat die EGE auf diese Weise die Bewei- dung von zuvor als Mähgrünland ge­nutzten Flächen von annähernd 22 ha erreicht. Für Mähgrünland wurde in den Landschaftsplänen des Kreises Düren die Vorverlagerung der Grün­landmahd erreicht.

Abbildung 14: Investition in die Zukunft des Steinkauzes: Eingezäuntes Weidegrünland und vor Verbiss geschützte Obstbäume am 10.05.2013 in Geich im Kreis Euskirchen (Foto: P.J. Müller)

In dem Zeitraum von 2011 bis 2020 haben Mitarbeiter der EGE allein im Kreis Euskirchen ca. 1.250mal Obstbäume geschnitten mit einem durchschnittlichen Aufwand von 2 Arbeitsstunden je Baum. Das ent­spricht 250 Stunden pro Jahr. Die hierfür notwendige Qualifizierung haben die Mitarbeiter eigens erwor­ben. Eine Neubegründung von Streu­obstbeständen erreicht die EGE nur in einem geringen Umfang. Als Al­ternative zu pflegeaufwändigen Obstbaumpflanzungen empfiehlt die EGE die Pflanzung von einzelnen Laubbäumen wie Eiche und Linde auf Grünland, die sich für die Befes­tigung einer Röhre frühzeitig eignen und langfristig natürliche Höhlen ausbilden können und insoweit die Rolle von Obstbäumen und Nisthil­fen ergänzen oder ersetzen.

Die bisherigen Anstrengungen aller Akteure im Streuobstwiesenschutz wiegen die Lebensraumverluste im Projektgebiet bei weitem nicht auf. Die Perspektive dieses Lebensraum­typs ist auch im Projektgebiet, wie von Dierichs & Weddeling (2018) für den benachbarten Rhein-Sieg­Kreis beschrieben, dramatisch nega­tiv. Vergleichsweise leicht ist es hin­gegen, Weidetierhalter vom Einsatz im Handel erhältlicher Vorrichtungen zu überzeugen, welche Steinkäuzen ein Herausklettern ermöglichen und sie so vor dem Ertrinken in Viehträn­ken schützen.

5.4 Öffentlichkeitsarbeit

Die EGE betreibt eine systemati­sche Öffentlichkeitsarbeit. Diese um­fasst neben allgemeinen und projekt­gebietsbezogenen Informationen auf der Website der EGE

  • anlassbezogene Presseinformatio­nen,
  • Vortragsveranstaltungen sowie Ex­kursionen in Steinkauzhabitate zur Umweltbildung mit aus Arten­schutzgründen begrenzter Zahl teil­nehmender Personen,
  • die Vergabe von Steinkauz-Paten­schaften (seit 2010) Patenschaften
  • den Einsatz der EGE-Ausstellung „Den Steinkauz im Dorf las­sen“, insbesondere in Rathäusern, Sparkassen und Einrichtungen der Landwirtschaft (seit 2015) die kreisweite Verleihung der Aus­zeichnung „Steinkauz freundliches Dorf“ (seit 2018) an Ortschaften, die sich um den Schutz des Stein­kauzes besonders verdient gemacht haben (Abb. 15),

den Einsatz weiterer Werbeträ­ger wie das EGE-Kinderbuch „Wo die Eule schläft. Abenteuer Natur­schutz“ und Adventkalender zum Steinkauzschutz (beides seit 2015).

Abbildung 15: Nideggen-Berg war 2018 im vierten Jahr in Folge das Dorf im Kreis Düren, in dem die meisten Steinkäuze flügge wurden. Um das Engagement der Bürger des Ortes zu würdigen und als Ansporn für die kommenden Jahre hat die EGE den Ort als erstes „Steinkauz freundli­ches Dorf“ im Kreis Düren ausgezeichnet. In einer Feierstunde überreichte Doris Siehoff (3. von rechts) dem Ortsvorsteher Manfred Hurtz (mit Plakette) im Beisein von Bürgermeister Marco Schmunkamp (mit Nisthilfe) die Auszeichnung. Rechts unten im Bild ist ein Korb zu sehen, der in Viehtränken eingehängt Steinkäuze vor dem Ertrinken retten kann (Foto: U. Bergrath)

5.2 Wahrnehmen von Beteiligungs­rechten in Zulassungsverfahren für Eingriffe sowie an Aufstel­lungsverfahren von Flächennutzungs- und Bebauungsplä­nen sowie Landschaftsplänen

Außerordentlich intensiv beteiligt sich die EGE, teils in Verbindung mit den Kreisgruppen von BUND und NABU, an den Zulassungsverfahren für Eingriffe (z. B. landwirtschaftli­che Bauten im Außenbereich, Neu- und Ausbau von Straßen) sowie an den Verfahren für die Aufstellung und Änderung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen. Die Bedeutung der Entscheidungen über diese Pro­jekte und Pläne für die Zukunft der örtlich betroffenen Steinkauzvorkom­men kann kaum überschätzt werden. Als mindestens ebenso wichtig hat sich die Beteiligung an der Aufstel­lung und Fortschreibung der Land­schaftspläne erwiesen. Das zeigt sich in der deutlichen Zunahme des Flä­chenanteils naturschutzrechtlich be­sonders geschützter Gebiete, in denen Steinkauzvorkommen tendenziell bes­ser geschützt sind als außerhalb dieser Gebiete. Die EGE stellte für diese Pla­nungen die Ergebnisse des Steinkauz­monitorings zur Verfügung, drängt auf die Unterschutzstellung von Stein­kauzhabitaten und die rechtliche Ver­ankerung von entsprechenden Gebo­ten und Verboten, Schutz-, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen.

Abbildung 16: Rita Edelburg-Müller und Peter Josef Müller mit einem von ihnen gesund gepflegten und von ihren Ammenkäuzen aufgezogenen Steinkauz aus dem Projektgebiet (Foto: H.-J. Zimmermann)

5.3 Sonstige Maßnahmen

Verletzt, krank oder hilflos aufge­fundene Steinkäuze werden veteri­närmedizinisch versorgt, schwache Jungvögel den von der EGE gehal­tenen Ammenkäuzen anvertraut und im Erfolgsfall wieder in die Freiheit entlassen (Abb. 16). Die veterinär­medizinische Versorgung erfolgt in der „Vogelpflegestation Kirchwald“ bei Mayen sowie in der „Bergischen Greifvogelhilfe“ in Rösrath bei Köln. Zum Pool der auf diese Weise reha­bilitierten Steinkäuze zählen die 39 Individuen, mit denen die EGE in den Jahren 2016 bis 2019 das Stein­kauz-Wiederansiedlungsprojekt des Landschafts-Fördervereins „Nuthe- Nieplitz-Niederung e. V.“ in Bran­denburg unterstützt hat. (www.wild- vogel-pflegestation-kirchwald.org/, www.bergischegreifvogelhilfe.de/ue- ber-uns/, www.naturpark-nuthe-nie- plitz.de/naturparkverein/)

5.4 Ausweitung der Bemühungen in den Rhein-Erft- und Rhein­Sieg-Kreis

Die EGE hat in den letzten Jahren ihr Steinkauzprojekt in den Rhein-Erft­Kreis (hauptverantwortlich ist Stefa­nie Taube) und - in Kooperation mit dem NABU-Bonn - in den linksrhei­nischen Teil des Rhein-Sieg-Kreises (für die EGE ist Peter Josef Müller hauptverantwortlich) ausgedehnt. Die EGE möchte auf diese Weise zu einer Stabilisierung des Steinkauzbestandes in diesen beiden Nachbarkreisen beitra­gen. Auch dort steigt dank der Schutz­maßnahmen die Zahl der besetzten Re­viere und erfolgreichen Bruten.

6. Schlussfolgerungen

In den Kreisen Düren und Euskirchen ist der Rückgang des Steinkauzbestan­des seit 2010 nicht nur gestoppt, son­dern eine deutliche Trendumkehr er­reicht worden. Gleichwohl sind vie­le Steinkauzhabitate weiterhin akut bedroht. Hauptgefährdungsursachen sind der Verlust von Streuobstwiesen infolge der Ausweitung von Siedlungs­flächen, der Aus- und Neubau von Straßen und eine intensive landwirt­schaftliche Nutzung selbst in Schutz­gebieten. Der Schutz des Steinkauzes erfordert insbesondere die Sicherung und Ergänzung des baumbestandenen Grünlandes und die Beachtung der na­turschutz- und artenschutzrechtlichen Vorschriften. Angesichts dieser Lage sind die fortgesetzten Versäumnisse der nordrhein-westfälischen Landes­regierung auf dem Gebiet des Streu­obstwiesenschutzes unentschuldbar.

Eine besondere Verantwortung für den Schutz des Steinkauzes im Projektge­biet tragen die Städte und Gemeinden in der Bauleitplanung. Gerade hier be­darf es der kontinuierlichen Mitwir­kung von Naturschutzvereinigungen, die aber dort schon deshalb schwer­fällt, weil das Bauplanungsrecht kom­pliziert ist und der Naturschutz in den Städten und Gemeinden auf ein Ge­flecht von naturschutzkritischen Ein­zel- und Gruppeninteressen stößt, in welchem sich die Belange des Natur­schutzes und der Landschaftspflege nur schwer durchsetzen. Der Schutz des Steinkauzes hängt dort von dem Mehr­heitswillen der Städte und Gemeinden und der Kontroll- und Konfliktbereit­schaft der für den Naturschutz und die Landschaftspflege zuständigen Behör­den ab. Daran mangelt es.

Der Schutz des Steinkauzes erfordert deshalb nach wie vor die permanente Aufmerksamkeit, Konfliktfähigkeit und -bereitschaft von Naturschutz­vereinigungen - umso mehr, wo es an der auch in den Kreisen Düren und Euskirchen dringend gebotenen rollenverteilten Zusammenarbeit von Naturschutzbehörden und -vereini­gungen fehlt. Die Zukunft des Stein­kauzes im Projektgebiet hängt inso­fern - 50 Jahre nach der Nominierung des Steinkauzes zum Vogel des Jahres 1972 und 100 Jahre nach der erstma­ligen Verankerung des Naturschutzes in Deutschland als Staatsaufgabe - im hohen Maße von dem Leistungsver­mögen ehrenamtlich tätiger Personen ab. Ein Erfolg kommt nicht von Unge­fähr, sondern muss immer wieder Po­litik, Wirtschaft und Kommunen ab­gerungen werden. Dafür braucht es Idealisten, die nicht für Beförderun­gen und Brückentage leben, sondern für die Sache des Naturschutzes.

7. Zusammenfassung

In den Kreisen Düren und Euskir­chen im südwestlichen NRW besie­delt der Steinkauz in einem zusam­menhängenden Gebiet von rund 1.000 km2 das mit Obstbäumen und ande­ren Laubbäumen bestandene Grün­land in der Jülicher und Zülpicher Börde sowie der waldarmen hüge­ligen Lagen der angrenzenden Vor­eifel bis 420 m über NN. In diesem Gebiet lebten Mitte der 1970er Jahre schätzungsweise 450 Steinkauzpaare. Nach einem Rückgang auf nur noch 169 besiedelte Reviere im Jahr 2008 stieg der Bestand bis zum Jahr 2020 auf 394 besiedelte Reviere. Die Zahl der erfolgreichen Bruten mit bering­ten Jungen stieg in den vergangenen zehn Jahren von 120 auf 224.

Trotz dieser erreichten Trendumkehr sind viele Steinkauzreviere infolge wachsender Siedlungs- und Verkehrs­flächen, des anhaltenden Verfalls von Obstbaumbeständen sowie der Intensi­vierung der landwirtschaftlichen Nut­zung mit Aufgabe der Grünlandbe­wirtschaftung gefährdet. Problemver­schärfend wirkt sich der Umstand aus, dass sich mehr als die Hälfte der be­siedelten Reviere innerörtlich oder in der Peripherie der Ortschaften befin­det, wo sich der Siedlungsbau und der Bau von Ortsumgehungen fortsetzt. Obgleich der Anteil besiedelter Revie­re in naturschutzrechtlich besonders geschützten Gebieten mit 75 % hoch ist und sich die naturschutzrechtli­chen Bedingungen verbessert haben, sind die Steinkauzvorkommen auf­grund von Beschränkungen und Voll­zugsmängeln naturschutz- und bau­planungsrechtlicher Vorschriften so­wie der rechtlichen Sonderstellung der Landwirtschaft nur bedingt geschützt.

Die Bemühungen der Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen e.V. (EGE) in diesem Gebiet umfassen neben einem jährlichen Bestandsmonitoring insbe­sondere die Bereitstellung von Nisthil­fen, die Verbesserung und Pflege von Steinkauzhabitaten, Öffentlichkeitsar­beit und die systematische Wahrneh­mung von Beteiligungsrechten in Zu- lassungs- und Aufstellungsverfahren für Projekte und Pläne. Hierfür wen­det die EGE jährlich etwa 3.000 Ar­beitsstunden auf. Die erreichte posi­tive Bestandsentwicklung verdankt sich nicht zuletzt diesem Einsatz. In Nordrhein-Westfalen bedarf es für den Schutz des Steinkauzes dringend der Unterschutzstellung der verbliebenen Streuobstbestände „ohne Wenn und Aber“ sowie der Wiederaufbau- und Pflegeprogramme für mit Bäumen bestandenes Grünland und der Förde­rung der Weidetierwirtschaft. Hiervon würde nicht allein der Steinkauz, son­dern die biologische Vielfalt des Ag­rarraumes insgesamt profitieren.

8. Summary

Breuer W, Dalbeck L, Müller PJ, Rita Edelburg-Müller R & Sie- hoff S: Population and conservation of the Little Owl Athene noctua Sco- poli 1769 in the North Rhine-West- phalian districts of Düren and Euskirchen from 2011 to 2020. Eu­len-Rundblick 71: 4-19

In the districts of Düren and Eus­kirchen in south-western North Rhine-Westphalia, the Little Owl in­habits grassland with orchards and other deciduous trees in the Jülich and Zülpicher Börde as well as the poor- ly forested, hilly areas of the adjoin- ing pre-Eifel up to 420 m a.s.l. in a contiguous area of around 1,000 km2. An estimated 450 pairs of Little Owls lived in this area in the mid-1970s. After a decline to just 169 occupied territories in 2008, the number rose to 394 territories by 2020. The num­ber of successful broods with ringed young rose in the past ten years from 120 to 224.

Despite this trend reversal, many Lit- tle Owl territories are endangered due to expanding settlement and traf­fic areas, the continuing degradation of orchards and the intensification of agriculture with the abandonment of grassland management. The problem is exacerbated by the fact that more than half of the occupied territories are located within or on the periph- ery of villages, where civil construc- tion and the planning of bypasses are continuing. Although the proportion of occupied territories in areas spe- cially protected under nature conser­vation law is as high as 75% and the conditions under nature conservation law have improved, the protection of Little Owl territories is limited due to restrictions and deficiencies in nature conservation and building planning regulations as well as the special le­gal position of agriculture.

The efforts of the Society for the Con­servation of Owls e.V. (EGE) in this area include, in addition to annual population monitoring, in particular the provision of nest boxes, the im- provement and management of Little Owl habitats, public relations and the systematic exercise of participation rights in approval and installation procedures for projects and plans. The EGE spends around 3,000 hours a year on this. The positive population trend achieved is due not least to this com- mitment. In North Rhine-Westphalia, a crucial prerequisite for the protec­tion of the Little Owl is the protection of the remaining orchards “without ifs and buts” as well as the reconstruction and management programs for grass- land with trees and the promotion of grazing animals. Not only the Little Owl would benefit from this, but the biological diversity of the agricultur­al area as a whole.

9. Danksagung

Dank zu sagen ist

  • allen, die das Steinkauzmonitoring der EGE in den Jahren 2011 bis 2020 praktisch unterstützt haben, im Kreis Düren besonders Ako Ber­gerhausen, Ulrich Bergrath, Frank Bohlem, Hildegard Coe- nen, Stefan Ebert, Klaus Fran­kenberg, Michael Leifeld, Ro­bert Mohl, Lars Porta, Patrick Reinartz, Winfried Schidel- ko, Norbert Schneiders, Achim Schumacher, Alfred Schulte und Georg Siehoff, der Arbeits­gruppe der Kath. Kirchengemeinde St. Michael in Buir um Pastor Ge­org Neuhöfer sowie der Biologi­schen Station des Kreises Düren; im Kreis Euskirchen Kurt Maus, Andreas May, Monika May, Stefan May, Josef Opitz, Tanja Opitz, Dr. Geert Runhaar sowie der Biologischen Station des Krei­ses Euskirchen.
  • Grundeigentümern und Bewirt­schaftern, denen der Schutz des Steinkauzes ein Anliegen ist.
  • Steinkauzpaten und Förderern der EGE, die mit ihrer Spende die Ar­beit der EGE unterstützen.

10. Literatur

Breuer W 1983: Naturschutz zwi­schen Flurbereinigung und Land­wirtschaft. Erfahrungen der Projekt­gruppe „Landschaftsentwicklung in der Flurbereinigung“. Charadrius 3: 145-148

Breuer W 1998: Berücksichtigung von Steinkauzlebensräumen in der Flächennutzungsplanung am Beispiel von drei nordrhein-westfälischen Ge­meinden. Natur und Landschaft 73(4): 175-180

Breuer W 2008: Der Steinkauz in der niederrheinischen Bucht und die Anwendung des Artenschutzrechts. Beitrag zum Fachverwaltungslehr­gang der nordrhein-westfälischen und niedersächsischen Baureferendare in der Fachrichtung Landespflege am 23.01.2008 in Hannover, unveröffent­lichtes Manuskript

Breuer W 2016a: Die Entwicklung naturschutzrechtlicher Bestimmun­gen in den letzten 40 Jahren im Hin­blick auf den Eulenartenschutz. Eu­len-Rundblick 66: 13-24

Breuer W 2016b: Eingriffsregelung. In: Riedel W, Lange H, Jedicke E & Reinke M: Landschaftsplanung. - 3. Neu bearb., aktualisierte Aufl. 536 S. Springer Spektrum

Dalbeck L & Hachtel M 1999: Habi­tatpräferenzen des Steinkauzes Athe­ne noctua Scopoli 1769 im Kreis Dü­ren im ortsnahen Grünland. Charadri- us 35: 100-115

Dierichs C & Weddeling K 2018: Streuobstwiesen: weiter auf dem ab­steigenden Ast? Bestandsentwicklung in vier Gemeinden im Rhein-Sieg­Kreis zwischen 1990 und 2013. Natur in NRW 2/2018: 12-16

Dürener Nachrichten 2005: Aus­gabe Nr. 16 vom 20.01.2005: S. 16 EGE Gesellschaft Zur Erhaltung Der Eulen 2005: Presseinformation 1/2005 Käuze, Hamster und die CDU in NRW. http://www.egeeulen.de/ files/presseinformation_01_2005.pdf Franke S & Jöbges M 2018a: Beson­dere Verantwortung. Der Steinkauz in NRW braucht unsere Hilfe. Natur­schutz in NRW 1/2018: 4-6

Franke S & Jöbges M 2018b: Ergeb­nisse der Steinkauz-Bestandserfas­sung in NRW 2003-2016. Mitteilung an alle Steinkauzschützer in NRW vom 01.04.2018

Gemeinde Niederzier 2018: https://www.niederzier.de/wirtschaft-woh- nen/inhalt/flaechennutzungsplan.php

Gerlach B, Dröschmeister R, Lang­gemach T, Borkenhagen K, Busch M, Hauswirth M, Heinicke T, Kamp J, Karthäuser J, König C, Markones N, Prior N, Trautmann S, Wahl J & Sudfeldt C 2019: Vögel in Deutsch­land - Übersichten zur Bestandssitua­tion. DDA, BfN, LAG VSW, Münster

Grüneberg C, Bauer H-G, Haupt H, Hüppop O, Ryslavy T, Südbeck P 2015: Rote Liste der Brutvögel Deutschlands, 5. Fassung. Berichte zum Vogelschutz 52: 19-67

Grüneberg C, Sudmann SR, Her­haus F, Herkenrath P, Jöbges MM, König H, Nottmeyer K, Schidelko K, Schmitz M, Schubert W, Stiels D & Weiss W (Nordrhein-westfäli­sche Ornithologengesellschaft und Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz) Hrsg. 2016: Rote Liste der Brutvogelarten NRW, 6. Fassung, Stand: Juni 2016. Charadri- us 52(1-2; 2017): 1-66

Jöbges MM & Franke 2018: Zum Vorkommen des Steinkauzes Athe­ne noctua in Nordrhein-Westfalen mit Ausblick auf die Situation der Art in Deutschland. Eulen-Rundblick 68: 65-68

Kreis Düren 2018: https://www. kreis-dueren.de/aktuelles/index. php?pm=/aktuelles/presse/poli- tik/2018-12-20_Kreis_Dueren_will_ Einwohnerzahl_steigern.php

LANA Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz 2010: Hinweise zu zen­tralen unbestimmten Rechtsbegrif­fen des Bundesnaturschutzgesetzes. www.bfn.de/fileadmin/BfN/recht/ Dokumente/Hinweise_LANA_unbe- stimmte_Rechtsbegriffe.pdf

Landtag NRW 2019: Drucksache 17/7057 vom 02.08.2019: Antwort der Landesregierung auf die Kleine An­frage 2748 vom 12. Juli 2019 des Ab­geordneten Norwich Rüsse, BÜND­NIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/6889: „Wann bringt die Landes­regierung das gemäß § 42 LNatSchG vorgeschriebene landesweite Streu­obstwiesenkataster zum Abschluss?“ LANUV Landesamt Für Natur, Umwelt Und Verbraucherschutz NRW 2015: https://www.lanuv.nrw. de/landesamt/veroeffentlichungen/ pressemitteilungen/details/1631-nrw- verliert-taeglich-wiesen-und-weiden LANUV Landesamt Für Natur, Umwelt Und Verbraucherschutz NRW (o. J.): Steckbrief des Biotop- und Lebensraumtypenkatalog NRW Code / Bezeichnung: NHK0 Streu­obstbestände http://methoden.natur- schutzinformationen.nrw.de/metho- den/de/anleitung/NHK0 Lindner M 2020: Fakten zum Ein­satz von Rodentiziden in Deutsch­land. Eulen-Rundblick 70: 45-53

MKULNV Ministerium für Klima­schutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW 2013: Leitfaden „Wirksamkeit von Artenschutzmaß­nahmen“ für die Berücksichtigung artenschutzrechtlich erforderlicher Maßnahmen in NRW Forschungspro­jekt des MKULNV NRW Schlussbe­richt 05.02.2013

MUNLV Ministerium für Um­welt und Naturschutz, Land­wirtschaft und Verbraucher­schutz des Landes NRW 2007: Ant­wort auf eine Anfrage der EGE vom 23.10.2006 http://egeeulen.de/files/ mu_bergerhausen.pdf Müller PJ 2010: Der Steinkauz im Kreis Euskirchen. Eifeljahrbuch: 125­130.

NRZ Neue Ruhr Zeitung Ausgabe vom 30.04.2020: https://www.nrz. de/region/niederrhein/bund-draengt- streuobstwiesen-in-nrw-unter-schutz- stellen-id229019871.html Siehoff D 2010: Der Steinkauz im Kreis Düren. Jahrbuch des Kreises Düren 2010: 113-118.

Statistisches Jahrbuch NRW 1987, 2001, 2018 und 2019 Südbeck P, Andretzke H, Fischer S, Gedeon k, Schikore t, Schrö­der K & Sudfeldt C (Hrsg.) 2005: Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Radolfzell Zukunftsagentur Rheinisches Revier 2020: Wirtschafts- und Struk­turprogramm für das Rheinische Zu­kunftsrevier 1.0. Hrsg. Zukunftsagen­tur Rheinisches Revier - IRR GmbH. https://www.rheinisches-revier.de/media/wsp_1-0_web.pdf

Dipl.-Ing. Wilhelm Breuer Gesellschaft zur Erhaltung der Eu­len e. V. Breitestr. 6 53902 Bad Münstereifel egeeulen@t-online.de

Dr. Lutz Dalbeck Auf der Kante 9 52396 Heimbach E-Mail l_dalbeck@yahoo.com

Peter Josef Müller und Rita Edelburg­-Müller Gartenstr. 2 53925 Kall peter-josef@gmx.de

Doris Siehoff Grüner Weg 5 b 52393 Hürtgenwald dorissie@gmx.de

Dieser Artikel stammt aus dem Eulen-Rundblick Nr. 71



Tagungsprogramm der AG Eulen in Münster

Stand: 21.09.2021

Freitag 15.10.2021

Ab 16:00 Uhr Öffnung des Tagungsbüros

Ab 18:30 Uhr Abendessen

20:00 Uhr Dr. Andreas Schüring (Vortrag)
„Kobold der Nacht“

Ab 21:00 Uhr Eulenschützer-Stammtisch

Samstag 16.10.2021

09:00 Uhr Eröffnung und Begrüßung

  • Michael M. Jöbges (Recklinghausen)
    Vorsitzender der Deutschen Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Eulen e.V. (AG Eulen)
  • Dr. Ralf Barfknecht (Köln)
    Nordrhein-Westfälische Ornithologengesellschaft e.V. (NWO)
  • Dr. Christoph Sudfeldt (Münster)
    Dachverband Deutscher Avifaunisten e.V. (DDA)

09:15 Uhr: Fachvorträge

Moderation: Michael M. Jöbges

  • Hubert Große Lengerich (Münster)
    30jährige Schleiereulen- und Steinkauz Schutzbemühungen in Münster
  • Ronald van Harxen (Winterswijk, Niederlande)
    Der Steinkauz in den Niederlanden
  • Herbert Keil (Ludwigsburg)
    Überlebensrate und Dispersion von Steinkäuzen im Landkreis Ludwigsburg

10:45 – 11:15 Uhr: Kaffeepause

11:15 Fachvorträge
Moderation: Dr. Mia-Lana Lührs

  • Dr. Alexandra Esther (Münster, Julius-Kühn-Institut)
    Gefahren durch Rodentizide, Resistenzen gegen Antikoagulantien
  • Magdalena Wlodarz (Universität Potsdam)
    Das Nahrungsspektrum junger und adulter Schleiereulen in Brandenburg
  • Stephan Grote (NABU-Naturschutzstation Münsterland e.V., Münster)
    Obstweiden und Obstwiesen in der westfälischen Kulturlandschaft – Geschichte – Ökologie – Pflege

12:30 – 14:00 Uhr Mittagspause

14:00 Fachvorträge
Moderation: Christiane Geidel

  • Dr. Christian Harms (Freiburg)
    Mit Mikrofon und Kamera – Uhu-Geheimnissen auf der Spur
  • Hubert Ortmann (Ladbergen)
    Das Zusammenleben von Waldkauz und Hohltaube
  • Olaf Geiter (Vogelwarte Helgoland, Wilhelmshaven)
    Eulenberingung in Nordwestdeutschland

16:00 – 16:30 Uhr: Kaffeepause

16:30 Fachvorträge
Moderation: Dr. Jochen Wiesner

  • Simon Birrer (Vogelwarte Sempach, Schweiz)
    Europa – Neue Resultate zu den Eulen aus dem Europäischen Brutvogelatlas EBBA2
  • Steffen Kämpfer (Universität Osnabrück)
    Brut- und Nahrungsökologie der Sumpfohreule auf den Ostfriesischen Inseln
  • Martin Lindner (Sundern)
    Forstwirtschaft in Natura 2000 Gebieten

18:30 – 20:00 Uhr: Abendessen

20:00 Uhr: Mitgliederversammlung mit Vorstandswahlen der Deutschen Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Eulen e.V. (AG Eulen)

Anschl. gemütliches Beisammensein

Sonntag 17.10.21
09:00 Uhr Abfahrt Bus-Exkursionen (an der Tagungsstätte)

  • Exkursion 1 – Steinkauz- und Schleiereulen-Habitate im Raum Münster
    Leitung: Hubert Große Lengerich
  • Exkursion 2 – EU-Vogelschutzgebiet „Rieselfelder Münster“
    Leitung: Manfred Röhlen

Ende der Jahrestagung gegen 13:00 Uhr



Wegweisendes Urteil zur Forstwirtschaft in Natura-2000-Gebieten

von Martin Lindner

01.08.2021

Einleitung

Abbildung 1: Freistellung eines Schwarzstorchhorstes im FFH-NSG Buchholz bei Bleiwäsche; seit Freistellung ungenutzt (Foto: W. Schubert)

Am 9. Juni 2020 urteilte das Ober­verwaltungsgericht Bautzen (OVG) in einem Präzedenzfall über die Forstwirtschaft in Natura-2000-Gebieten. Die Grüne Liga Sachsen e.V. und Naturschutz und Kunst - Leip­ziger Auwald e.V. hatten vor dem Oberverwaltungsgericht Beschwerde gegen ein Urteil des Verwaltungsge­richts Leipzig eingelegt wegen fehlen­der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für die Forsteinrichtungs­werke und die Forstwirtschaftspläne der Stadt Leipzig in zwei Natura- 2000-Gebieten. Es ging um das FFH-Gebiet Leipziger Auensystem mit 2.825 ha Fläche und das Vogelschutz­gebiet Leipziger Auwald mit 4.925 ha Fläche, wobei das gesamte FFH-Gebiet auch als Vogelschutzgebiet ge­meldet ist.

Urteil

Im Urteil wurde der Stadt Leipzig per einstweiliger Anordnung aufge­geben, es zu unterlassen, den Forst­wirtschaftsplan 2018 zu vollziehen soweit dieser Sanitärhiebe, Femelhiebe/Femelungen, Schirmhiebe und Altdurchforstungen umfasst, bevor eine UVP vorliegt. Als Folge des Ur­teils des OVG darf die Stadt Leipzig also in den beiden Natura-2000-Gebieten, mit Ausnahme der Verkehrs­sicherung, keine Baumfällungen durchführen, bevor nicht eine UVP nach Maßgabe der Fauna-Flora-Habi­tat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) durch­geführt wurde.

Laut OVG müssen die Naturschutz­verbände an der UVP beteiligt werden und ihnen Gelegenheit zur Stellung­nahme und zur Einsicht in die ein­schlägigen Sachverständigengutachten gegeben werden. Das OVG stellte fest, dass eine UVP klären muss, ob die Baumfällungen auf geschützte Ar­ten und Lebensräume erhebliche Aus­wirkungen haben. Das OVG verwarf die Begründung der Stadt Leipzig für das Unterlassen der gebotenen UVP, nämlich dass die massiven forstwirt­schaftlichen Eingriffe der Erhaltung des Gebiets dienen würden und daher von der Pflicht zur Durchführung ei­ner UVP befreit wären.

Abbildung 2: Nur wenige Überhälter blieben vom Altbuchenwald im FFH-Gebiet Ruhrtal bei Laer und Schneisenberg (Foto: W. Schubert)

Das OVG fordert auch die Beteiligung der Naturschutzverbände bereits in der Vorprüfung. Die Naturschutzver­bände sollen ihren naturschutzfachlichen Sachverstand zu behördlichen Entscheidungen schon bei der Vor­prüfung beisteuern können, weil sonst das Verfahrensstadium der Projek­te oder Planungen bereits soweit fortgeschritten und verfestigt sein könnte, dass sich Behörden genötigt sehen können, ein an sich unzulässi­ges Vorhaben weiter zu verfolgen und verweist dazu auf die aktuelle Recht­sprechung des Europäischen Ge­richtshofs. Eine Beteiligung beginne frühzeitig, d. h. zu einem Zeitpunkt, zu dem alle Optionen noch offen sind und eine effektive Öffentlichkeitsbe­teiligung stattfinden kann.

Die UVP muss prüfen, ob ein Pro­jekt mit den Erhaltungszielen eines Natura-2000-Gebiets übereinstimmt und ob es einzeln oder in Zusammen­wirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet ist, das Gebiet er­heblich zu beeinträchtigen. Die UVP muss die Möglichkeit einer erhebli­chen Beeinträchtigung von vornher­ein fundiert ausschließen können.

Dies ist ein rechtlicher Paradigmenwechsel im Umgang mit Natura-2000-Gebieten. Der in Deutschland gängigen Praxis, dass Forstverwal­tungen auch in Schutzgebieten nach Gutdünken abholzen dürfen, ist da­mit ein Riegel vorgeschoben. Der Schutz der Wälder war bislang oft nur auf dem Papier gegeben. Für Be­sucher dieser Waldflächen und vor al­lem auch für die Natur vor Ort war daher meist kein Unterschied zu nicht geschützten Bereichen erkennbar. So sollten im Leipziger Auwald z.B., wie auch überall sonst in Deutschland, alte Laubwaldbestände „gepflegt“ und „aufgelichtet“ werden, um die „Naturverjüngung zu fördern“. Eine Beschwerde gegen das Urteil ist ausgeschlossen. Das Verwaltungs­gericht Leipzig hatte sich am 9. Ok­tober 2019 noch auf den Standpunkt gestellt, dass der streitige Forstwirt­schaftsplan 2018 keiner UVP bedarf und war der Argumentation der Stadt Leipzig gefolgt. Übrigens entschied der Europäische Gerichtshof bereits im Jahr 2018 in einem ganz ähnlich gelagerten Fall, dass Forstwirtschaft in Natura-2000-Gebieten nicht ohne Umweltverträglichkeitsprüfung erfol­gen darf.

Bei Natura-2000-Gebieten han­delt es sich um FFH-Gebiete ausgewiesen nach der Flora-Fauna­-Habitat-Richtlinie und um Europä­ische Vogelschutzgebiete nach der Vogelschutzrichtlinie. Die Richt­linien für die Natura-2000-Gebiete wurden bereits 1998 im deutschen Naturschutzrecht juristisch veran­kert. In Natura-2000-Gebieten gilt ein Verschlechterungsverbot und bei Eingriffen in Natura-2000-Gebieten muss zuvor eine UVP durchgeführt werden. Für im Gebiet vorkommende Populationen von Tier- und Pflanzen­arten, welche die EU als von gemein­schaftlichem Interesse einstuft, ist ein günstiger Erhaltungszustand zu er­halten oder wiederherzustellen.

Das Urteil hat bundesweite Signal­wirkung, weil bisher auch in Natura-2000-Gebieten Land- und Forstwirtschaft, bis auf wenige Aus­nahmen, uneingeschränkt wirt­schaften konnten, da die Behörden pauschal davon ausgehen, dass die sogenannte gute fachliche Praxis bzw. ordnungsgemäße Bewirtschaf­tung pauschal zulässig sind. Manage­mentpläne existieren für die meisten Natura-2000-Gebiete noch nicht. So müssen Naturschutzbelange kaum berücksichtigt werden bei der Bewirt­schaftung durch die Forstwirtschaft.

Wirklichkeit in Natura-2000-Gebieten in Deutschland

Der Zustand der FFH-Gebiete und Vogelschutzgebiete müsste nach den geltenden Gesetzen und Vorschriften hervorragend sein. Jedem Praktiker im Naturschutz ist aber bekannt, dass der Zustand auch in Natura-2000-Gebieten allgemein und auch im Wald eher durchwachsen, ja teils sogar schlecht, ist. Die Forstwirtschaft verhält sich, als hätte sie einen Frei­brief zur Nutzung. Meine persönli­chen Erfahrungen beziehen sich zwar auf NRW, aber Gespräche mit Natur­schützern in ganz Deutschland und zahlreiche Veröffentlichungen las­sen mich zum Schluss kommen, dass die Situation im übrigen Deutschland nicht besser ist, obwohl es natürlich in den 16 Bundesländern Unterschiede gibt. Die Missstände in FFH-Gebieten und Vogelschutzgebieten betreffen gleichermaßen Klein- und Großpri­vatwald, Kommunalwald, Landes­wald und Bundeswald.

Abb. 3: Altbuchenbestand im FFH-Gebiet und VSG Luerwald und Bieberbach mit Unterbau von Douglasie (Foto: M. Lindner)

In NRW sind Kahlschläge bis 2 ha auch in Natura-2000-Gebieten er­laubt. Es gibt FFH-Gebiete im Hoch­sauerlandkreis (HSK) in denen nach und nach fast alle Altbuchen gefällt wurden (bei den großen Wald-Natura-2000-Gebieten im HSK handelt es sich meist um Buchenwald) und nur noch in Randbereichen Altbuchen­reihen bzw. Einzelbäume stehenblie­ben, so dass im Schutzgebiet fast nur noch junge Buchen stehen. Die den Wert des FFH-Gebiets bestimmen­den Vogelarten sind dann bis auf ganz wenige Brutpaare der Arten Dohle und Hohltaube verschwunden. Es gibt daher im HSK FFH-Gebiete, die heute eigentlich ihren Wert und Schutzgrund verloren haben. Der eh­renamtliche Naturschutz hat schon erwogen, Anträge zu stellen, solchen FFH-Gebieten den Status FFH-Gebiet zu entziehen, um diesen Umstand öf­fentlich bekannt zu machen. In NRW ist nicht festgelegt wie viele Altbäu­me pro Hektar in Schutzgebieten min­destens stehen bleiben müssen, um Wert und Charakter zu erhalten. In NRW können Waldbesitzer sogar eine Waldnaturschutzförderung erhalten, wenn sie nur fünf Altbäume pro Hek­tar dauerhaft stehen lassen. In diesem Wald brütet natürlich kein Rauhfuss­kauz oder Sperlingskauz und auch fast keine der vorher wertgebenden Vogelarten.

Wiederaufforstungen oder Unter­pflanzungen finden auch in Natura-2000-Gebieten in Deutschland teilweise mit gebietsfremden Bau­marten wie Roteichen, Douglasi­en und Fichten statt, obwohl z.B. in NRW festgeschrieben ist, dass im Wald der Natura-2000-Gebiete bei Beständen standortfremder Baumar­ten die Wiederaufforstungen oder Un­terpflanzungen mit standortgerechten Laubbäumen stattfinden muss. Fortpflanzungsstätten wie Horste und Großhöhlen dürfen laut Gesetz ei­gentlich nicht beschädigt oder zerstört werden. Allerdings gilt das Verbot für die forstwirtschaftliche Bodennut­zung, d.h. die tägliche Wirtschafts­weise des Försters, nicht, wenn sie den Anforderungen an die gute fach­liche Praxis entspricht und wenn sich durch die Bewirtschaftung der Erhal­tungszustand der lokalen Populati­on nicht verschlechtert (§ 44 Abs. 4 BNatSchG). Es gibt ostdeutsche Bun­desländer mit gesetzlich verankerten Horstschutzzonen, unabhängig vom Schutzstatus einer Fläche, dazu zählen Mecklenburg-Vorpommern, Branden­burg, Sachsen-Anhalt und Thüringen. In allen vier Ländern haben Kra­nich, Schwarzstorch, Adlerarten und Wanderfalken Horstschutzzonen. Mecklenburg-Vorpommern listet zu­sätzlich den Baumfalken auf, Sach­sen-Anhalt und Thüringen beziehen auch den Rotmilan in den Schutz ein, und Brandenburg den Uhu. In NRW gibt es Horstschutzzonen nur in Be­reichen des Landeswaldes in Natura-2000-Gebieten per Dienstanweisung des Landes. In NRW gelten aktu­ell Horstschutzzonen von 100 m für Baumfalke, Habicht, Mäusebussard, Uhu und Kolkrabe und von 300 m für Schwarzstorch, Rotmilan und Schwarzmilan. Ein genereller Horst­schutz besteht in Natura-2000-Gebieten in Deutschland nicht.

Ein Grund für den unbefriedigenden Zustand vieler Schutzgebiete in NRW ist meiner Erfahrung nach, dass die Unteren Naturschutzbehörden dem Landesbetrieb Wald und Holz NRW (Nachfolgebetrieb der Landesforst­verwaltung NRW) im Wald freie Hand lassen, ja sogar froh sind, sich nicht selbst um den Wald kümmern zu müssen. Häufig bekommt der ehren­amtliche Naturschutz nur bruchstück­haft oder nachträglich mit was in den Natura-2000-Gebieten geschieht. Die Lage im übrigen Deutschland dürfte ähnlich sein.

Auswirkungen des Urteils

Natürlich ändert sich durch ein weg­weisendes Urteil eines OVG nicht so­fort die Arbeit der Forstwirtschaft. Ein solches Urteil muss deutschland­weit bekannt gemacht werden. Der ehrenamtliche Naturschutz muss die Forstwirtschaft und die Behörden, insbesondere die örtlichen Unteren Naturschutzbehörden und Forstbehör­den, auf dieses Urteil hinweisen und für die Bewirtschaftung des Waldes in Natura-2000-Gebieten UVPs for­dern für Forsteinrichtungswerke und Forstwirtschaftspläne. Falls es nicht zur Erstellung von UVPs kommt, muss der ehrenamtliche Naturschutz auch bereit sein, zu klagen. Die Ein­beziehung der Naturschutzverbände dürfte die Lage in diesen Gebieten zumindest etwas verbessern. Es wird aber sicher noch mehrere Jahre dau­ern bis UVPs in Natura-2000-Gebieten in Deutschland auch wirklich durchgeführt werden.

Martin Lindner

E-Mail Kontakt mit dem Autor: martin.lindner@ageulen.de

Das Urteil im Originaltext

Dieser Artikel stammt aus dem Eulenrundblick Nr. 71



Eulen-Rundblick 71

Eulenschutz
Breuer W. et al. Bestand und Schutz des Steinkauzes Athene noctua Scopoli 1769 in den nordrhein-westfälischen Kreisen Düren und Euskirchen in den Jahren 2011 bis 2020
Kimmel O. Ein Rückblick auf 48 Jahre mit dem Steinkauz Athene noctua „Vogel des Jahres 1972“
Grosse-Lengerich H. Überraschungen bei der Steinkauzröhrenkontrolle (Athene noctua) in Münster (NRW)
von Harxen R., Stroeken, P. Der Steinkauz in den Niederlanden
Schulte-Illingheim B., Lindner, M. Eulenlöcher in Gebäudegiebeln – Bedeutung eines in Vergessenheit geratenen Elements der Baukultur
Aichner D. Brutplatzwahl und Bruten des Uhus Bubo bubo im niederbayerischen Hügelland und praktizierte Schutzmaßnahmen Supplement
Wurm H., Paar J. Nisthilfen für den Steinkauz im Bezirk Neusiedl am See (Burgen­land, Österreich) – ein erfolgreiches Artenschutzprojekt (siehe unten Videotip)
Petzold, H., Raus, T. Der Beginn der neueren Steinkauz-Forschung im mittleren Westfalen vor 50 Jahren (1968 – 1972)
Aichner, D. Zur Dismigration und Sterblichkeit bei Uhus Bubo bubo in Niederbayern
Eulenbiologie
Kniprath, E. Videobeobachtungen an einer Brut der Schleiereule Tyto alba in Otterwisch 2016 – Teil 3: Gelege und Bebrütung: Einige numerische Analysen
Kniprath, E. Videobeobachtungen an einer Brut der Schleiereule Tyto alba in Otterwisch 2016 – Teil 4: Schlupf der Nestlinge
Kniprath, E. Zur Anwesenheit der Elternvögel über Tag bei Bruten der Schleiereule Tyto alba
Birrer, S. et al. Eine Meta-Analyse zur Nahrung europäischer Eulen – ein Vergleich zwischen Arten und Regionen Referenzen
Keil, H. Überlebensrate und Dispersion im ersten Lebensjahr von Steinkäuzen Athene noctua im Landkreis Ludwigsburg
Achtzehn, J. et al. Die Uhus am Hildesheimer Dom im Jahr 2020
Harms, C. Waldohreulen Asio otus ziehen stadtwärts – vermehrt Brutvorkommen im urbanen Bereich
Kniprath, E. Besser hören zuerst – Hypothese zur Evolution der Eulen
Fabian, K. et al. Temporäre Spezialisierung einer Waldohreule auf die Prädation von Fledermäusen im Trinitatisfriedhof Dresden-Johannstadt
Schmitt, M., Wlodarz,M. Was uns Schleiereulengewölle über die Kleinsäugerfauna am Auberg in Mülheim an der Ruhr (Nordrhein-Westfalen) sagen
Wuntke, B., Goedecke, A. Einige Daten zur Brutbestandssituation der Schleiereule
Kurzmitteilungen
Brandt, A. Kammmolch Triturus cristatus als Uhubeute
Schneider, G. Steinkauz (Athene noctua) löst eine Mehlschwalbenkolonie (Delichon urbicum) auf
Schneider, G. Schleiereulen-Brutausfall durch Rekordtemperaturen
Kontrovers
Schmitt, M. Das Apodemus-Problem – Replik
Kniprath, E. Wie gehen Schleiereulen Tyto alba mit der Hinterlassenschaft eines Brutversuchs von Dohlen Coloeus monedula um?
Kniprath, E. „Typisch Mann“ – auch bei Schleiereulenforschern?





Mama, wie geht Putzen?



Schnee vor dem Kasteneingang

Kein Problem für eine Schleiereule

von Ernst Kniprath und Mario Scholz

22.04.2021

Höherer Schnee auf dem Boden, das ist für eine nahrungssuchende Schleiereule recht problematisch. Die Geräusche der unter dem Schnee lebenden Mäuse werden gedämpft. Dadurch sind sie nicht nur schwieriger zu hören, sondern auch zu lokalisieren.

Wenn nun starker Schneefall und ein außen hängender Brutkasten zusammenfallen, so hätten wir erwartet, dass die hier gelegentlich übertagende Schleiereule aufgeben würde. Sie hat aber nicht (Bildserie). (Man möge die Schieflage übersehen, ein Sturm hatte die Kamera in ihrer Position leicht verändert.)

Der Kasten hängt an der Kirchenaußenwand in Gera-Dorna/Thüringen, ist mit einer Videokamera bestückt und wird vom Zweitautor betreut. Die Bildserie stammt vom 9. Februar 2021, gegen 16:15 Uhr.

Abbildung 1: Der Eingang in den Kasten ist völlig zugeschneit

Abbildung 2: Die Schleiereule fliegt ihn dennoch zielsicher an, …

Abbildung 3: … nimmt Flügel und rechtes Bein zu Hilfe …

Abbildung 4: … bohrt sich durch die Schneewand …

Abbildung 5: …

Abbildung 6: … und ist sicher drin

Korrespondenz: ernst.kniprath@t-online.de



Foto- und Posterwettbewerb bei der 36. Jahrestagung der AG Eulen in Münster 15. – 17.10.2021

Wir möchten, wie schon für 2020 geplant, auch 2021 wieder zu einem Fotowettbewerb zum Thema „Eulen“ aufrufen. Erstmalig wird es auch einen Posterwettbewerb geben.

Die Bilder und Poster sollen bei unserer Jahrestagung in Münster ausgestellt und von den Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmern bewertet werden. Es winken wieder wertvolle Buchpreise. Teilnahmeberechtigt sind nur AG-Eulen-Mitglieder oder Eulenfreundinnen und -freunde, die spätestens auf der Tagung die Mitgliedschaft erworben haben.

Fotowettbewerb

Erwünscht sind Bilder von wildlebenden Eulen oder der Arbeit im Eulenschutz, die die Faszination für diese Vogelgruppe zum Ausdruck bringen. Pro Teilnehmerin und Teilnehmer können maximal drei Bilder eingereicht werden, die nicht bereits bei den letzten Wettbewerben unserer AG eingereicht wurden. Für den Wettbewerb selbst bitten wir, die Fotos nicht mit Namen der Bildautoren zu versehen.

Wir bitten um die Einsendung der Fotos in digitaler Form an fotowettbewerb-2021@ageulen.de. Einsendeschluss ist der 15.09.2021. Mit der Einsendung erklären sich die Bildautorinnen und -autoren mit einer Veröffentlichung im Eulenrundblick, auf unserer Homepage und auf unserer Facebook-Seite einverstanden.

Posterwettbewerb

Poster sind zu allen Themen rund um Eulen möglich. Auch Poster, die bereits bei früheren Tagungen veröffentlicht wurden, sind herzlich willkommen. Allerdings bitten wir auch hier um nicht mehr als drei Poster pro Teilnehmerin bzw. Teilnehmer. Die Poster sollten im Gegensatz zu den Fotos mit Name und Adresse gestaltet werden. Das Format ist frei wählbar. Allerdings bitten wir die Autorinnen und Autoren, Poster bereits ausgedruckt zur Tagung mitzubringen.

Poster mit Kurzfassung bitte bis Mitte Juni an den Vorsitzenden
Michael Jöbges,
Eifelstr. 27
D-45665 Recklinghausen
Tel. 02361-305-3320,
E-Mail: michael.joebges@ageulen.de

In diesem Sinne bitten wir Sie, schauen Sie in Ihre Archive und schicken Sie uns Ihre Bilder bzw. bringen Sie Posterbeiträge mit. Wir sind gespannt!

Und noch eine Bitte: Die Prämierung der besten Bilder und Poster findet zu Beginn der Mitgliederversammlung der AG Eulen am Abend des 16.10.2021 (Samstag) um 20:00 Uhr statt. Es wird darum gebeten, dass die Autorinnen und Autoren anwesend sind oder im Verhinderungsfalle zumindest eine Vertretung beauftragen, die im Falle eines Buchgewinns diesen Preis in Empfang nehmen kann. Wir verschicken Preise nur im Ausnahmefall.



Ankündigung der 36. Jahrestagung der „Deutschen Arbeitsgemeinschaft zum Schutze der Eulen e.V.“

Aufgrund der Covid-19-Pandemie und der damit verbundenen Hygiene- und Abstandsregeln musste die bereits geplante Tagung für 2020 abgesagt werden. Wir hoffen, die 36. Jahrestagung in diesem Jahr durchführen zu können.

Die Tagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Eulen e.V. findet nun vom 15. bis 17.10.2021 in Münster/Westfalen statt. Hierzu laden wir alle Eulenfreunde sehr herzlich ein in die Akademie Franz-Hitze-Haus, Kardinal-von-Galen-Ring 50 in 48149 Münster.

Die Anmeldefrist wurde bis zum 30.08.2021 verlängert.

Schwerpunktmäßig werden bei dieser Fachtagung die Offenlandarten Schleiereule und Steinkauz behandelt. Vorgesehen sind Vorträge zur Situation und Entwicklung (Monitoring) der vorgenannten Eulenarten aus Deutschland, insbesondere aus Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden; zum Lebensraumschutz und zur Habitatpflege sowie zum Thema Gefahren durch Rodentizide. Weitere Vorträge behandeln den Uhu, welcher in Nordrhein-Westfalen ein Dichtezentrum in Deutschland besitzt Am Sonntagvormittag werden 2 Exkursionen mit Bussen angeboten.

Im Gegensatz zu früheren Tagungen müssen Zimmerbuchung/Anmeldung und Bezahlung aller Leistungen des Tagungshotels von der AG Eulen übernommen werden. Alle Anmeldungen und Zahlungen erfolgen daher nur über den Kassenwart Klaus Hillerich.

Vereinsmitgliedern steht unser Online-Anmeldeformular zur Verfügung. (Login über das Mitgliedskonto ist erforderlich.)

Geplant sind wieder eine Foto- und eine Poster-Ausstellung mit Prämierung (s. nachfolgende Info).
Vorträge und Poster mit Kurzfassung bitte bis Mitte Juni an den Vorsitzenden Michael Jöbges, Eifelstr. 27 in D-45665 Recklinghausen, Tel. 02361-305-3320,
E-Mail: michael.joebges@ageulen.de

Vorläufiges Tagungsprogramm der AG Eulen in Münster 2021 (Stand 17.3.2020)
Programm Freitag 20.00 Uhr
NN
Programm Samstag 08:30 Uhr
Dr. Thomas Raus & Helmut Petzhold Anfänge der Steinkauzforschung in Westfalen
Dr. Alexandra Esther, Julius-Kühn-Institut Gefahren durch Rodentizide, Resistenzen gegen Antikoagulantien
Olaf Geiter, Vogelwarte Helgoland Ergebnisse der Eulenberingung in Deutschland
Dr. Christian Harms, Freiburg Mit Mikrofon und Kamera – Uhu-Geheimnissen auf der Spur
Steffen Kämpfer, Uni Osnabrück Brut- und Nahrungsökologie der Sumpfohreule auf den Ostfriesischen Inseln
Hubert Große Lengerich, Münster Steinkauz- und Schleiereulenentwicklung in Münster
Ronald von Harxen, Niederlande Bericht über die Niederländische Steinkauzpopulation
Dr. Simon Birrer, Vogelwarte Sempach, Schweiz Europa – Neue Resultate zu den Eulen aus dem Europäischen Brutvogelatlas EBBA2
Hubert Ortmann, Steinfurt Das Zusammenleben von Waldkauz und Hohltaube
Stephan Grote, Münster Obstweiden und Obstwiese in der westfälischen Kulturlandschaft - Geschichte - Neuanlage - Pflege
Herbert Keil, Ludwigsburg Überlebensrate und Dispersion von Steinkäuzen im Landkreis Ludwigsburg
Exkursionen Sonntag 09:00 Uhr
Hubert Große Lengerich:
Exkursion zu Steinkauz- und Schleiereulen-Lebensraum im Raum Münster
Manfred Röhlen:
Exkursion in das EU-Vogelschutzgebiete Rieselfelder Münster


Anmeldeformular für die 36. Jahrestagung der AG Eulen vom 15. bis 17. Oktober 2021
Mitglieder können sich nach Login mit ihrem Mitgliederzugang Online anmelden.



Dänische Uhu-Webcam

Velkommen til DOF's UgleTV

18.03.21: Das Weibchen brütet.



In friedvoller Eintracht?

Waldkauz und Schleiereule in friedvoller Eintracht!?

Wer nur dieses Bild sieht (Foto: Konrad Peßner), könnte das tatsächlich glauben. Aber die Geschichte dahinter ergibt ein anderes Bild: Der Waldkauz saß im Gebälk des Kirchturms. Nicht allzu weit davon befand sich ein Schleiereulenkasten. Der wurde kontrolliert. Eine Schleiereule saß darin, also optisch und auch sonst gut vom Waldkauz getrennt. Die Schleiereule floh im Kirchturm nach oben und setzte sich auf eine ihr sicher erscheinende Treppenstufe. Den Waldkauz hat sie sicher in der Aufregung nicht bemerkt. Dazu muss man wissen, dass der Waldkauz der Schleiereule deutlich überlegen ist und diese gelegentlich erbeutet (Scherzinger & Mebs 2020: 56).



Zur Rufaktivität des Uhus Bubo bubo unter mitteleuropäischen Bedingungen

13.10.2020

von Christian Harms

Über fünf Jahre wurden im Raum Freiburg (Baden-Württemberg) in 12–16 Uhu-Revieren zwischen Oktober und März zur Hauptrufzeit der Uhus in der Abenddämmerung Verhörungen (akustische Erfassungen) durchgeführt, mit dem Ziel, die Rufaktivität von Uhus unter mitteleuropäischen Bedingungen zu dokumentieren. Die meisten Untersuchungen zur Rufaktivität von Uhus stammen aus dem mediterranen Raum und fanden durchweg unter Schönwetterbedingungen statt, die für Mitteleuropa untypisch sind. Da Bestandserhebungen in der Regel auf der Erfassung rufender Uhumännchen basieren, ist eine solide Kenntnis des Rufverhaltens eine unabdingbare, da erfolgsbestimmende, Grundvoraussetzung.

Bei insgesamt 1101 Verhörungen in den Jahren 2014-2018 wurde 531 Mal ein Uhu registriert, darunter 453 Mal (85 %) ein rufendes Männchen, häufig in Kombination mit der Sichtung des Männchens. Uhuweibchen wurden hingegen weniger häufig durch Rufe oder Sichtung erfasst. In 51 Fällen (9,6 %) wurden bei den Verhörungen nicht-rufende Uhumännchen gesichtet. Unerwartet gingen knapp 15 % aller Reviernachweise von Uhus auf Verhörungen zurück, bei denen die Männchen nicht gerufen haben. Während der Hauptbalz (Januar – März) waren rufende Uhumännchen häufiger zu hören (bei 52,8 % der Verhörungen) als während der Herbstbalz (Oktober – Dezember; 30,5 %). Ein Großteil der Rufaktivität im Herbst dient der Markierung des Reviers, während im 1. Quartal des Jahres die Rufaktivität überwiegend im Zeichen der Fortpflanzung steht.

Sowohl Rufaktivität als auch Sichtungen waren häufiger bei klarem als bei bedecktem Himmel, vor allem im Herbstquartal. Temperatur, Windstärke, Regen oder Nebel hatten keinen merklichen Effekt auf die Rufaktivität der Uhumännchen. Ein stimulierender Effekt von Vollmondbeleuchtung, wie in einer Studie von Penteriani et al. (2010) postuliert, konnte in unserer Untersuchung nicht festgestellt werden. Fast ein Viertel aller Rufbeginne von Männchen fand bereits vor Sonnenuntergang statt, vor allem im 1. Quartal; zumeist handelte es sich dabei um Kontaktrufe des Männchens und nicht um Rufserien zur Reviermarkierung. Über alle Verhörungen gerechnet lag der durchschnittliche Rufbeginn bei 12 Minuten nach Sonnenuntergang bei einer Spannweite von 51 Minuten vor bis 74 Minuten nach Sonnenuntergang.

Bei bedecktem Himmel fingen die Uhumännchen etwa 7 Minuten früher an zu rufen als bei klarem Himmel, und während der Hauptbalz etwa 10 Minuten früher als im Herbstquartal. Die Rufaktivität endete im Durchschnitt zwischen 31 Minuten (Hauptbalz) und 41 Minuten (Herbstquartal) nach Sonnenuntergang, und früher bei bedecktem als bei klarem Himmel. Unabhängig von Jahreszeit und Himmelsbedeckung lag die mittlere Rufdauer der Uhumännchen bei etwa 24 Minuten. Dabei wurden pro Verhörung durchschnittlich 3,3 Rufserien von 2,3 Sitzpositionen abgesetzt. Die Gesamtzahl der erfassten Rufe bei den Verhörungen 2014-2018 belief sich auf 21‘667, davon entfielen 57 % auf das 1. Quartal. Pro Verhörung waren zwischen 1 und 391 Rufe zu vernehmen (Mittelwert 58).

Wer sich ausführlicher über diese Untersuchung informieren möchte, findet den vollständigen Artikel unter www.researchgate.net/profile/Christian_Harms2 zum Lesen oder zum Download als pdf. Unter diesem Link sind weitere Publikationen des Autors abrufbar und stehen in Form von pdf’s zum Herunterladen zur Verfügung. Dort wird auch das Thema „Rufaktivität von Uhus unter dem Einfluss von Mondlicht“ ausführlich behandelt. Der vollständige Artikel zur Rufaktivität von Uhus (Orn. Beob. 117: 198-219, 2020) kann auch über die Webseite des Ornithologischen Beobachters (https://ala-schweiz.ch/index.php/ornithologischer-beobachter/artikel-suche?indexid=16519) bezogen werden.

E-Mail Kontakt mit dem Autor: cth-frbg@go4more.de



Eulenrundblick 70 & 71

23.09.2020

Der Eulenrundblick 70 / 2020 ist erschienen! Für das nächste Heft werden noch Manuskripte angenommen. Zur Einstimmung hier ein Artikel dem aktuellen Heft Eulenrundblick 70:



Fakten zum Einsatz von Rodentiziden in Deutschland

Martin Lindner

Einleitung

Als ich Anfang 2019 als Zuständi­ger für Eulenschutz der AG Eulen auf das Thema Rodentizide angesprochen wurde, ahnte ich nicht, wie kompli­ziert das Thema ist. (Typisch ist, dass die drei Behörden Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Bundesamt für Verbraucher­schutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und Umweltbundesamt (UBA), welche für die Zulassung von Rodentiziden zuständig sind, nicht einmal ihre Informationen abstimmen oder zumindest ihre Infos auf den Home­pages mit denen der beiden anderen Behörden verlinken.) Der Unterschied von Biozid-Rodentiziden und Pflanzenschutz-Rodentiziden ist dem Lai­en erst einmal nicht klar. Dieser Arti­kel behandelt nur aktuell in Deutsch­land zugelassene Wirkstoffe.

Wirkstoffe von Rodentiziden

Rodentizide sind chemische Mittel zur Bekämpfung von Nagetieren wie Feldmäuse, Hausmäuse und Wander­ratten. Die Wirkstoffe werden außerhalb Europas auch gegen andere Ar­ten wie Kaninchen oder Opossums eingesetzt. Es kommen dabei in Euro­pa aktuell vor allem zwei Wirkstoff­gruppen legal zum Einsatz. Dabei handelt es sich um antikoagulante Rodentizide (AR) und Mittel mit Phosphiden. Die verschiedenen Wirkstof­fe werden unter verschiedenen Mar­kennamen verkauft. Wichtig ist noch der Hinweis, dass z.B. eine bekann­te Rodentizid-Marke wie Ratron mit verschiedenen Wirkstoffen verkauft wurde und wird.

Es wird in der EU zwischen Biozid-Rodentiziden und Pflanzenschutz-Rodentiziden (PSM) unterschie­den. Biozid-Rodentizide werden zum Schutz der menschlichen und tieri­schen Gesundheit sowie von Men­schen hergestellter Produkte einge­setzt. Sie dürfen in und an Gebäuden, in der Kanalisation, zum Schutz von Deichen, auf Mülldeponien, in Parks und auf Golfplätzen eingesetzt wer­den. Hier erstaunt insbesondere, war­um der Einsatz von AR auf Golfplät­zen erlaubt ist, da hier kaum mit Problemen für Gesundheit, Schutz und Hygiene von Menschen argumentiert werden kann. Pflanzenschutz-Rodentizide dürfen zum Pflanzenschutz im Vorratsbereich, auf Landwirtschafts­und Forstflächen eingesetzt werden. Als Biozid-Rodentizide werden legal fast nur AR-Wirkstoffe und als Pflanzenschutz-Rodentizid Zinkphosphid verwendet (Umweltbundesamt 2018, BVL Homepage).

Antikoagulante Rodentizide

AR sind Cumarinderivate, welche die Blutgerinnung verringern, die Blutge­fäße durchlässig machen und durch innere Blutungen zu einem anhalten­den Siechtum führen. Das Siechtum endet mit Verbluten und Schock töd­lich, typischerweise erst nach 3-7 Tagen (Umweltbundesamt 2018). Über die Wirkung subletaler Dosen (nicht tödliche Dosis), insbesondere auf Nichtzielarten wie Eulen, sind kaum Informationen erhältlich. Aus der ty­pischen Wirkungsweise ergibt sich aber zwangsläufig, dass auch nicht­tödliche Dosen bei den betroffenen Tieren Krankheitssymptome (inne­re Blutungen und alle dadurch ver­ursachten Organschäden) auslösen und möglicherweise zu langanhalten­den chronischen Erkrankungen füh­ren können. Wie sich dies bei wildle­benden Tieren auswirkt, scheint bis­her nicht untersucht worden zu sein. Die Wirkung des Giftes tritt erst nach ca. 6 Stunden nach dem Fressen ein, und das Wirkmaximum wird erst nach 36 bis 48 Stunden erreicht. Durch den verzögerten Eintritt der Wirkung zählen AR zu den wirksamsten Be­kämpfungsmitteln gegen Nager. Da die Wirkung der AR auf Nager nicht unmittelbar nach der Aufnahme des Giftes eintritt, wird ein Lerneffekt bei den Nagern vermieden. Hierdurch entwickeln die Zielarten keine Köder­scheu. Gleichzeitig führt die verzö­gerte Wirkung dazu, dass vergiftete Tiere den Wirkstoff über den Einsatz­ort hinaus verschleppen können, und dass das Gift in der Natur verbreitet wird (Umweltbundesamt 2018, Ja­cob et al. 2018).

Die Symptome einer Vergiftung mit AR können mit Vitamin-K-Behandlung bekämpft werden (Campbell & Chapman 2000). Allerdings ist die Halbwertszeit bzw. Persistenz (Be­ständigkeit gegenüber chemisch-phy­sikalischem und biologischem Ab­bau) der AR, insbesondere der AR der zweiten Generation, die sich im Leberfett einlagern, sehr lang, bis zu mehreren Monaten. Die Wirkung des aufgenommenen Giftes wird durch die Behandlung mit Vitamin-K nicht verringert. D.h. eine Behandlung kann die Vergiftung nicht sofort be­seitigen, nur die Symptome unterbin­den (BVL Homepage).

Insbesondere der Wirkstoff Brodifacoum, welcher insbesondere zur Rat­tenbekämpfung an Viehhaltungen eingesetzt wird, hat eine hohe Persis­tenz. Brodifacoum bleibt lange Zeit unverändert durch physikalische, chemische oder biologische Prozes­se in der Umwelt (Halbwertszeit: 20­-130 Tage) (Wikipedia Artikel Brodifacoum). Einerseits ist die Persistenz als Stabilität oder Haltbarkeit bei der Anwendung erwünscht, andererseits ökologisch für die Umwelt proble­matisch. In Laborratten hatte Brodifacoum eine Halbwertszeit von 113,5 Tagen, beim Wirkstoff Warfarin wa­ren es nur 26,2 Tage. Spuren von Brodifacoum können u.U. noch nach 24 Monaten nachgewiesen werden. Daher kommt es z.T. zur Bioakkumula­tion (Anreicherung einer Substanz in einem Organismus) von AR, da Beu­tegreifer die Wirkstoffe mit der Beu­te aufnehmen, aber Abbau und Aus­scheidung nur sehr langsam erfolgen (Jacob et al. 2018).

Abbildung: Bushaltestelle in Sacramento mit Poster Rat poison is wildlife poison (Rattengift ist Wildtiergift) des Vereins Raptors Are The Solution (Foto: Pamela Rose Hawken)

Es werden AR der ersten und zwei­ten Generation unterschieden. AR der ersten Generation, Abkürzung FGAR, sind Warfarin, Chlorphacinon und Coumatetralyl. AR der zwei­ten Generation, Abkürzung SGAR, sind Brodifacoum, Bromadiolon, Difenacoum, Difethialon und Flocou- mafen. Die AR dürfen in der Regel nur bei Befall mit Nagern eingesetzt werden. Nur die Wirkstoffe Bromadiolon und Difenacoum dürfen unter gewissen Voraussetzungen zur be­fallsunabhängigen Dauerbeköderung verwendet werden (Umweltbundes­amt 2018). Bei FGAR müssen Nager mehrfach Köder fressen um eine töd­liche Dosis zu erhalten, während bei SGAR eine Einzeldosis reicht (Na­tional Pesticide Information Center Homepage).

Zur Wanderrattenbekämpfung sollten FGAR und weniger starke SGAR im­mer als erste Wahl angesehen werden (Berny et al. 2014). Es gibt bei Wan­derratten im Nordwesten Deutsch­lands und bei Hausmäusen an ver­schiedenen Orten in Deutschland Resistenzen gegen die AR Warfa­rin, Chlorphacinon, Coumatetralyl, Bromadiolon und Difenacoum. Die­se Resistenzen machen es notwendig, dass in den Resistenzgebieten die to­xischeren AR Brodifaoum, Flocoumafen oder Difethialon für eine er­folgreiche Bekämpfung eingesetzt werden müssen. Da Hausmäuse häu­fig Resistenzen gegen FGAR aufwei­sen, werden SGAR als erste Wahl zur Bekämpfung von Hausmäusen ge­nutzt (Homepage Julius Kühn-Insti­tut, Berny et al. 2014).

AR sind heute die weltweit am häu­figsten eingesetzten Rodentizide. Of­fenbar werden SGAR in Deutschland insbesondere in der industriellen Massen-Viehhaltung zur Bekämpfung von Schadnagern eingesetzt. Eine Schad­nagerbekämpfung ist aktuell bei der Haltung von z. B. Schweinen sogar vorgeschrieben. Eine Studie des UBA fand einen Zusammenhang zwischen Regionen mit hoher Großviehdichte und der Häufigkeit von SGAR in Pro­ben von Füchsen (Jacob et al. 2018). Als Risikominderungsmaßnahme dürfen AR nur in Köderboxen so­wie in verdeckten Bereichen, zu de­nen Nicht-Zielarten keinen Zugang haben, ausgebracht werden. Daher ist eine Köderausbringung ohne Köder­boxen auch in der Kanalisation, ge­schlossenen Kabeltrassen, Rohrlei­tungen, Hohlräumen in Wänden und Wandverkleidungen erlaubt. Auch die Ausbringung in Mäuse- und Ratten­löchern ist erlaubt (Umweltbundes­amt 2018). Es gab in der Zeit vom 4. September 2007 bis zum 2. Januar 2008 wegen einer Mäusegradation die bundesweite Ausnahmegenehmigung als Notfallzulassung, das AR Chlorphacinon und Zinkphosphid flächig auf landwirtschaftlichen Flächen aus­zubringen. Es kam aber anscheinend nur lokal in NW, NI, SH und ST zur offenen Ausbringung von Giftködern. Dies dürfte u.a. auf die damals not­wendige, zusätzliche Ausnahmege­nehmigung durch die örtliche Unte­re Naturschutzbehörde zurückzufüh­ren sein (Illner 2008). Die vorerst letzte Notfallzulassung zur flächigen Ausbringung erfolgte am 12. August 2015 (Lindeiner 2015). Über den Umfang der Anwendung in Deutsch­land 2007/2008 und 2015 liegen an­scheinend keine deutschlandweiten Daten vor. Die AG Eulen forderte schon 2007 vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ein systematisches Monitoring der Auswirkungen von zugelassenen Rodentiziden auf Nicht­zielarten, ferner ein Verbot der An­wendung in EU-Vogelschutzgebieten und ein Verbot einer flächigen Aus­bringung (Illner 2008).

Anwender von SGAR müssen in Deutschland seit 2018 einen Sachkun­denachweis mit Teilnahmezertifikat eines entsprechenden Kurses besit­zen. In den Kursen muss Sachkunde nach Anhang I Nr.3 der Gefahrstoff­verordnung (GefStoffV) und Sach­kunde nach Pflanzenschutz-Sach­kundeverordnung (PflSchSachkV) gelehrt werden. Wobei eine Freigabe und/oder Zertifizierung von Kursen zur Erlangung der Sachkunde durch die Behörden nicht notwendig ist. Es gibt zur Anwendung weitere Vorschriften wie die Risikominderungs­maßnahmen (Umweltbundesamt 2018). Früher wurden alle SGAR auch frei für Jedermann verkauft und legal angewendet. Diese neueren Auflagen sollen nicht nur unabsichtliche Vergif­tungen von Menschen und Haustieren verhindern, sondern auch vermeiden, dass sich AR unkontrolliert in natürli­chen Lebensgemeinschaften ausbrei­ten. FGAR können aber weiterhin auch ohne Sachkundenachweis ange­wendet werden (BAuA Homepage).

Gefährdete Organismen durch Einsatz von AR

Heute werden fast nur AR als Biozid-Rodentizid in Deutschland eingesetzt. AR wirken in unterschiedlichen, meistens geringen Dosen tödlich auf Säugetiere einschließlich des Men­schen, auf Vögel, Fische und sons­tige Wirbeltiere, aber auch z.B. auf Flohkrebse und sogar Algen (Mrasek 2019, Umweltbundesamt 2012). Auch bei vorschriftsgemäßem Einsatz von AR können Nicht-Zielarten, wie z.B. Spitzmäuse, vergiftet werden. Dies kann entweder über die direkte Köderaufnahme geschehen (primäre Vergiftung) oder über die Aufnahme belasteter Beute oder Aas (sekundä­re Vergiftung). So können Beutegrei­fer wie Uhu, Schleiereule, Waldkauz, Turmfalke, Mäusebussard, Rotmilan oder Fuchs sekundär vergiftet werden (Jacob et al. 2018). Der Rückgang von Schleiereulen in Teilen Europas wur­de schon vor Jahren mit dem Einsatz von SGAR in Verbindung gebracht (Newton et al. 1990). In jüngerer Zeit wurden wiederholt Todesfälle von Uhus auf sekundäre Vergiftungen zu­rückgeführt, obwohl leider keine Un­tersuchungen auf den Wirkstoff vor­liegen. Da Steinkäuze häufig um und auch in landwirtschaftlichen Gebäu­den leben bzw. brüten, dürften die­se auch mit AR belastet sein. Aber es scheint keine Daten dazu zu geben. Es gibt keine umfassende Übersicht über das Ausmaß der Vergiftungen und die Umweltbelastung insgesamt durch AR. Es gibt aber eine Vielzahl wis­senschaftlicher Untersuchungen, die Rückstände von AR in wildlebenden Nicht-Zieltieren und damit eine Gefährdung dieser Tiere sowohl in Euro­pa als auch auf anderen Kontinenten dokumentieren. So wurden AR-Rück­stände unter anderem in Schleiereu­len (Newton et al. 1990 Großbritan­nien, Walker et al. 2013 Großbritannien, Saravanan & Kanakasabai 2004 Indien, Albert et al. 2010 Ka­nada, Christensen et al. 2012 Däne­mark), Waldkäuzen (Walker et al. 2008 Großbritannien), Waldohreulen (Christensen et al. 2012 Dänemark), Virginia-Uhus (Albert et al. 2010 Kanada, Stansley et al. 2013 USA), Streifenkauz (Albert et al. 2010 Ka­nada), Kuckuckskäuzen (Lohr 2018 Australien), Turmfalken (Shore et al. 2006 Großbritannien, Christensen et al. 2012 Dänemark, Walker et al. 2013 Großbritannien), Mäusebussar­den (Christensen et al. 2012 Däne­mark, Berny et al. 1997 Frankreich, Walker et al. 2013 Großbritannien), Rotmilan (Christensen et al. 2012 Dänemark, Walker et al. 2013 Groß­britannien) Steinadlern (Langford et al. 2012 Norwegen), Rotschwanz­bussard (Stansley et al. 2013 USA), aber auch Iltissen (Shore et al. 1996 Großbritannien), Nerzen (Fournier- Chambrillon et al. 2004 Frank­reich), Wieseln (McDonald et al. 1998 Großbritannien), Igeln (Dow­ding et al. 2010 Großbritannien) und Füchsen (Tosh et al. 2011 Großbritan­nien, McMillin et al. 2008 USA, Ja­cob et al. 2018 Deutschland) nachge­wiesen. Neben räuberischen Säugern und Vögeln, die kontaminierte Mäuse oder Ratten fressen, sind aber auch sa­men- oder körnerfressende Vögel be­troffen, die den häufig aus Getreide bestehenden Köder direkt fressen, sofern dieser offen ausgebracht wurde (Eason et al. 2002 Neuseeland).

Der Umfang der Untersuchungen, d. h. die Zahl der untersuchten Tiere so­wie die Dauer und das räumliche Aus­maß der Untersuchungen, variiert von Nachweisen der AR in einigen Indivi­duen einer bestimmten Region bis hin zu jahrelangen Untersuchungen gan­zer Populationen in einzelnen Län­dern. Der prozentuale Anteil der in diesen Studien untersuchten Tiere, die Rückstände von AR aufwiesen, schwankt dabei von 10 % bis zu 97 %. So haben Walker et al. (2008) in 20 % (33 von 172) der untersuchten Waldkäuze in Großbritannien Rück­stände von mindestens einem AR- Wirkstoff festgestellt. In einer Stu­die aus Schottland wurden bei 70 % von insgesamt 114 untersuchten Rot­milanen Rückstände von AR nach­gewiesen (Hughes et al. 2013). Bei Untersuchungen in Dänemark wie­sen nahezu alle untersuchten Wiesel (124 von 130) Rückstände von AR auf (Elmeros et al. 2011). In einer spani­schen Studie wurden bei 39 % (155) von 401 untersuchten Nicht-Zieltie­ren Rückstände von Antikoagulanzi­en nachgewiesen, wobei in 140 Fällen eine tödliche Wirkung dieser Stoffe nicht ausgeschlossen werden konn­te (Sanchez-Barbudo et al. 2012). In Nordirland wurden bei 84 % aller untersuchten Füchse (insgesamt 115) Rückstände von Antikoagulanzien nachgewiesen (Tosh et al. 2011).

2018 kam eine vom Julius Kühn-In­stitut im Auftrag des UBA durchge­führte Studie zu AR-Rückständen von den acht antikoagulanten Rodentizide Brodifacoum, Bromadiolon, Chlorphacinon, Coumatetralyl, Difenacoum, Difethialon, Flocoumafen und Warfarin bei Nichtzielarten her­aus (Jacob et al. 2018). Dies war die erste größere Studie zum Thema in Deutschland. Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl in verschiedenen Klein­säugerarten, wie zum Beispiel Wald- und Spitzmäusen, die nicht Ziel der Bekämpfung und teilweise besonders geschützte Arten sind, als auch in Eu­len und Greifvögeln, hier vor allem Mäusebussarden, Rückstände von AR nachweisbar sind (Geduhn et al. 2016, Jacob et al. 2018). Auch wur­den in 61 % von insgesamt 265 unter­suchten Leberproben von geschosse­nen Füchsen aus verschiedenen Teilen Deutschlands Rückstände von Anti­koagulanzien gefunden (Jacob et al. 2018). Die Rückstände von AR wur­den hauptsächlich in der Leber be­reits verstorbener Tiere analysiert. Darüber, ob die gemessenen Konzen­trationen direkt tödlich bzw. todes­ursächlich waren, kann man oft kei­ne konkrete Aussage treffen (Thomas et al. 2011). In 32% der 63 Eulen- und Greifvogelproben, meist Verkehrs­opfer oder verhungerte Tiere, kamen AR-Rückstände vor. AR-Rückstände wurden vor allem in Mäusebussarden (39%, n=18), Rotmilanen (80%, n=5) und Schleiereulen (57%, n=7) nach­gewiesen, also in Arten, die vorzugs­weise Mäuse jagen. Arten, die häufig in der Umgebung von Gehöften jagen, wie dies bei Schleiereulen und Rotmi­lanen vorkommt (weniger bei Mäuse­bussarden), sind anscheinend stärker betroffen. Rückstände konnten in al­len untersuchten Kleinsäugerarten nachgewiesen werden. Diese Klein­säuger wurden an Viehhaltungen ge­fangen und fressen ebenso wie Ratten die Köder mit ARs. Apodemus-Arten wiesen häufig und z.T. hohe Rück­stände auf (Jacob et al. 2018).

Erst 2018 wurden Rückstände von AR in Deutschland erstmalig in Fischen nachgewiesen (Kotthoff et al. 2018). Im Rahmen einer vom UBA in Auf­trag gegebenen Untersuchung durch das Fraunhofer Institut für Moleku­lare Biologie und Angewandte Öko­logie wurden Leberproben von Bras­sen (Abramis brama) aus den größten Flüssen in Deutschland - darunter Do­nau, Elbe und Rhein sowie aus zwei Seen untersucht. In allen Fischen der bundesweit 16 untersuchten Fließge­wässer-Standorte im Jahr 2015 wurde mindestens ein SGAR nachgewiesen. Lediglich in Proben von Fischen aus den beiden Seen wurde keine Belas­tung festgestellt. In fast 90 % der 18 untersuchten Fischleberproben wur­de Brodifacoum mit einem Höchst­gehalt von 12,5 µg/kg Nassgewicht nachgewiesen. Difenacoum und Bromadiolon kamen in 44 bzw. 17 % der Proben vor. Die Ergebnisse verdeut­lichen, dass nicht nur auf dem Land lebende Tiere, sondern auch Wasser­organismen mit Rodentiziden belastet sind. Obwohl eine akute Gefährdung von Wasserorganismen durch Ein­träge von AR in Gewässer nicht an­zunehmen ist, besteht insbesondere bei SGAR die Gefahr der Anreiche­rung über die aquatische Nahrungs­kette. Auf welchen Wegen AR in Ge­wässer gelangen, wird derzeit in ei­nem vom UBA in Auftrag gegebenen Forschungsprojekt von der Bundesan­stalt für Gewässerkunde in Koblenz untersucht. Eine mögliche Eintragsquelle stellt der Einsatz von antiko­agulanten Rodentiziden zur Bekämp­fung von Ratten in der Kanalisation dar (Kotthoff et al. 2018).

Allgemein liegen die festgestellten Konzentrationen in der Leber meist im µg/g (1 Mikrogramm (µg) = 1 Millionstel Gramm) bis ng/g (1 Nano­gramm (ng) = 1 Milliardstel Gramm)- Bereich, wobei artspezifisch unter­schiedliche Konzentrationen zum Tod führen können. Nachweislich durch Antikoagulanzien getötete Schleier­eulen zum Beispiel wiesen Konzent­rationen im einstelligen µg/g-Bereich auf (Newton et al. 1990). Es ist da­her davon auszugehen, dass die nach­gewiesenen Konzentrationen mitun­ter tödlich für die untersuchten Tiere gewesen sind. Abgesehen von tödli­chen Effekten sind langfristige Aus­wirkungen auf das Verhalten und die Fortpflanzung der Tiere wegen des hohen Potentials von AR zur An­reicherung in Lebewesen anzuneh­men. Aus den vorliegenden Studien kann man schlussfolgern, dass über­all dort, wo AR als Rodentizide ein­gesetzt werden, davon auszugehen ist, dass auch Nicht-Zieltiere diese Gifte - sei es direkt oder indirekt - aufneh­men und es in diesen nachweisbar ist (Erickson & Urban 2004, Laasko et al. 2010). Denn das Risiko der Sekun­därvergiftung von Wildtieren lässt sich nur minimieren, völlig vermei­den lässt es sich nicht.

Auch nach einem Verbot des Einsat­zes von AR ist noch lange Zeit mit dem Auftreten von AR in der Umwelt zu rechnen. Wie wissenschaftlich nachgewiesen, sind mehrere Wirk­stoffe unabhängig von aktuellen Ein­satzkampagnen zur Schadnagerbe­kämpfung in der Umwelt bereits weit verbreitet.

Die Wirkung der SGAR ist mit lan­ganhaltendem Siechtum und schwe­ren Krankheitssymptomen verbun­den. Die Wirkungsweise ist zwei­fellos nicht tierschutzgemäß, da die langsame Wirkung mit verzögerter Mortalität absichtlich angestrebt und das damit verbundene lange Leiden billigend in Kauf genommen wird. Selbst wenn die über die Nagerbeute aufgenommene Dosis von AR für Eu­len und Greife nicht tödlich ist, kann es zu Sinnes- und Fitness-Störungen kommen, welche die Mortalität z.B. durch Anflüge an Stacheldrahtzäune usw. erhöht oder die Nahrungsversor­gung von Bruten behindert.

Es findet aktuell in Deutschland kein richtiges Monitoring zur Be­lastung von Nichtzielarten mit AR statt. In Deutschland, Frankreich und Großbritannien fanden verschiedene Kurzzeituntersuchungen statt. Das einzige Langzeitmonitoring zur Be­lastung einer Nichtzielart mit AR findet seit 1997 an der Schleiereu­le durch das UK Predatory Bird Mo­nitoring Scheme in Großbritannien statt (Walker et al. 2013). 2014 hielt ein EU Report ein Monitoring bzw. Screening der EU-Mitgliedstaaten auf SGAR für notwendig. Dabei soll­te neben Monitoring auf SGAR, die Beteiligung von SGAR an der Sterb­lichkeit von Wildtieren bei Verdacht auf Vergiftung und die wahrschein­lichen Auswirkungen der subleta­len SGAR-Rückstandsmengen auf die Wildtierarten untersucht werden. Eine Zusammenstellung solcher Da­ten für die ganze EU sollte erfolgen (Berny et al. 2014).

Rodentizide mit Phosphiden

In Deutschland sind aktuell Rodentizide mit den Wirkstoffen Zinkphosphid, Aluminiumphosphid, Magnesiumphosphid und Calciumphosphid vom BVL als Pflanzenschutzmittel, also zum Einsatz auf land- und forst­wirtschaftlichen Flächen, zugelassen. Vor allem Zinkphosphid wird aktu­ell als Fraßgift in Ködern eingesetzt. Deshalb befassen sich die folgenden Ausführungen nur mit Zinkphosphid. Zinkphosphid ist ein schnell wirken­des Akutgift, das aktiv von den Ziel­organismen gefressen werden muss. Nach der Köderaufnahme entsteht bei Kontakt von Zinkphosphid mit der Magensäure eine Zersetzung in giftigen Phosphorwasserstoff (Phos­phin) und tötet die Nager. Phosphin ist ein farbloses, zytotoxisches Gas, das schwerer als Luft ist. Es ist ein star­kes Stoffwechsel- und Nervengift und blockiert wichtige Enzymsysteme des Körpers. Über die zentrale Atemläh­mung, Lungenödeme und Kollaps führt es zum Tod. Bei den anderen Phosphiden ist die Wirkung ähnlich (BVL Homepage).

Die Gefahr einer Anreicherung des Giftes bei Nichtzielarten (Bioakku­mulation) wird von Behörden wie die Europäische Chemikalienagen­tur (ECHA) als unwahrscheinlich an­gesehen. Vergiftete Zielnager sterben gewöhnlich in ihren Bauen. Studien zur Adsorption, zum Metabolismus und zur Ausscheidung von aufge­nommenem Zinkphosphid bei Ratten zeigten, dass das entstandene Phos­phin nach der Oxidation zu Hypophosphit oder Phosphat schnell und vollständig durch Ausatmen oder über den Urin ausgeschieden wurde. Die­se Phosphin-Metaboliten sind weni­ger toxisch als Phosphin selbst. Eine subletale Dosis kann bei überleben­den Nagetieren eine Abneigung ge­gen Zinkphosphid-Köder hervorru­fen (englisch sprachige Wikipedia Artikel Zinc phosphide). Der Geruch von Zinkphosphid zieht Nagetiere an, wirkt aber abstoßend auf andere Tie­re; Vögel sind jedoch nicht geruchs­empfindlich. Ein Risiko, dass Beu­tegreifer durch Aufnahme vergifte­ter Nager zu Schaden kommen, ist bei diesem Wirkstoff also laut ECHA nicht gegeben (ECHA Homepage).

Aus zurückliegenden Jahren gibt es vereinzelt Berichte über Vergiftun­gen bei Haus- oder Wildtieren, die fast alle nachweislich auf unsachge­mäße oder gar vorsätzliche Ausbrin­gung zurückzuführen waren. Bei ei­nigen Fällen konnte kein abschließen­der Nachweis für Fehlanwendungen oder Frevel erbracht werden, der Ver­dacht liegt aber nahe. In keinem Fall konnte ein Vergiftungsfall bei sachge­rechter Anwendung festgestellt wer­den (BVL Homepage).

Der Köder mit Zinkphosphid muss unter Verwendung einer handelsübli­chen Legeflinte tief und unzugänglich für Vögel in die Nagetiergänge einge­bracht oder mit in einer Köderstation ausgebracht werden. Es dürfen keine Köder an der Oberfläche zurückblei­ben (BVL Homepage).

Zinkphosphide sind weit weniger um­weltgefährlich als AR, werden aber nicht als Biozid-Rodentizid einge­setzt, weil Nager, insbesondere Wan­derratten, eine Köderscheu entwi­ckeln können und Zinkphosphid da­her nicht so wirksam ist wie AR.

Beschränkungen bei Einsatz von Zinkphosphid

Das BVL hat Anwendungsbestim­mungen zum Schutz von Nichtziel­arten erlassen. Es wurde Ende 2018 die Anwendung in FFH- und Vogel­schutzgebieten, auf Rastplätzen von Zugvögeln während des Vogelzu­ges und in Vorkommensgebieten des Feldhamsters sowie der Haselmaus, Birkenmaus und Bayerischen Klein­wühlmaus in bestimmten Zeiten ver­boten. Um Rastplätze von Zugvögeln während des Vogelzuges nicht zu ge­fährden, sollen Anwender Auskünfte zu aktuellen Rastplätzen von Zugvö­geln bei der örtlich zuständigen Unte­ren Naturschutzbehörde einholen und die Auskunft der Behörde dokumen­tieren.

Die Bayerische Kleinwühlmaus ist in Deutschland verschollen. Die Bir­kenmaus, richtiger die Waldbirken­maus, kommt nur sehr lokal im Baye­rischen Wald, in den Allgäuer Alpen und in flachen bewaldeten Bereichen in Schleswig-Holstein vor. Die Anwendung ist vom 1. März bis 31. Ok­tober in Vorkommensgebieten der Birkenmaus verboten. Bei der Hasel­maus liegt eine Verbreitung in ganz Deutschland vor, aber die Verbrei­tung ist oft nur lückenhaft oder re­gional begrenzt. Die Anwendung ist in aktuell nachgewiesenen Vorkom­mensgebieten nur in einem Umkreis von 25 m um Bäume, Gehölze oder Hecken zwischen dem 1. März und 31. Oktober verboten. Der Feldhams­ter ist heute in weiten Teilen Deutsch­lands vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben wie in Mecklen­burg-Vorpommern und Brandenburg. In Nordrhein-Westfalen ist der Feld­hamster ausgestorben und es gibt ein Programm zur Züchtung und Auswilderung (Angaben zur Verbreitung der Nager aus jeweiligen Wikipedia Ar­tikeln, Schmidt mündlich). Die An­wendung in aktuell nachgewiese­nen Vorkommensgebieten des Feld­hamsters war zwischen 1. März und 31. Oktober verboten. Vor Anwen­dung muss zuvor durch die Lochtret­methode (mind. 20 wiedergeöffnete Löcher/250 m² nach 24 Stunden) die Bekämpfungswürdigkeit nachgewie­sen werden. Die Köder müssen ver­deckt in Nagerbauen und Köderstati­onen ausgebracht werden. Wobei im Vorkommensgebiet des Feldhams­ters in Flächen mit Obstbaukulturen, in denen der Feldhamster nicht vor­kommt, das Verbot nicht gilt (BVL Homepage).

Die Anwendung von Zinkphosphid mit Köderstationen, die mechanisch stabil, witterungsresistent und mani­pulationssicher sind, ist aber seit dem November 2019 wieder erlaubt in Vor­kommensgebieten der oben genannten Mäusearten, Natura 2000 Gebieten und auf Rastplätzen von Zugvögeln während des Vogelzuges. Die Kö­derstationen sollen möglichst unzu­gänglich für Nichtnager ausgebracht werden. Die Öffnung der Ködersta­tionen darf nicht größer als 6 cm im Durchmesser sein, damit der streng geschützte Feldhamster nicht an die Giftködern gelangt. Vor einer An­wendung in FFH- und Vogelschutz­gebieten ist nachweislich sicherzu­stellen, dass die Erhaltungsziele oder der Schutzzweck maßgeblicher Be­standteile des Gebiets nicht erheblich beeinträchtigt werden (BVL Home­page). Der Einsatz von Mäuseköder­legemaschinen, wie der WUMAKI C 9, ist seit 2018 verboten. Der WU-MAKI C 9 legt, mit einem speziellen Pflugschar, einen künstlichen Mäu­segang in einer Tiefe von 15 bis 25 cm an und legt darin Rodentizide ab (Schmidlin 2014). Früher wurden Köder auch einfach mit dem Mist­streuer ausgebracht.

Die hier aufgeführten Regelungen des BVL zum Einsatz von Zinkphosphid sind Cross-Compliance-rele­vant. Cross-Compliance, übersetzbar als „Übergreifende Regeltreue“, wird im deutschsprachigen Raum auch als „anderweitige Verpflichtungen“ be­zeichnet. Cross-Compliance-relevant bedeutet, dass bei Regelwidriger An­wendung EU-Agrarsubventionen ge­kürzt bzw. gestrichen werden können. Zur Kontrolle der Cross-Compliance- Regelungen werden in Deutschland jährlich mindestens 1% der Emp­fänger von EU-Agrarsubventionen bei Anlasskontrollen und bei Mittei­lung von Verstößen durch Dritte, wie die Veterinär- oder Umweltbehörden, kontrolliert. Werden die festgelegten Verpflichtungen nicht erfüllt, kommt es je nach Schwere, Ausmaß, Dauer oder Häufigkeit des Verstoßes zur Kürzung von bis zu 100 Prozent der Beihilfezahlungen für ein oder meh­rere Kalenderjahre. Dazu werden die Verstöße der unterschiedlichen Berei­che als leicht, mittel oder schwer ge­wichtet, als vorsätzlich oder fahrläs­sig bewertet und außerdem hängt die Sanktion davon ab, ob es ein erster oder wiederholter Verstoß war. Der Einsatz von Biozid-Rodentiziden scheint hingegen nicht Cross-Compli­ance-relevant zu sein (Wikipedia Ar­tikel Cross-Compliance).

Wirkstoffe Choralose, Hydrogen­cyanid und Cholecalciferol

Neben den bisher behandelten Wirk­stoffen sind noch die Wirkstoffe Choralose, Hydrogencyanid und Cholecalciferol zugelassen. Bei Chloralose handelt es sich um ein leistungsstar­kes Narkosemittel, das innerhalb nur weniger Stunden wirksam wird. Es wirkt wie ein Schlafmittel und führt, verbunden mit Absenkung der Kör­pertemperatur, zu einer Verlangsa­mung aller Körperfunktionen und zu einer Unterkühlung. Die Nager erfrie­ren also. Dieses Erfrieren der Nager setzt eine Temperatur von unter 15°C vor raus. Eine einmalige Aufnahme ist ausreichend, damit die tödliche Do­sis bei dem Nager erreicht wird (Wikipediaartikel Chloralose). Choralose wird von der BAuA als sehr giftig für Wasserorganismen eingestuft (BAuA Homepage). Prädatoren sind durch Se­kundärvergiftungen anscheinend nicht gefährdet. Anders als bei den AR rei­chert sich Chloralose nur in geringen Mengen in der Leber an und wird vom Organismus sehr schnell wieder aus­geschieden. Halbwertzeit von Chlora­lose ist 24 Stunden. Vergiftungen von Haustieren kamen vor (Wikipediaarti­kel Chloralose).

Der Wirkstoff Hydrogencyanid, bes­ser bekannt als Cyanwasserstoff oder Blausäure, ist ein zytotoxisches Gas und schwerer als Luft. Es ist ein star­kes Stoffwechsel- und Nervengift und blockiert wichtige Enzymsysteme des Körpers. Über die zentrale Atemläh­mung, Lungenödeme und Kollaps führt es zum Tod (Wikipediaartikel Cyanwasserstoff). Chloralose und Hydrogencyanid sind als Biozid-Rodentizid zugelassen (Umweltbundes­amt Homepage).

Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hat den Wirkstoff Cholecal- ciferol als Wirkstoff für Biozid-Rodentizide zugelassen (ECHA Home­page). Eine Zulassung eines Produkts mit Cholecalciferol in Deutschland liegt Anfang 2020 aber noch nicht vor. Cholecalciferol bewirkt eine akute oder chronische Vitamin-D-Überdosierung und führt über eine Vitamin- D-Hypervitaminose bei Nagern zum Tode. Cholecalciferol hat eine Halb­wertszeit von 19-25 Stunden. Vergif­tungen bei Hunden und Katzen kom­men vor (Wikipediaartikel Cholecalciferol).

Die drei genannten Wirkstoffe wer­den in Ködern verabreicht, und die zwei zugelassenen Wirkstoffe Choralose und Hydrogencyanid werden an­scheinend deutlich weniger genutzt als AR und Mittel mit Phosphiden.

Zulassung

Zulassungsbehörden sind für Biozid-Rodentizide die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und für Pflanzenschutz-Rodentizide das Bundesamt für Verbrau­cherschutz und Lebensmittelsicher­heit (BVL). Das Umweltbundesamt (UBA) ist für die Bewertung der Um­weltauswirkung zuständig. Rodentizide, die eingesetzt werden, unterlie­gen in der EU einer Zulassungspflicht nach der Biozid-Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (BVL-Homepage).

Rodentizide mit AR sind seit 2018 nicht mehr als Pflanzenschutzmit­tel zugelassen, sondern nur noch als Biozid-Rodentizide und dürfen da­her nicht mehr auf Landwirtschaft­lichen- und Forstflächen eingesetzt werden. Als Pflanzenschutz-Rodentizide sind seit 2018 nur noch Zinkphosphid, Aluminiumphosphid (auch als Biozid-Rodentizid), Magnesiumphosphid und Calciumphosphid zu­gelassen.

Wenn eine Gefahr anders nicht abzu­wehren ist, kann das BVL kurzfris­tig das Inverkehrbringen eines eigent­lich verbotenen Pflanzenschutzmittels für eine begrenzte und kontrollier­te Verwendung und für maximal 120 Tage per Notfallzulassung zulassen. Rechtsgrundlage ist Artikel 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 (Um­weltbundesamt 2018, BVL-Homepage). So gab zuletzt eine Notfallzu­lassung vom 1. September 2015 bis 29. Dezember 2015 für Mittel mit den da­mals verbotenen Wirkstoffen Chlorphacinon (ein AR) und Zinkphosphid (damals keine Zulassung als Pflanzenschutz-Rodentizid) zum Pflanzen­schutz zur Bekämpfung von Feld- und Erdmaus. Die Anwendung von Chlorphacinon wurde zugelassen zur Be­kämpfung von Feld- und Erdmaus als Streuanwendung, also offenes Aus­streuen, bei Starkbefall auf landwirt­schaftlichen Flächen. Der Starkbefall musste durch die Lochtretmethode (mind. 20 wiedergeöffnete Löcher/250 m2 nach 24 Stunden) nachgewiesen werden. Es musste eine Anordnung des zuständigen Pflanzenschutzdiens­tes vorliegen und es gab weitere An­wendungsbestimmungen und Aufla­gen. Der Pflanzenschutzdienst sollte sich im Hinblick auf den Schutz von auf oder an den zu behandelnden Flä­chen vorkommenden besonders ge­schützten und streng geschützten Wir­beltierarten nach § 7 Abs. 2 Nr. 13 und 14 Bundesnaturschutzgesetz i.V.m. § 1 Bundesartenschutzverordnung mit der zuständigen Naturschutzbehör­de abstimmen. Die zugelassene Men­ge wurde 2015 bei Chlorphacinon auf 700 Tonnen begrenzt. Bei Zinkphosphid wurde die Menge auf 16 Ton­nen begrenzt. Hier war eine verdeck­te Ausbringung vorgeschrieben. Die Zinkphosphid-Köder sollten im Nicht­kulturland angewendet werden, wel­ches an Kulturflächen angrenzt. Als Nichtkulturland wurden Ackerrand­streifen, Straßenränder, Böschungen, Straßengräben; Rückzugsgebiete in Kulturflächen, z.B. Inseln von Wind­energieanlagen aufgelistet. Damit soll­te das Einwandern von Mäusen in die Neusaaten eingedämmt werden. Die Anwendung war an weitere Anwen­dungsbestimmungen und Auflagen geknüpft (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft Homepage). Es scheint unbekannt zu sein, wie viel von den genehmigten Mengen tatsächlich ein­gesetzt wurde.

Für Pflanzenschutz-Rodentizide, de­ren Zulassung im Jahr 2018 bzw. An­fang 2019 abgelaufen ist, bestand eine Abverkaufsfrist von 6 Monaten und eine Aufbrauchfrist von 12 Monaten (BVL Homepage).

Trotz der geschilderten Umweltge­fährlichkeit der AR erfolgte 2018 eine erneute Zulassung von AR bis 30. Juni 2024. Das Umweltbundesamt schreibt dazu „Es fehlen gleicherma­ßen wirksame und weniger gefährli­che Alternativen zu den Antikoagulanzien.“ (Umweltbundesamt 2018). Laut EU Report 2014 kann der Nager­fang mit Fallen wirksam sein, ist aber zeitaufwändig (Berny et al. 2014). Allerdings wurden Auflagen für AR erlassen, da es aufgrund seiner Um­weltschädlichkeit und Gefährlichkeit eigentlich nicht genehmigungsfähig ist („Aufgrund der bei der Bewer­tung im EU-Wirkstoff-Verfahren er­mittelten hohen unannehmbaren Ri­siken für Nicht-Zielorganismen und die Umwelt hätten Antikoagulanzi­en der 2. Generation eigentlich kei­ne Chance, in den Anhang I der Bio­zid-Richtlinie aufgenommen zu wer­den.“ (Umweltbundesamt 2012). Die entsprechende Ausnahmegeneh­migung der EU enthält folgende Aus­sagen am Beispiel von Brodifacoum, dem gefährlichsten AR (EU 2017) „ … erfüllt Brodifacoum die Kriterien der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 … für die Einstufung als reproduk­tionstoxischer Stoff der Kategorie 1A1. Der Stoff erfüllt ebenfalls die Kriterien der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 … für die Einstufung als sehr persistenter, bioakkumulierba­rer und toxischer Stoff. Damit treffen auf Brodifacoum die Ausschlusskrite­rien gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buch­staben c und e der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 zu.“2 Ferner „Die Ver­wendung von Brodifacoum … wirft ferner Bedenken im Hinblick auf Fäl­le von Primär- und Sekundärvergif­tung auf, …, sodass Brodifacoum auch die Kriterien für die Einstufung als zu ersetzender Wirkstoff gemäß Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe e der Verord­nung (EU) Nr. 528/2012 erfüllt.“ 3 (EU 2017): „Gemäß Artikel 12 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 darf die Genehmigung für Wirkstoffe, auf die die Ausschlusskriterien zu­treffen, nur dann erneuert werden, wenn mindestens eine der Voraus­setzungen für eine Ausnahmerege­lung weiterhin erfüllt wird, … „ Dann folgt die unglaubliche Rechtfertigung für die trotz massivster Bedenken er­teilte Zulassung: „Nichtchemische Bekämpfungs- oder Präventionsme­thoden … sind möglicherweise nicht ausreichend wirksam und können … Fragen … aufwerfen, … ob den Na­gern damit unnötiges Leiden zugefügt wird. Alternative Wirkstoffe, …, sind möglicherweise nicht für alle Kate­gorien von Verwendern geeignet oder nicht gegen alle Arten von Nagetieren wirksam. Da eine wirksame Nage­tierbekämpfung nicht allein auf diese nichtchemischen Bekämpfungs- oder Präventionsmethoden gestützt wer­den kann, gilt der Einsatz von Brodifacoum als unerlässlich im Hinblick darauf, unterstützend zum Einsatz der genannten Alternativen eine geeigne­te Nagetierbekämpfung zu gewähr­leisten. Folglich dient der Einsatz von Brodifacoum dazu, einer durch Na­getiere bedingten ernsthaften Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier vorzubeugen bzw. diese zu besei­tigen.“ Dazu ist anzumerken:

1. Aus der Tatsache, dass Alternati­ven möglicherweise nicht in dersel­ben Weise wirksam sind wie Brodifacoum wird gefolgert, dass Brodifacoum deswegen unerlässlich sei. D.h., es gibt durchaus einsatzfähige Alter­nativen, die vielleicht bei bestimmten Einsatzbedingungen nicht ganz so ef­fektiv sind. Eine schlüssige Rechtfer­tigung für die Zulassung eines der ge­fährlichsten Giftstoffe überhaupt ist das aber auf keinen Fall.

2. Der Einsatz von Alternativen, wie z.B. klassischen Totschlagfallen, wirft angeblich die Frage auf, ob da­mit nicht „unnötiges Leiden zuge­fügt“ wird - und das im Vergleich zu Brodifacoum, dass bei den vergifteten Tieren zu einem tagelangen grausa­men Siechtum bis zum Ausbluten und völliger Dehydrierung führt? Eine un­glaublich zynische Aussage.

Die EU stuft Brodifacoum als „per­sistenten, bioakkumulierbaren und toxischen“ Stoff ein. Brodifacoum wird zudem auch noch als „reprodukti­onstoxisch“ eingestuft (EU 2017).

Die Begründung für die Ausnahme­zulassung für Brodifacoum kann da­mit insgesamt als unzutreffend und irreführend bezeichnet werden. Das bedeutet, es gibt objektiv keine Recht­fertigung für die weitere Zulassung von Brodifacoum nach EU-Recht. In Deutschland sind Brodifacoum und andere AR ebenfalls nur per Ausnah­meregelung bis 30. Juni 2024 zuge­lassen. Wegen der Gefährlichkeit der AR erfolgt eine Genehmigung zur Anwendung durch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin immer nur für einen begrenzten Zeit­raum von fünf Jahren.

Die Schweiz hat z.B. den Einsatz des besonders umweltproblematischen Brodifacoum seit 2012 verboten, ohne dass dort eine Rattenplage bekannt ge­worden wäre. Im biologischen Anbau von Verbänden wie Bioland sind nur Lebend- bzw. Schlagfallen für Na­ger zulässig. Trotzdem kommt es dort nicht zu Rattenplagen. In den USA sind SGAR seit 2015 verboten (Home­page Raptorsarethesolution).

Fazit

Seit 2018 hat sich die Situation in Eu­ropa deutlich verbessert, da die für die Umwelt sehr gefährlichen AR seitdem nur noch in und an Gebäu­den, in der Kanalisation, zum Schutz von Deichen, auf Mülldeponien, in Parks und auf Golfplätzen eingesetzt werden dürfen. Notfallzulassungen bleiben jedoch möglich. Eine flächi­ge, offene Ausstreuung auf landwirt­schaftlichen Flächen ist seit längerem verboten. Diese erfolgte früher teil­weise sogar mit Maschinen. Eine ver­stärkte Forschung und ein systemati­sches Monitoring der Auswirkungen von AR auf Nicht-Zielarten sind drin­gend notwendig. Totfunde von Eulen und Greifvögeln, zumindest bei Na­gerjägern, müssten bei unklarer To­desursache auf AR untersucht wer­den. Es ist zu fordern, umgehend mit einem bundesweiten oder besser EU-weiten Monitoring zu beginnen und die Ergebnisse zeitnah zu veröffent­lichen. 2024 laufen die Zulassungen für AR bzw. SGAR in Europa aus. Da sich inzwischen gezeigt hat, dass die Auswirkungen auf die Umwelt um­fassender sind als bei der früheren Zulassung bekannt war, entfällt die Basis für eine weitere „Ausnahmegenehmigung“. Ebenso stehen die Wirk­stoffe nun seit vielen Jahren auf der EU-Liste der „zu ersetzenden“ Biozi­de, so dass mehr als ausreichend Zeit für die Entwicklung und Organisati­on von Ersatz für die Schadnagerbe­kämpfung gegeben war.

Bisher existieren aber keine Alternati­ven in Form anderer Rodentizide und Nagerfallen, die gleich wirksam wie AR sind. Die Forderung kann trotz­dem nur lauten, EU-weit die AR-Wirkstoffe so schnell wie möglich zu ersetzen. Dazu muss die Entwicklung neuer Rodentizide, die sowohl gleich wirksam als auch weniger giftig als AR sind, unbedingt vorangetrieben bzw. gefördert werden (Berny et al. 2014). Es sollte unbedingt mehr In­formation über den ordnungsgemäßen Einsatz von Rodentiziden oder ande­re Maßnahmen wie Nagetierschutz, Entfernung von Nahrung und Unter­schlupf, zu Risiko für Nicht-Zielar­ten und Maßnahmen zur Risikomin­derung, Resistenzen in den Verkaufs­stellen geben. Auf einer staatlichen Homepage müssten Infos zu allen Fragen zur Nagerbekämpfung bereit­stehen. Also sowohl für Biozid-Rodentizide und Pflanzenschutz-Rodentizide (Berny et al. 2014).

Zusammenfassung

Es wird in der EU zwischen Biozid- Rodentiziden und Pflanzenschutz- Rodentiziden zur Bekämpfung von Mäusen und Ratten unterschieden. Biozid-Rodentizide werden zum Schutz der menschlichen und tieri­schen Gesundheit sowie von Men­schen hergestellter Produkte einge­setzt. Sie dürfen in und an Gebäuden, in der Kanalisation, zum Schutz von Deichen, auf Mülldeponien, in Parks und auf Golfplätzen eingesetzt wer­den. Pflanzenschutz-Rodentizide dür­fen zum Vorratsschutz und Pflanzen­schutz auf Landwirtschaftlichen- und Forstflächen eingesetzt werden. Als Biozid-Rodentizide werden legal vor allem acht Antikoagulante Wirkstof­fe und als Pflanzenschutz-Rodentizid vor allem Zinkphosphid verwen­det. Zinkphosphid ist für die Umwelt weit weniger problematisch. Antikoagulante Rodentizide (AR) sind Cu­marinderivate, welche die Blutge­rinnung verringern, die Blutgefäße durchlässig machen und durch inne­re Blutungen zu einem anhaltenden, mehrtägigen Siechtum führen. Wegen des verzögerten Eintritts der Wirkung sind AR sehr wirksam und es tritt kei­ne Köderscheu bei Wanderratten ein, wie es bei Zinkphosphid und ande­ren Rodentiziden der Fall ist. Wegen ihrer Persistenz reichern sich meh­rere AR in der Umwelt an. In zahl­reichen Nichtzielarten bis zu Fischen und Algen wurden Rückstände von AR nachgewiesen. Insbesondere sind Prädatoren betroffen, welche Nager jagen. Auch Schleiereule, Waldkauz, Turmfalke, Rotmilan und Mäusebus­sard sind betroffen. In Großbritannien wurden Todesfälle von Schleiereulen durch AR nachgewiesen. Aus Grün­den von Tier-, Natur- und Umwelt­schutz sollte es 2024 nicht zu einer Verlängerung der Ausnahmegeneh­migung für AR kommen. Zumindest muss ein systematisches Monitoring der Auswirkungen von AR auf Nicht­Zielarten EU-weit durchgeführt wer­den. Totfunde von Nagerprädatoren müssen bei unklarer Todesursache auf AR untersucht werden.

Summary

Lindner M 2020: Facts on the use of rodenticides in Germany. Eu­len-Rundblick 70: 45-53

In the EU, a distinction is made be­tween biocide rodenticides and plant protection rodenticides to control mice and rats. Biocide rodenticides are used to protect the health of humans and animals and to protect man-made products. They may be used in and on buildings, in the sewage system, for protecting dikes, on landfills, in parks and on golf courses. Plant protection rodenticides may be used for the pro­tection of stored products and for the protection of plants in agricultural and forest areas. Eight anticoagulants are legally used as the biocide roden­ticides and zinc phosphide is used as the crop protection rodenticide. Zinc phosphide is far less problematic for the environment. Anticoagulant ro­denticides (AR) are coumarin de­rivatives that reduce blood clotting, make blood vessels permeable and cause a lingering decline over several days to eventual death from internal bleeding. Because of the delayed on­set of the poisoning symptoms, ARs are very effective, as Brown Rats do not become suspicious of the bait, like they do with zinc phosphide and oth­er rodenticides. Because of their per­sistence, several ARs accumulate in the environment. AR residues have been detected in numerous non-target species, including fish and algae. Species that prey on rodents are par­ticularly affected. These include Barn Owl, Tawny Owl, Kestrel, Red Kite and Common Buzzard. In Great Brit­ain, Barn Owl deaths from AR have been proven. For reasons of animal, nature and environmental protec­tion, the special case approval for AR should not be extended in 2024. At the very least, it is necessary to system­atically monitor the effects of AR on non-target species across the EU. Ro­dent predators found dead must be ex­amined for AR poisoning if the cause of death is unclear.

Danksagung

Die Arbeit kam mit sachdienlichen Hinweisen von Dr. Alexandra Es­ther vom Julius Kühn-Institut in Münster, Dr. Peter Petermann und Dr. Alexander Badry vom Leib­niz-Institut für Zoo- und Wildtierfor­schung in Berlin zu Stande. Der Au­tor bittet, ihm ergänzende Fakten und Infos zukommen zu lassen.

Literatur

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Umweltbundesamt 2018: Nagetier­bekämpfung mit Antikoagulanzien: Häufig gestellte Fragen. Dessau

Walker LA, Turk A, Long SM, Wienburg CL, Best J & Shore RF 2008: Second generation anticoagu­lant rodenticides in tawny owls (Strix aluco) from Great Britain. Science of the Total Environment 392: 93-98 Walker LA, Chaplow JS, Lle- wellny NR, Pereira MG, Pot­ter ED, Sainsbury AW & Shore RF 2013: Anticoagulant rodenticides in predatory birds 2011: a Predatory Bird Monitoring Scheme (PBMS) re­port. Centre for Ecology & Hydrolo­gy, Lancaster

Martin Lindner
Parkstr. 21
D-59846 Sundern

martin.lindner@ageulen.de

Nachtrag

Nach Fertigstellung des Artikels wurde ein erster nachweislich durch AR Brodifacoum verursachter Todesfall eines Uhus dokumentiert: Schwarz V 2019: Der Uhu (Bubo Bubo) in Ungarn. Eulen-Rundblick 69: 9-17

Der Artikel stammt aus Eulenrundblick 70
Artikel als pdf



Affaire im Schleiereulenkasten

von Ernst Kniprath

31.05.2020

Steht in allen Büchern: Schleiereulen sind monogam. Na ja! Es geht auch anders. Im nächsten Eulen-Rundblick wird ausführlich eine Szene aus einer Brut 2019 in Otterwisch/Sachsen dargestellt. Ein brütendes Weibchen erhält öfter den Besuch eines fremden Männchens und es bleibt nicht beim „Händchenhalten“. Einmal ist sogar der Hausherr anwesend und unternimmt nichts. Unglaublich.

Weiterlesen: Nr. 70 des Eulen-Rundblicks (erhält jedes Mitglied der AG Eulen kostenlos), ist im Sommer 2020 erschienen.



Rätselfoto

von Ernst Kniprath

24.05.2020

Dieses Foto zeigt ohne Zweifel eine Schleiereule mit ihrer Brut. Jedoch hat sie solch merkwürdige Auswüchse am Schnabel und das auch noch beidseitig und ziemlich symmetrisch.

Foto: 2012: webcam-Aufnahme. Kanton Aargau, Departement Bau, Verkehr & Umwelt, Abteilung Landschaft & Gewässer, Entfelderstrasse 22, CH 5001 Aarau


Die Auflösung erscheint im nächsten Eulen-Rundblick (Nr. 70) im Sommer. Hier erscheint sie dann kurz danach. Wir wollen doch den Leserinnen und Lesern des Eulen-Rundblicks mit einer Auflösung gleich hier nicht die Spannung nehmen. Wer die Auflösung schon dann wissen möchte, kann das Heft abonnieren!



Die Eulen Europas

Die 3. überarbeitete und aktualisierte Auflage ist erschienen

05.12.2021

Wolfgang Scherzinger & Theo Mebs (2020); Kosmos-Verlag / Stuttgart: 416 S., 323 Fotos, 125 Graphiken, 59 Tabellen, 15 Karten.

Aus dem Schummer von Mythen und Märchen sind die Eulen in einem bisher nicht gekannten Maße ins Rampenlicht breiter Interessenskreise gerückt. Vom Kinderbuch bis zur Eulen-Show, von der Fachzeitschrift bis zur Welt-Eulen-Konferenz haben die Eulen ihr Außenseiter-Image abgestreift. Dank des wachsenden Engagements zum Schutz dieser ungewöhnlichen Vogelgruppe, dank langjähriger Beringung und neuer Telemetrie-Systeme, die jeden Ortswechsel selbst über Kontinente registrieren, mit Hilfe automatischer Kameras und Nachtsichtgeräte, die eine Beobachtung bei Dunkelheit ermöglichen, dank handlicher Aufnahmegeräte für bioakustische Feldarbeit und zunehmender Etablierung von Labors für genetische Analysen kam in wenigen Jahren eine Fülle wegweisender Forschungsergebnisse zur Veröffentlichung, die eine Überarbeitung und Aktualisierung der „Eulen Europas“ jedenfalls für gerechtfertigt und geraten machen.

Von besonderer Aussagekraft sind dabei Langzeitprojekte, die z. T. mehrere Jahrzehnte überspannen, wie ein kontinuierliches Monitoring regionaler Bestände, die systematische Beringung lokaler Brutpopulationen, oder die Fortschreibung von Genealogie und Populationsaufbau samt den mitunter komplexen Fortpflanzungsstrategien. Dabei erwies sich die Zusammenführung unterschiedlicher Disziplinen als besonders fruchtbar, da somit Beutewahl, Paarungssysteme, Bruterfolg und selbst Migrationen in eine Zusammenschau mit Lebensraum und Prädationsrisiko sowie den großräumigen, z. T. kontinentalen Fluktuationen von Beuteangebot und Witterung gestellt werden können. Gänzlich neu sind Kooperationen zwischen funktionaler Morphologie, Strömungs-Technik und Luftfahrtingenieuren, die in der Feinstruktur der Eulenfeder bis zum „lautlosen“ Eulenflug ein Modell für geräuscharme Flugkörper, Windkrafträder und Turbinen erkennen.

Diesen unübersehbaren Fortschritten steht die wachsende Gefährdung der Eulen gegenüber, wobei oft landschaftsweiter Lebensraumverlust an erster Stelle steht. Am auffälligsten in der Agrarlandschaft, durch stete Erweiterung der Feldeinheiten – unter rasantem Wegfall kleinräumiger Vielfalt und lebensraum-bestimmender Strukturen; durch zunehmenden Umbruch von Grünland und Aufgabe von Brachland. Wenn Wald-Lebensräume auch noch weniger massiv umgebaut erscheinen, so trifft die zunehmende Nutzung naturnaher Altbestände samt ihrer Vielfalt an Specht- und Baumhöhlen sowie deckungsreichen Einständen besonders die Höhlenbrüter. Völlig ungewiss sind die Folgen des Klimawandels für die künftige Entwicklung der Lebensräume und für die Verbreitung der Eulen, wie auch für Beuteangebot und Feinddruck. Im „Anthropozän“ wachsen auch die Unfallrisiken für Eulen in der freien Landschaft, an erster Stelle durch den Verkehr, durch das dichte Netz an Stromleitungen und die trügerischen Glaswände der Hausfassaden.

Gleichzeitig beweist das erfreuliche Engagement für unsere Eulen in allen Gesellschaftsschichten, dass die Hilfsmaßnahmen greifen: wie der nachhaltige Effekt von Wiederansiedungsprojekten bei Uhu, Habichtskauz und Steinkauz; die unübersehbaren Erfolge systematischer Nistkastenanbringung samt kontinuierlicher Betreuung, speziell für Steinkauz, Raufußkauz und Schleiereule; die Abschirmung sensibler Brutgebiete von Störungen, wie Geo-Caching, Klettersport oder Baumfällung. Die Eulen selbst zeigen uns, dass auch ganz unerwartete Entwicklungen möglich sind, wie der Zuzug des Uhus aus „einsamen Waldschluchten“ in die lärmende Großstadt! - Eulen brauchen Freunde – und die haben sie gefunden!



Eulenrundblick 69

10.05.2020

Dieser Tage ging der Eulenrundblick 69 in den Versand. Es hat lange gedauert, aber das Ergebnis ist vorzüglich. Mitglieder und Abonnenten werden die neue Nummer in Kürze per Post erhalten.

Zur Einstimmung hier ein Artikel aus der neuen Nummer als pdf:

Der Uhu (Bubo bubo) in Ungarn von Vince Schwartz



Foto- und Posterwettbewerb bei der Jahrestagung der AG Eulen in Münster 23. bis 25.10.2020

Hinweis: der Fotowettbewerb ist auf 2021 vertagt. Einsendungen sind jetzt schon willkommen.

Wir möchten auch 2020 wieder zu einem Fotowettbewerb zum Thema „Eulen“ aufrufen. Erstmalig wird es auch einen Posterwettbewerb geben.

Die Bilder und Poster sollen bei unserer Jahrestagung in Münster ausgestellt und von den Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmern bewertet werden. Es winken wieder wertvolle Buchpreise. Teilnahmeberechtigt sind nur AG-Eulen-Mitglieder oder Eulenfreundinnen und -freunde, die spätestens auf der Tagung die Mitgliedschaft erworben haben.

Fotowettbewerb

Erwünscht sind Bilder von wildlebenden Eulinnen und Eulen oder der Arbeit im Eulenschutz, die die Faszination für diese Vogelgruppe zum Ausdruck bringen. Pro Teilnehmerin und Teilnehmer können maximal drei Bilder eingereicht werden, die nicht bereits bei den letzten Wettbewerben unserer AG eingereicht wurden. Für den Wettbewerb selbst bitten wir, die Fotos nicht mit Namen der Bildautoren zu versehen.

Wir bitten um die Einsendung der Fotos in digitaler Form an fotowettbewerb-2020@ageulen.de. Einsendeschluss ist der 31.08.2020. Mit der Einsendung erklären sich die Bildautorinnen und -autoren mit einer Veröffentlichung im Eulenrundblick, auf unserer Homepage und auf unserer Facebook-Seite einverstanden.

Posterwettbewerb

Poster sind zu allen Themen rund um Eulen möglich. Auch Poster, die bereits bei früheren Tagungen veröffentlicht wurden, sind herzlich willkommen. Allerdings bitten wir auch hier um nicht mehr als drei Poster pro Teilnehmerin bzw. Teilnehmer.

Die Poster sollten im Gegensatz zu den Fotos mit Name und Adresse gestaltet werden. Das Format ist frei wählbar. Allerdings bitten wir für die Autorinnen und Autoren, Poster bereits ausgedruckt zur Tagung mitzubringen.

In diesem Sinne bitten wir Sie, schauen Sie in Ihre Archive und schicken Sie uns Ihre Bilder bzw. bringen Sie Posterbeiträge mit. Wir sind gespannt!

Und noch eine Bitte: Die Prämierung der besten Bilder und Poster findet zu Beginn der Mitgliederversammlung der AG Eulen am Abend des 24.10.2020 (Samstag) um 20:00 Uhr statt. Es wird darum gebeten, dass die Autorinnen und Autoren anwesend sind oder im Verhinderungsfalle zumindest eine Vertretung beauftragen, die im Falle eines Buchgewinns diesen Preis in Empfang nehmen kann. Wir verschicken Preise nur im Ausnahmefall.

Ihre AG Eulen



36. Jahrestagung der AG Eulen vom 23. bis 25.10.2020 in Münster

17.02.2020

Liebe Mitglieder, sehr geehrte Eulenfreunde!

Die nächste, 36. Jahrestagung der AG Eulen e. V. findet vom 23. bis 25.10.2020 in Münster/Westfalen statt. Dazu laden wir alle Eulenfreunde sehr herzlich ein in die Akademie Franz-Hitze-Haus, Kardinal-von-Galen-Ring 50, 48149 Münster.

Am Programm wird noch gearbeitet:
Schwerpunktmäßig werden bei dieser Fachtagung die Offenlandarten Schleiereule und Steinkauz behandelt. Bisher vorgesehen sind Vorträge zur Situation und Entwicklung (Monitoring) der vorgenannten Eulenarten aus Deutschland, insbesondere aus Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden; zum Lebensraumschutz und zur Habitatpflege sowie zum Thema Gefahren durch Rodentizide. Weitere Vorträge behandeln den Uhu, welcher in Nordrhein-Westfalen ein Dichtezentrum in Deutschland besitzt. Am Sonntagvormittag werden 2 Exkursionen mit Bussen in die Rieselfelder Münster bzw. in Eulen-Lebensräume im Raum Münster angeboten.

Außerdem wollen wir wieder einen Fotowettbewerb durchführen, bei dem es z. B. wertvolle Buchpreise zu gewinnen gibt. Die Teilnahmebedingungen für diesen Wettbewerb sind demnächst hier nachlesbar.

Wichtig:
Im Gegensatz zu früheren Tagungen müssen Zimmerbuchung/Anmeldung und Bezahlung aller Leistungen des Tagungshotels von der AG Eulen übernommen werden! Darum müssen sich alle Teilnehmer (Mitglieder und Nicht-Mitglieder) über die Homepage beim Kassenwart bis zum 15. August angemeldet haben und zeitnahe Vorauskasse leisten; spätestens 2 Wochen nach Anmeldung. Die Reservierung wird erst nach vollständiger Bezahlung wirksam!

Achtung: Das Zimmerangebot ist begrenzt; darum wird baldige Anmeldung empfohlen!

Vereinsmitglieder können sich hier per Webformular anmelden. Dazu ist es notwendig, sich einzuloggen. Falls Sie nur Ihr Passwort vergessen haben, können Sie per „Setze neues Passwort“ auf der Anmeldeseite ein neues Passwort anfordern. Sie erhalten dann an die E-Mail-Adresse, mit der Sie bei uns registriert sind, ein neues Passwort.

Sollten Sie Ihre Zugangsdaten komplett verloren haben, fordern Sie sie bitte unter Angabe Ihres Namens und der E-Mailadresse, mit der Sie bei uns registriert sind, bei webmaster@ageulen.de an.

Alternativ können Sie sich auch mit Hilfe des Anmeldeformulars per Post oder E-Mail anmelden.

Auf eine rege Teilnahme freut sich der Vorstand der AG Eulen.

Auf Wiedersehen in Münster!

Herzliche Grüße,
Klaus Hillerich


AG Eulen Tagungsprogramm Münster 2021

21.09.2021

Vorträge
Programm Freitag 20:00 Uhr
Dr. Andreas Schüring (Vortrag) „Kobold der Nacht“
Programm Samstag 09:00 Uhr
Eröffnung und Begrüßung
Michael M. Jöbges (Recklinghausen) Vorsitzender der Deutschen Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Eulen e.V. (AG Eulen)
Dr. Ralf Barfknecht (Köln) Nordrhein-Westfälische Ornithologengesellschaft e.V. (NWO)
Dr. Christoph Sudfeldt (Münster) Dachverband Deutscher Avifaunisten e.V. (DDA)
Fachvorträge 9:15
Hubert Große Lengerich (Münster) 30jährige Schleiereulen- und Steinkauz Schutzbemühungen in Münster
Ronald van Harxen (Winterswijk, Niederlande) Der Steinkauz in den Niederlanden
Herbert Keil (Ludwigsburg) Überlebensrate und Dispersion von Steinkäuzen im Landkreis Ludwigsburg
Dr. Alexandra Esther (Münster, Julius-Kühn-Institut) Gefahren durch Rodentizide, Resistenzen gegen Antikoagulantien
Magdalena Wlodarz (Universität Potsdam) Das Nahrungsspektrum junger und adulter Schleiereulen in Brandenburg
Stephan Grote (NABU-Naturschutzstation Münsterland e.V., Münster) Obstweiden und Obstwiesen in der westfälischen Kulturlandschaft – Geschichte – Ökologie – Pflege
Dr. Christian Harms (Freiburg) Mit Mikrofon und Kamera – Uhu-Geheimnissen auf der Spur
Hubert Ortmann (Ladbergen) Das Zusammenleben von Waldkauz und Hohltaube
Olaf Geiter (Vogelwarte Helgoland, Wilhelmshaven) Eulenberingung in Nordwestdeutschland
Simon Birrer (Vogelwarte Sempach, Schweiz) Europa – Neue Resultate zu den Eulen aus dem Europäischen Brutvogelatlas EBBA2
Steffen Kämpfer (Universität Osnabrück) Brut- und Nahrungsökologie der Sumpfohreule auf den Ostfriesischen Inseln
Martin Lindner (Sundern) Forstwirtschaft in Natura 2000 Gebieten
20:00 Uhr
Mitgliederversammlung mit Vorstandswahlen der Deutschen Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Eulen e.V. (AG Eulen)
Exkursionen Sonntag 09:00 Uhr
Hubert Große Lengerich Exkursion zu Steinkauz- und Schleiereulen-Lebensräumen im Raum Münster
Manfred Röhlen Exkursion in das EU-Vogelschutzgebiet Rieselfelder Münster




Reifenwaschanlage als Todesfalle für einen Waldkauz

08.04.2020

Waldkäuze baden gerne. Zuweilen nutzen sie dafür auch menschliche Bauwerke und geraten dabei in Gefahren, die sie nicht einschätzen können, wie auch in diesem Fall:

Ein Waldkauz wollte in einer Reifenwaschanlage ein Bad nehmen, kam nicht mehr heraus und ertrank.

Die Reifenwaschanlage zur Zeit des Unfalls


Der ertrunkene Waldkauz im Wasser treibend. Er hatte keine Chance zu entkommen


Die traurigen Überreste nach der Bergung

Laut Handbuch der Vögel Mitteleuropas kommen bis zu 6,9 % der Waldkäuze durch ertrinken ums Leben:

Der Ertrinkungstod ist (bei Jung- und Altvögeln) häufiger als bei anderen Eulen und dürfte vor allem mit dem großen Badebedürfnis zusammenhängen (s. etwa G UÉRIN 1932, SIEGENTHALER, Orn. Beob. 50, 1953, HERBERIGS , Gerfaut 44, 1954, K UHK & SCHÜZ, Vogelkdl. Ber. Niedersachsen 4, 1972).

Um weitere Unfälle dieser Art künftig zu vermeiden, wurde die Reifenwaschanlage mit einem hölzernen Deckel vollständig verschlossen.

Die entschärfte Reifenwaschanlage

Möglicherweise hätte es auch ausgereicht, das Becken mit einem horizontal gespannten verzinkten Maschendraht mit einer Maschenweite von 50 mm zu sichern, wie er für ganz normale Zäune verwendet wird.



Fotowettbewerb bei der Jahrestagung der AG Eulen in Bad Blankenburg 2019

Am Fotowettbewerb 2019 beteiligten sich 27 Fotografen mit 73 Fotos. Unter den Motiven waren Uhus (30 Bilder) besonders zahlreich vertreten, vor Steinkauz (13), Waldohreule (6) und zehn weiteren Arten. Beim Publikum waren eindeutig die kleinen Eulen die Favoriten, insbesondere die Steinkäuze, deren Fotos gleich 4 der 5 Preise gewannen, zusammen mit einem Sperlingskauzfoto.

Herzlichen Dank an alle Teilnehmer!

Wir gratulieren den Preisträgern:
Platz 1: „Steinkauz mit Buntspecht“ von Stefan Schawo
Platz 2: „Steinkauz über Feldhase“ von Gunther Zieger
Platz 3: „Zwei Steinkäuze“ von Eric Dienesch
Platz 4: „Zwei Sperlingskäuze“ von Dr. Alexander Schüring
Platz 5: „Steinkauz mit Regenwurm“ von Gunther Zieger

Die fünf Bestplatzierten des Fotowettbewerbs erhielten Buchpreise von Humanitas-Buchverlag, dem wir dafür besonders danken, ebenso wie Christiane Geidel und Martin Lindner für die Organisation des Fotowettbewerbs!

Platz 1: „Steinkauz mit Buntspecht“ von Stefan Schawo


Platz 2: „Steinkauz über Feldhase“ von Gunther Zieger


Platz 3: „Zwei Steinkäuze“ von Eric Dienesch


Platz 4: „Zwei Sperlingskäuze“ von Dr. Alexander Schüring


Platz 5: „Steinkauz mit Regenwurm“ von Gunther Zieger



Eulen in Kaminen

Kamine stellen für Eulen eine große Gefahr dar und immer wieder liest man in der Presse davon, dass Opfer ihrer Neugier von aufmerksamen Hausbewohnern gerettet wurden. Hier zwei Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit:

Bei der Eule in behandschuhten Händen auf dem ersten Foto des Spiegel-Artikels handelt es sich um einen Waldkauz.

Sowohl der Waldkauz, als auch der im Spiegel-Artikel erwähnte Steinkauz, sind Höhlenbrüter und interessieren sich deshalb besonders für „dunkle Löcher, in denen man verschwinden kann“. Aus natürlichen Höhlen können sie in aller Regel nach der Inspektion wieder heraus klettern. Nicht so bei Kaminen, deren Wände ziemlich glatt sind und deren Querschnitt zu klein ist, als dass eine Eule darin die Flügel gebrauchen könnte, um ihre Flug-Klettertechnik einzusetzen.

Da der Waldkauz in Deutschland die mit Abstand häufigste Eule ist, sind auch die meisten Opfer solcher Kaminunfälle Waldkäuze.

Abhilfe schafft ein Drahtgitter über der Kaminöffnung – der Schonsteinfeger berät gerne, wie damit Eulen vor dem Absturz bewahrt werden können.

Eine junge Schleiereule klettert mit Flügelunterstützung an der Fassade des Schuppens hoch, in dem sich der Brutplatz befindet



Call for Papers über Projektkonzepte

16. Juli 2019 Ingrid Kohl

Einladung

Kleine interne Wildnistagung im Wildnisgebiet Dürrenstein

Für Forscher über potentielle künftige Forschungsprojekte & Finanzierungsmöglichkeiten

Donnerstag, 17. Oktober 2019, ca. 9 bis 18 Uhr

Gasthof Hammerwirt, Stixenlehen 27, A-3345 Göstling/Ybbs, hammerwirt.at

Falls Sie Interesse haben, an wildnisspezifischer oder urwaldspezifischer Forschung im Wildnisgebiet Dürrenstein WGD bzw. Urwald Rothwald, an einer Kooperation mit dem WGD, einer Masterarbeit oder Dissertation, sind Sie eingeladen, Titel, Autor(en) und Abstract, bevorzugt auf Englisch und Deutsch, mit ca. 250 (bis max. 300) Worten, bevorzugt bis Anfang August 2019, einzureichen. [Anmerkung: Fragestellungen, die auch außerhalb des Schutzgebietes behandelt werden können, werden nicht innerhalb des Schutzgebietes durchgeführt.] Zusätzlich zur Diskussionsmöglichkeit Ihrer Projektidee während der Tagung, wird es auch die Möglichkeit geben, einen 10 bis 15 Minuten Vortrag über Ihre Projektidee zu halten sowie über Antrags- und Fördermöglichkeiten. Es wird auch die Möglichkeit für eine Videopräsentation geben (über Skype oder aufgezeichnet).

Falls Sie Interesse haben an einem Projekt, am 17. Oktober 2019 an der Konferenz teilzunehmen oder einen 10 bis 15 Minuten Vortrag zu halten, können Sie Ihren Abstract an ingrid.kohl[at]wildnisgebiet.at senden, bevorzugt bis Anfang August 2019.

Herzlich willkommen zu unserer Wildnistagung und auf spannende, erfolgreiche Forschung in der Wildnis!

Ihr Wildnisgebiets-Team

Wildnis Dürrenstein



Fotowettbewerb

30.07.2019

Wir möchten – wie bereits zur Jahrestagung im Kloster Schöntal vor einigen Jahren - auch in diesem Jahr wieder zu einem Fotowettbewerb zum Thema „Eulen“ aufrufen.

Die Bilder sollen im Rahmen unserer Jahrestagung in der Landessportschule in Bad Blankenburg ausgestellt und von den Tagungsteilnehmern bewertet werden. Jedes Bild wird dazu mit dem Fotografennamen sowie dem dargestellten Motiv beschriftet und ausgestellt. Es winken Buchpreise, u.a. von humanitas.

Teilnahmeberechtigt sind alle AG-Mitglieder und sonstige Eulenfreunde, Hobby- und professionelle Fotografen. Erwünscht sind Bilder von Eulen oder der Arbeit im Eulenschutz, die die Faszination für diese Vogelgruppe zum Ausdruck bringen. Pro Teilnehmer können maximal drei Bilder eingereicht werden, die jeweils nicht älter als fünf Jahre sein dürfen und nicht bereits beim letzten Wettbewerb unserer AG eingereicht wurden.

Die Einsendung der Aufnahmen erfolgt im Format 2:3 in digitaler Form an Christiane Geidel. Die Bilder sollten mindestens 1 MB groß sein. Einsendeschluss ist der 31.08.2019, da die Bilder bis zur Tagung noch gedruckt werden müssen, um sie entsprechend zu präsentieren. Es werden außerdem auch bereits ausgedruckte Fotos im Format 20×30 cm akzeptiert.

Mit der Einsendung erklären sich die Bildautoren mit einer Veröffentlichung im Eulenrundblick, auf unserer Homepage und ggfs. auch auf Facebook einverstanden.

In diesem Sinne, bitten wir Sie, schauen Sie in Ihre Archive und schicken Sie uns ein paar Bilder. Wir sind gespannt und freuen uns auf die eingehenden Beiträge.

Martin Lindner & Christiane Geidel



Programm der Jahrestagung 2019 der AG Eulen

vom 06. bis 08.09.2019 in Bad Blankenburg

Freitag, 06 September 2019

Ab 16:00 Uhr Anreise / Einchecken

Ab 18:00 Uhr Abendesser

20:00 Uhr bis 21:00 Uhr Abendvortrag

Gerhard Brodowski

Verhaltensstudien von Greifvögeln und Eulen

Ab 21:00 Uhr Eulen Stammtisch

Samstag, 07. September 2019

09:00 Uhr Begrüßung

09:15 Uhr

Johannes Bradtka: Habichtskauz-Projekt in Nordbayern

Dr. Richard Zink:10 Jahre Habichtskauz-Wiederansiedlung in Österreich

10:30 Uhr Kaffeepause

11:00 Uhr

Dr. Ingrid Kohl, Dr. Christoph Leditznig, Franz Aigner: 10 Jahre Habichtskauz-Wiederansiedlung um das Wildnisgebiet Dürrenstein, Österreich (IUCN Kategorie I, UNESCO Weltnaturerbe)

Dr. Ingrid Kohl, Thomas Hochebner, Dr. Claudia Schütz, Gerhard Rotheneder:

(Klein)Eulen-Monitoring im Wildnisgebiet Dürrenstein, Österreich (IUCN Kategorie I, UNESCO Weltnaturerbe)

12:30 Uhr Mittagessen

13:30 Uhr Aufstellung Tagungsfoto

13:45 Uhr

Dr. Frank Rau: Dynamische Populationen und Populationsdynamik des Uhus in Baden-Württemberg

Andreas Kämpfer-Lauenstein: 40 Jahre Rauhfußkauz-Monitoring im Arnsberger Wald, Nordrhein-Westfalen

Ubbo Mammen: Bestandstrend der Eulen Deutschlands

15:30 Uhr Kaffeepause

16:00 Uhr

Ulrich Augst: Die Eulen im Nationalpark Sächsische Schweiz

Yehor Yatsiuk:Waldkauz-Monitoring in der Kharkiv-Region einschließlich Homilsha Forest Nationalpark, Ukraine (Kooperation mit Wildnisgebiet Dürrenstein) (englischsprachiger Vortrag)

Jonathan Haw: Eulenschutz und Bildungsarbeit in Südafrika - Erfolge von 20 Jahren Owlproject.org & EcoSolutions.co.za (Kooperation mit Wildnisgebiet Dürrenstein) (englischsprachiger Vortrag)

Michael. M. Jöbges: Resümee und Ausblick

18:30 Uhr Abendessen

20:00 Mitgliederversammlung

(u.a. Vorstandswahlen; Auswertung der Rauhfußkauz-Umfrage; Analyse Eulen in Flugshows)

Sonntag, 08. September 2019 vormittags

Exkursion in Auerhuhn-Lebensräume im Thüringer Wald unter Einbeziehung von Rauhfußkauz- und Sperlingskauz-Habitaten (Führung: Dr. Jochen Wiesner)

(Anmerkung: Es kann leider doch nur eine Exkursion angeboten werden.)

Aufruf zum Fotowettbewerb 2019

Wir möchten – wie bereits zur Jahrestagung im Kloster Schöntal vor einigen Jahren - auch in diesem Jahr wieder zu einem Fotowettbewerb zum Thema „Eulen“ aufrufen.

Die Bilder sollen im Rahmen unserer Jahrestagung in der Landessportschule in Bad Blankenburg ausgestellt und von den Tagungsteilnehmern bewertet werden. Jedes Bild wird dazu mit dem Fotografennamen sowie dem dargestellten Motiv beschriftet und ausgestellt. Es winken Buchpreise, u.a. von humanitas.

Teilnahmeberechtigt sind alle AG-Mitglieder und sonstige Eulenfreunde, Hobby- und professionelle Fotografen. Erwünscht sind Bilder von Eulen oder der Arbeit im Eulenschutz, die die Faszination für diese Vogelgruppe zum Ausdruck bringen. Pro Teilnehmer können maximal drei Bilder eingereicht werden, die jeweils nicht älter als fünf Jahre sein dürfen und nicht bereits beim letzten Wettbewerb unserer AG eingereicht wurden.

Die Einsendung der Aufnahmen erfolgt im Format 2:3 in digitaler Form an christiane.geidel@ageulen.de. Die Bilder sollten mindestens 1 MB groß sein. Einsendeschluss ist der 31.08.2019, da die Bilder bis zur Tagung noch gedruckt werden müssen, um sie entsprechend zu präsentieren. Es werden außerdem auch bereits ausgedruckte Fotos im Format 20×30 cm akzeptiert. Mit der Einsendung erklären sich die Bildautoren mit einer Veröffentlichung im Eulenrundblick, auf unserer Homepage und ggfs. auch auf Facebook einverstanden.

In diesem Sinne, bitten wir Sie, schauen Sie in Ihre Archive und schicken Sie uns ein paar Bilder. Wir sind gespannt und freuen uns auf die eingehenden Beiträge.

Martin Lindner & Christiane Geidel

Programm der Jahrestagung 2019 der AG Eulen als pdf



Einladung zur 6. World Owl Conference in Poona, Indien

1st June 2019, Pune, India.
Dear Friends of Owls!

Greetings from the 2019 World Owl Conference Committee!

It is our pleasure to invite you to attend the 6th World Owl Conference (WOC) in Pune, India organized by Ela Foundation from 29 November through to 2 December 2019, for the first time in India and Asia, in collaboration with and to be held at Savitribai Phule Pune University, GaneshKhind, Pune, Maharashtra, India. This conference is a unique opportunity for you to exchange research ideas with scientists and naturalists from around the world with a focus on the biology and conservation of owls. Delegates from more than 35 countries are expected to attend. Building on the success of the previous five World Owl Conferences, our organizing committee is working hard to ensure your experience at this conference will be both academically and personally rewarding. The conference will feature expert speaker and poster presentations, owl art, workshops, and cultural programs as well as post conference field trips. An ‘Indian Owl Festival’ will follow the conference which fosters an increased awareness of and appreciation for the conservation of owls among Indian citizens. Some topics include biology and the conservation of owls, the status of owls in India and SE Asia, owl in culture, and on broad scale worldwide projects and global topics like climate change and the widespread use of poison (and alternatives and solutions). Since 1987, WOC’s have occurred in Canada, Australia, Netherlands, and Portugal spanning three continents. As the host country for WOC 2019, India is demonstrating a serious commitment to the exchange of awareness, research and knowledge on owls in Asia, our unique part of the world. To learn more and to register please visit: http://www.wocindia2019.elafoundation.org/ . Note that an early registration discount is available before 31 July 2019. Abstracts for paper and poster presentations can be submitted to: pande.satish@gmail.com and anant.v.gokhale@gmail.com . Regular updates and information exchanges about the conference can also be found at its Facebook page at https://www.facebook.com/woc2019/ . planting programs as well. To reduce the conference footprint we have tree We look forward to seeing you at the 2019 World Owl Conference!

Sincerely, Organizing Secretary,

6th WOC Pune, India Director, Ela Foundation, Pune Email: pande.satish@gmail.com



Eulentagung 2019 in Bad Blankenburg

Liebe Mitglieder!

Vom Freitag, 6.9.2019 bis Sonntag, 8.9.2019 treffen wir uns zu unserer 35. Jahrestagung in der Landessportschule in Bad Blankenburg / Thüringen. Die Sportschule hat uns ein begrenztes Zimmerkontingent bis zum 8.7.2019 reserviert: Übernachtung im

EZ 54,- € / Person, incl. Frühstück;
DZ 44,- € / Person, incl. Frühstück.
Mittagessen (Samstag) und Abendessen (Freitag und Samstag) wird für je 10,- € angeboten.

Zimmer- und Essenbestellung richten Sie bitte möglichst bald direkt an die Landessportschule; Kontaktdaten und Formular siehe im Anhang.

Ihre Anmeldung zur Teilnahme an der Tagung senden Sie bitte an die Adresse des Kassenwarts. Dazu können Sie das Formular im Anhang verwenden: Ausgefüllt als E-Mailanhang oder ausgedruckt als Briefpost (nicht als Fax an die früher angegebene Fax-Adresse; hatte nie zuverlässig funktioniert!). 

Zur Deckung der Unkosten müssen wir eine Tagungsgebühr von 10,- € erheben, die Sie bitte zeitnahe zu Ihrer Anmeldung auf das Konto der AG Eulen überweisen. 

 

Das Tagungsprogramm ist noch nicht ganz abgeschlossen. Schwerpunkte der Vorträge sind

  • Habichtskauz-Projekte,
  • Rauhfußkauz-Monitoring,
  • die Situation des Sperlíngskauzes,
  • Populationsdynamik des Uhus,
  • Situation der Eulen im Gomilsha Forest Nationalpark in der Ostukraine,
  • Erfolge im Eulenschutz und Bildungsarbeit in Südafrika,

weitere angefragt.

Kurzentschlossene melden ihr Vortragsthema umgehend bei Michael Jöbges an:michael.joebges@gmx.de

 

Am Sonntag Vormittag werden 2 Exkursionen angeboten …

  1. in Rauhfußkauz-Lebensräume im Thüringer Wald (H. Meer),
  2. in Auerhuhn-Lebensräume im Thüringer Wald (Dr. J. Wiesner).

 

Auf Wiedersehen in Bad Blankenburg!

Herzliche Grüße,

Klaus Hillerich

Anmeldung zur Teilnahme an der Jahresversammlung der AG Eulen vom 6. bis 8. September 2019 in der Landessportschule Bad Blankenburg / Thüringen



FINGER WEG von jungen Eulen!

28.02.2019

Obwohl in vielen Regionen der Bundesrepublik die meisten Eulen noch gar nicht mit der Brut begonnen haben, sind in Großstädten wie Berlin oder München bereits die ersten jungen Waldkäuze „unterwegs“. Die Jungeulen haben ihre Bruthöhlen gerade verlassen und werden, da sie noch flugunfähig sind, leider oft von Spaziergängern als vermeintlich verwaiste oder verletzte Tiere in Obhut genommen.

Tatsächlich sind die Nachwuchs-Eulen allerdings weder das eine, noch das andere, weshalb wir dringend appellieren, junge Eulen vor Ort zu belassen! Sie tun den Tieren keinen Gefallen, wenn sie außerhalb ihrer natürlichen Umgebung in Pflegestationen aufwachsen müssen.

Jungeulen verlassen ihren Horst von Natur aus lange bevor sie fliegen können. Bei uns sind das vor allem Waldohreule (Asio otus), Waldkauz (Strix aluco) und Uhu (Bubo bubo), in Regionen in denen er vorkommt, auch der Habichtskauz (Strix uralensis). Junge Waldkäuze werden dabei mit Abstand am häufigsten entdeckt (und „gerettet“).

Die noch flugunfähigen Jungvögel sind bei allen genannten Arten ausgezeichnete Kletterer – das Kletterverhalten ist ihnen angeboren. In der sogenannten „Infantenristen- oder Ästlingsphase“ bewegen sie sich laufend, kletternd oder hangelnd im Astwerk oder Fels, oftmals sogar am Boden. Dort machen sie durch laute Bettelrufe auf sich aufmerksam und werden bis zum Flügge werden von den Alttieren versorgt.

Bei Gefahr, beispielsweise wenn sich ein Spaziergänger nähert, kauern sie sich regungslos dicht an den Boden und reagieren selbst dann nicht, wenn man unmittelbar vor Ihnen steht.

Die so aufgefundenen Jungeulen sind aber keineswegs hilflos. Besteht keine unmittelbare Gefahr durch eine nahe gelegene Straße oder freilaufende Hunde, sollte man sie daher einfach sitzen lassen.




Streunende Hauskatze bedroht brütenden Uhu

Christian Harms, Freiburg

Vom Verursacher der Bedrohung ist in der Videoaufzeichnung zunächst nichts zu sehen. Etwas im Blickfeld des brütenden Uhuweibchens zieht dessen Aufmerksamkeit auf sich. Mit der gleichförmigen aber stets wachsamen Ruhe des Brutgeschäfts ist es schnell vorbei: die Irritation des Weibchens nimmt erkennbar zu, schließlich steigt sie aus der Nestmulde und spreizt die Flügel maximal zum imposanten Rad. Die eindrucksvolle Demonstration in Übergröße soll einen Angreifer einschüchtern, der sich in bedrohlicher Weise dem brütenden Uhuweibchen genähert hat. Um die abschreckende Wirkung der Drohhaltung zu unterstreichen, wiegt sich das Weibchen von einem Bein aufs andere, stets die volle Frontalseite dem Angreifer präsentierend und vermutlich unterstützt durch warnendes Schnabelknappen. Als auch das noch immer nicht den erwünschten Abwehrerfolg erzielt, prescht das Weibchen blitzartig zu einer Flugattacke gegen die akute Bedrohung vor, unter heftiger Staubaufwirbelung – eine eindrucksvolle Demonstration von geballter Abwehrkraft mit hohem Überraschungseffekt. Die Kamera, fokussiert auf den Nahbereich des Brutplatzes, hat den Angreifer bislang gar nicht erfasst.

Etwa 45 Sekunden später taucht an der Böschung links neben dem Brutplatz eine Hauskatze in getigerter Fellstruktur auf, kurz darauf gefolgt vom Uhuweibchen, das wenig mehr als einen Meter von der Katze entfernt an der Böschung landet und wiederum seine flügelspreizende Droh- und Abwehrhaltung einnimmt. Die Katze zieht sich offensichtlich in eine geschützte Position am Fuß der Lösswand zurück. Etliche Minuten lang standen sich Katze und Uhu in Konfrontation gegenüber, mal mehr, mal weniger angespannt, bevor das Uhuweibchen schließlich zum Brutplatz zurückkehrte und sich wieder auf den Eiern niederließ. Zwischen der ersten Irritation des Weibchens bis zur Wiederaufnahme des Brutgeschäfts vergingen knapp 20 Minuten. So weit das Live-Video einer erfolgreich abgewehrten Attacke eines unvermuteten Beutegreifers.

In der Literatur finden sich Hinweise auf einige „typische Kandidaten“, die als mögliche Uhu-Prädatoren verschiedentlich in Betracht gezogen wurden (z.B. Görner 2016). Die Liste umfasst - wenig überraschend – Beutegreifer wie Fuchs, Dachs, Marder, Marderhund und Waschbär sowie Wildschweine – alle durchaus plausibel. Andere, obschon ebenso plausibel, blieben bislang in der Literatur unerwähnt: Wildkatze, streunende Hunde und Hauskatzen, Wolf, Luchs, Steinadler, um nur einige weitere mögliche Kandidaten zu nennen. Für die genannten Wildtierarten mag gelten, dass ihre relative Seltenheit und spärliche Verbreitung einen regelmäßigen konfrontativen Kontakt mit dem ebenfalls nicht übermäßig häufigen Uhu eher unwahrscheinlich machen. Hingegen wurden die beiden Haustierarten als mögliche Bedrohung des Uhus schlicht übersehen.

Sucht man nach klar belegten Beispielen von Prädationsattacken auf den Uhu, fällt das Ergebnis ernüchternd aus. Verwundern muss das nicht: solche Vorkommnisse ereignen sich vornehmlich im Dunkel der Nacht und entziehen sich somit der Beobachtung. Es wäre reiner Zufall, wenn die Beobachtung einer Prädationsattacke gelänge und auch noch beweiskräftig dokumentiert werden könnte. Es sei denn, ja, es sei denn, man legt sich systematisch auf die Lauer und stellt potenziellen Tätern eine Falle – in Form einer Infrarotkamera, die - bewegungsgesteuert oder kontinuierlich aufzeichnend – auch seltene nächtliche Aktionen im Bild festhalten kann. Genau das war meine Zielsetzung, als ich für dieses Projekt zwei alternative Uhubrutplätze mit IR-Video- und Überwachungskameras ausstattete. Die Vorgeschichte in diesem Revier ließ vermuten, dass hier wiederholt Uhubruten zerstört und Nestlinge durch Prädation ums Leben gekommen waren – Details dazu bei Harms & Lühl (2017) und Harms (2018b).

Insgesamt wurden in diesem Revier an dem für die Brut gewählten Platz während der Brutzeit 2018 fünf Besuche von potenziell lebensbedrohlichen Beutegreifern mithilfe der IR-Videokamera erfasst (Harms 2018a). Bei den Angreifern handelte es sich um Dachs (2x), Fuchs, Hauskatze sowie einen weiteren, nur außerhalb des Kamerablickfeldes operierenden und daher nicht identifizierten Besucher, der nichtsdestotrotz eine heftige Abwehrreaktion des Uhus auslöste. Im Bereich der von mir observierten Uhupopulation im Raum Freiburg konnten mithilfe von Überwachungskameras zusätzlich noch Kolkraben, Rabenkrähen, Steinmarder, Wildkatzen und Wildschweine als potenziell uhu-gefährliche Besucher in unmittelbarer Nähe von Uhubrutplätzen identifiziert werden, wobei diese Besuche überwiegend nicht in Gegenwart des Uhus stattfanden. Diese Aufnahmen belegen damit zunächst einmal nur, dass diese Plätze für die betreffenden Räuber erreichbar sind und auch aufgesucht werden. Bedauerlicherweise (aus Sicht des Naturschutzes) wurden an einem relativ leicht zugänglichen Platz auch wiederholt menschliche Besucher als Störer des Brutgeschehens von meinen Überwachungskameras erfasst (Harms 2015).

Erfreulich, aus der Sicht des Uhus, war in der hier vorgestellten Untersuchung (Harms 2018a), dass alle Besucher durch die beherzte Abwehrreaktion des Uhuweibchens gestoppt werden konnten und in die Flucht geschlagen wurden. Und offensichtlich hat die kraftvolle Abwehr einen bleibenden Eindruck bei den Angreifern hinterlassen, denn für den Rest der Brutzeit wurden keine weiteren Besuche dieser potenziell gefährlichen Beutegreifer an diesem Brutplatz registriert – in Abwägung des eigenen Risikos ist ihnen der Appetit auf eine vermeintlich leichte Mahlzeit anscheinend vergangen. Mehrfach bis gegen Ende der Jugendzeit (zuletzt Mitte August) wurden zwei voll flugfähige Junguhus im Umfeld dieses Brutplatzes putzmunter angetroffen. Damit haben sie offensichtlich die Bedrohungen und Fährnisse der Nestlings- und Jugendperiode wohlbehalten überstanden, nicht zuletzt dank des mutigen Einsatzes des Uhuweibchens. Für dieses Revierpaar ist damit 2018 nach zwei komplett verlustreichen Brutversuchen (2015 und 2016) und einem Jahr ohne Brut 2017 (Harms 2018b) erstmals eine Brutsaison erfolgreich verlaufen.

Ungeachtet dieser dokumentierten Befunde aus dem Jahr 2018 an diesem einen Brutplatz mit ihrem insgesamt „glücklichen“ Verlauf darf man realistischerweise nicht davon ausgehen, dass alle Attacken von Beutegreifern immer so glimpflich verlaufen wie in diesem präsentierten Beispiel. Unsere aufwendige und intensive Überwachung von etwa einem Dutzend Uhubrutpaaren im Raum Freiburg hat wiederholt plötzliche Verluste von Nestlingen und Junguhus erbracht, die kaum anders als durch Prädation zu erklären waren (Harms & Lühl 2017, Harms 2018b). Wie sich gezeigt hat, finden solche Prädationsereignisse zumeist im Dunkel der Nacht statt. Die Chancen der Erfassung von Prädationsattacken im Rahmen der üblichen Kontrollbesuche sind minimal. Nur durch den konsequenten Einsatz von IR-Video- und Überwachungskameras kann es gelingen, die Täter auf frischer Tat dingfest zu machen. Kürzlich konnten wir außerdem nachweisen, dass der vermeintlich dominante Uhu im Konkurrenzkampf um attraktive Brutplätze keineswegs immer die Oberhand behält: eines unserer Revierpaare wurde von Gänsesägern (Mergus merganser) aus seiner mehrjährig erfolgreich genutzten Bruthöhle verdrängt und musste auf einen geringerwertigen alternativen Brutplatz ausweichen (Harms et al. 2019).

Dass Fuchs und Dachs unter den bedrohlichen Besuchern waren, konnte nicht überraschen, da sich mehrere Eingangsröhren zu Fuchs- bzw. Dachsbauten in unmittelbarer Nachbarschaft dieses Uhubrutplatzes befinden. Zudem waren Fuchs und Dachs mehrfach von den Fotofallen erfasst worden. Hingegen waren streunende Hauskatzen zwar ebenfalls mehrfach ins Blickfeld meiner Überwachungskameras geraten, mit einer konfrontativen Bedrohungssituation, wie sie in dem Videoclip festgehalten ist, hatte ich jedoch nicht gerechnet. Die zeitliche wie auch örtliche Häufigkeit, mit der streunende Hauskatzen von den Kameras erfasst werden, zeigen allerdings, dass wir es hier mit einem Beutegreifer zu tun haben, dessen negative Auswirkungen in seinem Streifgebiet möglicherweise erheblich unterschätzt werden. Jüngst wurden in einer amerikanischen Studie sehr hohe Verluste unter Vögeln und Kleinsäugerarten ermittelt, die auf das Konto verwilderter bzw. streunender Hauskatzen gehen (Loss et al. 2013). Über die Auswirkungen streunender Hauskatzen sowie Hunden in unseren Landschaften gibt es episodische Berichte, aber noch keine systematischen Untersuchungen.

Hinweise auf weitergehende Informationen und Publikationen:

Görner M (2016): Zur Ökologie des Uhus (Bubo bubo) in Thüringen - Eine Langzeitstudie. Acta ornithoecoligica 8, 151-320

Harms C (2015): Lust und Frust beim Arbeiten mit Überwachungskameras an Uhubrutplätzen - ein Erfahrungsbericht. In: Rau F, Lühl R & Becht J (Hrsg.): 50 Jahre Schutz von Fels und Falken. Ornithologische Jahreshefte Baden-Württemberg 31 (Sonderband): 227 - 238

Harms C & Lühl R (2017): Hohe Verluste bei Uhubruten im Raum Freiburg - Vergleich mit erfolgreichen Brutplätzen. Eulen-Rundblick 67: 11 - 19

Harms C (2018a):Brütendes Uhuweibchen (Bubo bubo) wehrt Angriffe verschiedener Prädatoren ab. Ornithologische Mitteilungen 70: 139 – 152

Harms C (2018b): 2017 erneut hohe Verluste bei Uhubruten im Raum Freiburg. Eulen-Rundblick 68: 15-20

HarmsC, Hipp J & Hilfinger S (2019): Gänsesäger (Mergus merganser) verdrängen Uhu (Bubo bubo) in Konkurrenz um Bruthöhle am Kaiserstuhl. Ornithologische Mitteilungen 70 (im Druck)

Loss SR, Will T & Marra PP (2013): The impact of free-ranging domestic cats on wildlife of the United States. Nature Communications, doi: 10.1038/ncomms2380

Die genannten und weitere meiner Publikationen über Untersuchungen zum Uhu sind abrufbar unter www.researchgate.net/profile/Christian_Harms2/research .

Die Videos der Beutegreiferbesuche (sowie weitere von der Videoüberwachung an mehreren Uhubrutplätzen) sind einsehbar auf meinem YouTube-Kanal „cth-ornitho“.

Kontakt: Christian Harms (cth-frbg@go4more.de)

Freiburg, 16.2.2019




Rezension:

Die Zwergohreule in Österreich

MALLE G & PROBST R 2015: Die Zwergohreule (Otus scops) in Österreich. – Bestand, Ökologie und Schutz in Zentraleuropa unter besonderer Berücksichtigung der Kärntner Artenschutzprojekte. – Verlag Naturwiss. Verein für Kärnten/Klagenfurt; Sonderheft Nr. 65: 288 Seiten; 145 Abbildungen (Farbfotos, Video-Protokolle, Graphiken, Zeichnungen und Karten), 25 Tabellen und Anhang.

Der Titel ist ein glattes understatement, denn diese Schrift kann durchaus als detailreiche Monografie der Zwergohreule in Mitteleuropa bezeichnet werden, mit umfassender Einarbeitung historischer und aktueller Literatur und einem beeindruckenden Bericht über die bisherigen Artenschutzmaßnahmen im südlichsten Bundesland Österreichs im Anschluss.

Drei allgemeine Kapitel reichen von der Artbeschreibung (inklusive Nestlings- und Jugendgefieder, Mauser und Lautäußerungen) und einem Vergleich der Zwergohreule innerhalb der 53 Arten der Gattung Otus zu einer breiten Beschreibung der Lebensräume in den Kulturlandschaften Mittel-, Ost und Südeuropas, mit Vergleichen von Brut- und Überwinterungsgebieten.

Die acht folgenden Abschnitte konzentrieren sich auf den großräumigen Bestandsrückgang der Zwergohreule in Österreich seit Mitte des 20. Jhdts. und die heutigen Restvorkommen in den Bundesländern Burgenland, Steiermark und Kärnten. Im Rahmen der Bestandserhebung wurden zur individuellen Erfassung Sonagramme aller singenden Männchen herangezogen. In Kärnten wurden seit 1998, dem Beginn des Artenschutzprojekts, 644 Nistkästen angeboten, seit 2004 kamen 60 Nistkästen im Burgenland dazu. In diesem Zeitraum wurden 358 Nestlinge und 6 Weibchen beringt (z. T. mit Transpondern zur automati schen Ablesung am Nistkasten-Flugloch). Der Bruterfolg war mit 3,28 flüggen Jungeulen pro begonnener Brut überdurchschnittlich hoch. Zumindest für die Nestlingszeit konnte die Beuteliste mit Hilfe von Infrarot-Kameras in den Nistkästen protokolliert werden. Die Beutewahl wurde mit der aktuellen Verbreitung der Hauptbeutetiere (vornehmlich große Heuschrecken) verglichen.

Beeindruckend sind die Ausführungen zu den örtlichen Schutzmaßnahmen, wo es mit bewundernswertem Engagement nicht nur gelang zahlreiche Nisthilfen auf Privatgrundstücken zu montieren, zugleich die Akzeptanz für das nächtliche „Getute“ zu festigen, sondern auch zur Pflege und Wiederbegründung von blütenreichen Wiesen und Heckenlandschaften zu ermuntern. Mit der Bereitstellung hunderter Obstbäume von bodenständigen Sorten zur Sicherung und Wiederbegründung von Streuobstbeständen festigt das Projekt auch die landschaftliche Eigenart, zu der die Zwergohreule seit Jahrhunderten zählt, und geht damit weit über reine Artenschutzmaßnahmen hinaus.

Dieses reichhaltig illustrierte und sehr ansprechend gestaltete Buch ist wegen seiner Themenvielfalt und ausführlichen Darstellung jedem an Biologie, Ökologie und Artensicherung Interessierten zu empfehlen, auch abseits aller „Strigologie“.

W. Scherzinger




Bruterfolg der Eulen in Dresden 2018

Nach dem für die Dresdner Eulen überaus erfolgreichen Brutjahr 2017 hatten wir schon mit einem deutlichen Rückgang gerechnet. Schließlich ist ja bekannt, dass die Bruterfolge der Beutegreifer mit der Gradation und Degradation der Mäusepopulatio­nen korreliert. Möglicherweise setzte die trockene Kälte im März den Mäusen aber zusätzlich zu. Der Einbruch der Reproduktionsrate bei den Waldkäuzen war dieses Jahr besonders extrem.

1.Waldkauz

Die Balz der Waldkäuze Anfang des Jahres verlief völlig normal. Die meis­ten der bekannten Reviere waren be­setzt. Bei unserer jährlichen Kontrolle im Großen Garten fanden wir im Janu­ar nicht nur alle acht Reviere besetzt, sondern auch noch „überschüssige“ Vögel. Noch bis März nahmen wir an, dass um die Junge Garde und im Bo­tanischen Garten zusätzliche Paare ein Revier begründet hatten. Doch wir forschten bis Ende April vergeblich nach Ästlingen im Großen Garten. Erst am 28.04. fand Frau Böttinger an der Zoowiese (R VII) und an der Südallee in einer bisher völlig unbekannten Höh­le (R VI, Abb.1) Waldkauznachwuchs. Es waren je vier Jungvögel am Aus­fliegen, von denen sieben auch durch­kamen. Leider fanden wir trotz zahllo­ser Kontrollgänge keine weiteren Bru­ten!

Abb.1: Waldkauz-Nestling im Großen Garten (N.Kunschke, 10.05.2018)

Auch im übrigen Stadtgebiet sah es nicht anders aus. Die meisten der kon­trollierten Waldkauzreviere (183) wa­ren besetzt, aber wir konnten kaum Nachwuchs entdecken. Während wir 2017 einen Rekord von 82 Brutnachweisen registrierten (gegenüber dem Bericht 2017 erhöhte sich die Anzahl durch Nachmeldungen im Rahmen der laufenden Brutvogelkartierung noch um sechs), kamen wir 2018 trotz inten­siver Suche nur auf zehn Bruten. Da­bei entfielen auf die Dresdner Heide mit 60 Revieren auch nur drei. Ganz auffällig war, dass im Stadtgebiet in der Balzzeit an mindestens zehn Or­ten, an denen bislang kein Revier fest­gemacht werden konnte, und auch in jahrelang nicht besetzten Revieren Waldkäuze balzten (Gruna, Strehlen, Mockritz, Johannstadt, Pirnaische Vor­stadt, Prohlis, Leubnitz-Neuostra, Striesen, Plauen).

Abb.2: Waldkauz-Tageseinstand in Leutewitz (K.Fabian, 14.09.2018)

Möglicherweise hat­te der besonders gute Bruterfolg 2017 dazu geführt.

Abb.3: Waldohreulen-Ästling in Meußlitz (K.Fabian, 26.05.2018)

2.Waldohreule

Die Zahl der im Stadtgebiet entdeckten Brutenlag bei 25. Das ist zwar auch deutlich weniger als 42 Brutnachweise im Rekordjahr 2017, entspricht aber dem Mittel über viele Jahre. Es ist das erste mal, dass es mehr Waldohreulenbruten gab als Wald­kauzbruten!

Die erste Brut wurde wie bei den Waldkäuzen auch viel später gefunden als in anderen Jahren nämlich erst En­de Mai. Schwerpunkte der Ästlingsfun­de waren wieder die Verbreitungs­ Cluster Zschieren-Kleinzschachwitz-Meußlitz und Cossebaude-Gohlis.

Überraschungen gab es mit Brutnach­weisen in Gittersee, Pieschen, Tra­chenberge und Oberloschwitz. In der Dresdner Heide wurden wiederum gar keine Bruten entdeckt.

Es gab aber auch Orte, an denen im Februar/März Balzrufe zu hören waren, aber leider im Juni/Juli keine Ästlinge bettelten (unterschiedliche Stellen in Laubegast: Lehnert, Fabian, Pürschel; Gruna: Haufe; Bühlau am Heiderand: Stutzriemer).

Auch im Winter 2017/2018 vor der Brutsaison fanden wir vier Sammel­schlaf­plätze im Stadtgebiet von Dresden: in Zschieren, in Leubnitz-Neuostra, in Weixdorf und in Schullwitz. Durch gemeinsame Abflug-Zählungen in der Dämmerstunde ermittelten wir maximal elf, sechs, fünf bzw. zehn Eulen. Das ist wenig gegenüber den Ansamm­lungen in früheren Jahren. Es gab aber auch den ganzen Winter über Tageseinstän­de mit nur einer oder auch zwei Vögeln (Johannstadt, Bühlau). Möglicherweise korrelliert die Zahl der gemeinsam übertagenden Eulen mit der „Strenge“ des Winters (Schneemenge, Kälte).

3.Sperlingskauz

Der Bestand des Sperlingskauzes in der Dresdner Heide ist konstant geblieben. Die durch Andreas Knoll organisierten Synchronbegehungen ergaben zur Herbstbalz 2017 ca. 20 besetzte Reviere und zur Frühjahrsbalz 2018 noch sieben. Die Suche nach Brutplätzen dieser kleinen Eule ist aufwendig und blieb auch dieses Jahr auf einige wenige Reviere beschränkt. Wir fanden insgesamt drei besetzte Bruthöhlen. Im Steingründchen flogen drei Junge aus (die Reste zweier weiterer Nestlinge fan­den sich als Rupfung unter der Höhle; Brutkannibalismus) und an Schneise 5 konnte nur ein Ästling festgestellt werden. Am Reichsapfel konnte leider zur Ästlingszeit nicht mehr kontrolliert werden.

4.Weitere Eulen

Ein Rauhfußkauz wurde jeweils nur einmal an unterschiedlichen Stellen in der Dresdner Heide an der Alten Acht im Frühjahr verhört. Alle späteren Kontrollen blie­ben erfolglos.

Obwohl Schleiereulen westlich von Dresden im Kreis Meißen wieder erfolgreich wa­ren, wurde in Dresden auch 2018 keine Brut entdeckt. Im April 2018 wurde aber ihr Kreischen mehrere Nächte am Stresemannplatz in Striesen verhört (Düsterhöft).

Eine Sumpfohreule konnte F. Grunicke am 04.05.2018 an der Elbe im Ostragehege beobachten.

Abb.4 : Uhu als Nahrungsgast in Lockwitz (Thieme, 13.12.2013)

Der Uhu war ganz bestimmt auch die­ses Jahr hin und wieder als Nahrungs­gast im Stadtgebiet. Im November 2017 wurde bei Baumpflegearbeiten ein von Krähen gehasstes Exemplar im Großen Garten gesehen (Information über F. Bittrich) und ein großes Uhu­gewölle fand sich im Frühjahr nahe dem Zoo am Kaitzbach.

Am 20.01.2018 wurde in den frühen Morgenstunden ein Uhu auf der Müll­Deponie, Fa. AMAND in Lockwitz bei der Jagd auf Tauben in der Sortierhalle gesehen. Es war dort nicht der erste Besuch (vgl. Abb.4).

5.Steinkauz

Es laufen in Dresden weiter Bemühungen, die Wiederansiedlung des Steinkauzes, dessen Vorkommen auf dem Gebiet der neuen Bundesländer völlig erloschen waren, zu befördern. Seit 2017 läuft das EU-Projekt „Athene“ am Umweltzentrum Dresden, das sich vorrangig mit der Habitats-Analyse und -Verbesserung im Elbtal vom Elb­sandsteingebirge bis Dresden befasst. Dabei wird auf Neubesiedlung durch Einwan­derung der Art aus Tschechien gesetzt.

Im Stadtgebiet von Dresden sind wir seit 2016 - unterstützt durch die UNB und in Ab­sprache mit dem SMULG - dabei, die Wiederansiedlung durch Auswilderung zu be­fördern. Es erfolgten zunächst die Bewertung der möglichen Habitate und die An­bringung von Brutröhren in den vorgesehenen Streuobstwiesen durch die UNB. Als Projekt-Koordinator engagiert sich Rajko Dankhoff. Die Züchter um Herrn Zimmer hatten 2018 wieder mit 15 Jungtieren einen guten Bruterfolg. Es wurde aber be­schlossen, noch nicht auszuwildern, sonder zunächst den Züchterpool zu erweitern. 2018 wurden außerdem Kontakte zu Auswilderungs-Projekten in Brandenburg, Sach­sen-Anhalt, Sachsen und Thüringen geknüpft mit dem Ziel, Erfahrungen bei der Auswilderung zu übernehmen und Zuchttiere auszutauschen. Eine Wiederansiedlung allein durch Zuwanderung gelang zwar im Thüringer Grabfeld, ist aber für Sachsen eher unwahrscheinlich, da auch die polnischen Vorkommen nahezu erloschen sind.

Ich danke allen „Eulen-Helfern“ der Stadt für die Übermittlung von Beobachtungen und der UNB und dem KNB für die gute Zusammenarbeit

Dresden, den 01.11.2018
Dr. rer.nat. Klaus Fabian




Windkraft und Vögel

Wie ARTE versucht Fake-News mit Fake-News zu bekämpfen

„Data Science vs. fake“

Der TV-Sender ARTE hat sich zum Ziel gesetzt, „fake news“ zu bekämpfen, also die Verbreitung von falschen Informationen, wie sie v.a. in den „Sozialen Netzwerken“ zu finden sind. Dazu produziert ARTE 3-Minuten Filme, die Irrtümern entgegenwirken sollen. Die Absicht ist lobenswert; die Umsetzung jedoch leider misslungen.

Ein Beispiel ist ein Kurzfilm zur Frage, ob Windräder zu einem „vermehrten Vogelsterben“ führen (eine verunglückte Übersetzung von „surmortalité des oiseaux“). Es gibt zahlreiche Studien die differenziert belegen, welche Vogelarten durch Anflug an Windräder betroffen sind, teils bis zur Bestandsgefährdung (z.B. Thelander & Smallwood 2007, Smallwood & Thelander 2008, Schaub 2012, Bellebaum et al. 2013). So gibt die Datei der Vogelschutzwarte Brandenburg (Dürr 2018) mit >3.500 dokumentierten Todesfällen allein aus Deutschland (plus >10.000 aus anderen Ländern) und die kritische Quellen-Sammlung zu Windradopfern (Langgemach & Dürr 2018) wichtige Einblicke und Grundlagen für weitere Recherchen.

Es gibt also seriöse Informationsquellen zum Thema Windkraft und Vögel, die über das Internet zugänglich sind. ARTEs Autoren ignorieren all dies und konstruieren ihren Film um eine einzige Datensammlung aus Frankreich (LPO 2017), die zudem teilweise falsch oder unvollständig zitiert wird. So wird verschwiegen, dass der gefährdete Rötelfalke eine im Vergleich zum Bestand (Issa & Muller 2015: 332 Brutpaare) kritisch hohe Zahl von Windradopfern verzeichnet (23, lt. LPO 2017). Auch der Steinadler wurde in einer Studie als Opfer nachgewiesen (Itty & Duriez 2018); in der Liste der LPO fehlt die Art.

Die Datenbasis der LPO-Studie mit nur 1.102 registrierten Windkraftopfern aus fast 20 Jahren (1997-2014; nicht aus einem Jahr, wie ARTE behauptet) ist sehr inhomogen und genügt insgesamt wohl kaum wissenschaftlichen Ansprüchen. ARTE scheint dies nicht zu stören.

ARTEs Fazit: ein „vermehrtes Vogelsterben“ durch Windkraft gebe es nicht.

Unser Fazit: von einer seriösen Recherche kann bei diesem Film keine Rede sein. Eine differenzierte Beurteilung der Problematik versucht ARTE gar nicht erst. ARTE bedient sich dabei genau jener Methoden, die für „fake news“ typisch sind:

  • Keine umfassende Recherche: nur eine einzige Informationsquelle wird berücksichtigt
  • Keine Quellenkritik: diese Quelle wird nicht kritisch analysiert, Fachleute nicht konsultiert
  • Selektive Nutzung von Zahlen: aus dieser Quelle werden einzelne Zahlen und Behauptungen herausgegriffen und nicht immer korrekt zitiert
  • Vergleich von nicht vergleichbaren Tatbeständen: die Zahlen der Windkraftopfer werden relativiert durch Zahlen von Anflugopfer an Glasscheiben in den USA - was dies für gefährdete Vogelarten bedeutet bleibt unklar
  • Grobe Vereinfachung statt intelligenter Analyse: statt einer differenzierten Schlussfolgerung wird eine oberflächliche Phrase als unbezweifelbare „wissenschaftliche Tatsache“ hingestellt.

Der Film gegen „fake news“ wird damit selbst zu „fake news“. Andere ARTE-Filme aus derselben Serie sind ähnlich oberflächlich produziert. Dem Kampf gegen „fake news“ erweist ARTE damit einen Bärendienst. Es wäre besser, diese Filme ins Archiv zu verbannen.

Quellen:

ARTE (2018): Die Windräder verursachen ein vermehrtes Vogelsterben? / Les Éoliennes sont responsables de la surmortalité des oiseaux.
https://www.arte.tv/de/videos/081077-001-A/data-science-vs-fake/ (deutsche Version)
https://www.arte.tv/de/videos/RC-016740/data-science-vs-fake/
https://www.arte.tv/fr/videos/081077-001-A/data-science-vs-fake/ (französische Version)
https://www.arte.tv/fr/videos/RC-016740/data-science-vs-fake/

Bellebaum, J., Korner-Nievergelt, F., Dürr, T., Mammen, U. (2013): Wind turbine fatalities approach a level of concern in a raptor population. - J. Nature Conservation 21: 394-400
https://docs.wind-watch.org/bellebaum2013.pdf

Dürr, T. (2018): Vogelverluste an Windenergieanlagen in Deutschland. Daten aus der zentralen Fundkartei der Staatlichen Vogelschutzwarte im Landesumweltamt Brandenburg. Stand 19.3.2008.
https://lfu.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.312579.de

Issa, N., Muller, Y. (2015): Atlas des oiseaux de France métropolitaine. Nidification et présence hivernale.- Vol. 1., Delachaux et Niestle, Paris

Itty, C., Duriez, O. (2018): Le suivi par GPS, une méthode efficace pour évaluer l'impact des parcs éoliens sur des espèces à fort enjeux de conservation: l'exemple de l'Aigle royal (Aquila chrysaetos) dans le sud du massif central.- Actes du Séminaire Eolien et Biodiversité – Artigues-près-Bordeaux
https://eolien-biodiversite.com/IMG/pdf/itty-c_seb2017_.pdf

Langgemach, T., Dürr, T.(2018): Informationen über Einflüsse der Windenergienutzung auf Vögel. - Stand 19. März 2018
https://lfu.brandenburg.de/media_fast/4055/vsw_dokwind_voegel.pdf

LPO (2017): Le parc éolien français et ses impacts sur l’avifaune. Etude des suivis de mortalité réalisés en France de 1997 à 2015.- Juin 2017 – Actualisé en septembre 2017.- 92 S.
https://eolien-biodiversite.com/IMG/pdf/eolien_lpo_2017.pdf

Schaub, M. (2012): Spatial distribution of wind turbines is crucial for the survival of raptor populations.- Biol. Conserv. 155: 111-118
http://www.windland.ch/doku_wind/voegel/Wind_Rotmilan_Sempach_2012.pdf

Smallwood, K.S., Thelander, C.G. (2008): Bird Mortality in the Altamont Pass Wind Resource Area, California.- J. Wildlife Management 72(1): 215–223
https://www.biologicaldiversity.org/campaigns/protecting_birds_of_prey_at_altamont_pass/pdfs/Smallwood_2008-Altamont_mortality_estimates.pdf

Thelander, C.G., Smallwood, K.S. (2007): The Altamont pass wind resource area's effects of birds: A case history.- 25-46 in: de Lucas, M., Janss, G..E., Ferrer, M. (eds.): Birds and wind farms. Risk assessment and mitigation.- Quercus, Madrid

Peter Petermann

peter.petermann@ageulen.de




9. Internationales Symposium „Populationsökologie von Greifvogel- und Eulenarten“ 2018

Vom 18. bis 21. Oktober 2018 veranstaltet der Förderverein für Ökologie und Monitoring von Greifvogel- und Eulenarten e.V. gemeinsam mit der Deutschen Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Eulen e.V. (AG Eulen) das 9. Internationale Symposium „Populationsökologie von Greifvogel- und Eulenarten“ in Halberstadt.

Details zur Tagung bei MEROS
Programm




Aus Eulen-Rundblick 68:

Die Uhus am Hildesheimer Dom im Jahr 2017

von Wilhelm Breuer

Abbildung 1: Der Kreuzgang des Hildesheimer Doms im Sommer 2017. Die Kotspuren unter der Gaube verraten den Uhubrutplatz. (Foto: Angelika Krueger)

Der Beitrag ist Dipl.-Theol. Jürgen Franz Selke-Witzel gewidmet, früherer Diözesanreferent für Umweltschutz und Nachhaltigkeit des Bistums Hildesheim.

In den ersten fünf Monaten des Jahres 2017 blieb es weitgehend still um die Uhus am Hildesheimer Dom. Sie schienen erstmals seit 2014 ver­schwunden zu sein. Jedenfalls gab es keine Anzeichen für eine Brut im Westwerk des Domes, wo in den Jah­ren 2014, 2015 und 2016 Uhus gebrütet hatten (s. Breuer 2015a, 2015b, 2016). Die Bruten waren bis auf die Brut im Jahr 2016 erfolgreich verlaufen.

Dann aber fand der Hausmeister des Domes, Herr Ossenkopp, am Morgen des 01.06.2017 einen etwa sechs Wo­chen alten Jungvogel im Kreuzgang des Domes. Rasch stellte sich heraus: Die Uhus haben doch gebrütet, aller­dings nicht im Westwerk, sondern im Ende 2014 über dem im Kreuzgang des Domes in einer Dachgaube einge­richteten Uhunistkasten, in dem am 01.06.2017 weitere zwei junge Uhus und das Uhuweibchen entdeckt wur­den. Der Kreuzgang schließt im Osten an den Dom an. „Einfach woanders gebrütet: Uhus tricksen Bistum aus“, titelt die Hildesheimer Allgemeine Zeitung wenige Tage später.

In den Vorjahren hatten die Uhus die­sen Kasten nicht bezogen. Deswegen konzentrierten sich die Kontrollen der Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen (EGE) im Januar, Februar und März 2017 auf das Westwerk. Der Kasten im nur tagsüber geöffneten Kreuzgang wurde nicht kontrolliert, galt als von Tauben belegt und hatte deswegen ei­gentlich geschlossen werden sollen. Zuvor waren die kleine Plattform vor dem Kasten und eine zusätzliche Sitz­hilfe auf der Dachschräge unterhalb des Kastens entfernt worden. Beide Bauteile waren angebracht worden, um - im Falle einer Brut - jungen Uhus den Aus- und Wiedereinstieg in den Nistkasten zu erleichtern und sie zu animieren, länger in der Sicherheit des Brutplatzes zu bleiben und nicht vor­zeitig in den Kreuzgang zu springen.

Infanteristenphase im Kreuzgang

Die drei Uhus müssen um den 16.04.2017 (Ostersonntag) geschlüpft sein. Der Brutbeginn dürfte somit um den 12.03.2017 gelegen haben. Nach dem ersten am 01.06. ist der zweite am 04.06. (Pfingstsonntag) und der dritte Jungvogel am 07.06.2017 im Kreuz­gang des Domes gelandet. Der doppel­stöckige Kreuzgang ist von hohen Ge­bäuden umgeben. Uhus können das umbaute Geviert nur verlassen, wenn sie einigermaßen fliegen können.

Aus der Sorge heraus, die Uhus könn­ten durch die beiden Zugänge aus dem Kreuzgang in das Dominnere gelan­gen, wurden an den betreffenden Tü­ren Schilder mit der Aufschrift ange­bracht „Türen bitte schließen. Junguhus sollen nicht entwischen“. Weil sich nicht alle Besucher daran hielten, wurde der Schließmechanis­mus der Türen auf Initiative von Ale­xander Ottersbach so eingestellt, dass diese nach Öffnung von selbst zufallen. Architekt Alexander Ot­tersbach hatte die Sanierung von Dom und Kreuzgang über Jahre gelei­tet und war erstmals 2014 mit den Uhus am Dom in Berührung gekom­men.

Am 17.06.2017 hat Armin Kreusel die drei Jungvögel mit Ringen der Vo­gelwarte Helgoland gekennzeichnet. Die Ringe tragen die Aufschrift A1628, A1629 und A1630. Die beiden älteren Uhus scheinen Weibchen, der jüngere ein Männchen zu sein.

Grund zur Sorge gab auch das Tau­benabwehrnetz aus Nylonfäden, mit dem die Öffnungen im oberen Stock­werk des zweistöckigen Kreuzganges versehen sind. Es war zu erwarten, dass diese Öffnungen Ziel erster Flug­versuche der Uhus sein würden. Nach­weislich ist mindestens ein Uhu in die­se Netze geraten, ohne sich aber darin zu verfangen. Die Beringung der Uhus wurde als ein zusätzliches Risi­ko für ein Verfangen gesehen, dieses Risiko aber eingegangen.

Der Kreuzgang ist für Besucher zwi­schen 10 und 18 Uhr, für Gottesdienst­besucher ab 7 Uhr und bis 19:30 Uhr zugänglich. In der übrigen Zeit gehör­te der Kreuzgang gewissermaßen al­lein den Uhus.

Während der ersten Tage im Kreuz­gang hielten sich die jungen Uhus, of­fenkundig auf ihre Tarnung vertrau­end, weitgehend regungslos unmittelbar auf den niedrigen Begren­zungsmauern der umlaufenden Gänge auf, wo sie auf dem Sandsteinunter­grund von den meisten Besuchern gar nicht bemerkt wurden. Im weiteren Verlauf ihres Aufenthaltes versteckten sich die jungen Uhus in der niedrigen Vegetation des Kreuzganges (vor allem im Farn an den Mauern der Annenkapelle in der Mitte des Kreuzganges) und zwischen dem Wurzelstock der le­gendären 1.000-jährigen Rose und der dahinterliegenden verglasten Fenster­öffnung der Domapsis, wo die Uhus (zumeist alle drei) für Besucher zwar sichtbar, aber unerreichbar waren. Durch diese Öffnung waren die Uhus auch aus der Domkrypta heraus zu se­hen, was die Uhus aber nicht bemerk­ten. Diese Stelle ist nur einen Meter von der Gründungsreliquie des Domes entfernt und insofern der historisch be­merkenswerteste Ort des Domes.

Nach der abendlichen Schließung des Kreuzganges verließen die jungen Uhus zumeist rasch die Verstecke und richteten die Blicke auf die Öffnung in der Dachschräge, wo sich das Weib­chen aufhielt. Die Überreste von Tau­ben und Igeln sowie im Kreuzgang verteilte Gewölle der Jungvögel beleg­ten das nächtliche Treiben. Die freiste­henden Grabsteine im Kreuzgang waren bald Landeplätze bei Flugübungen; die höher gelegenen Fensteröffnungen des Domes zum Kreuzgang später Ta­gesruheplätze.

Der Hildesheimer Dom ist Weltkultur­erbe. Nach der Sanierung des Domes und der Annexgebäude zum 1.200-jäh­rigen Domjubiläum 2014 kommen täglich bis zu einige hundert Besucher in den Kreuzgang. Der Aufenthalt der jungen Uhus im Kreuzgang in der ers­ten Junihälfte 2017 fiel zudem mit der Blüte des legendären Rosenstocks zu­sammen, die ein Besuchermagnet ist. Mit Bekanntwerden des Aufenthalts der Uhus standen auch sie im Mittel­punkt des Interesses. Die Uhus haben den Andrang ohne erkennbare Schä­den überstanden. Dass die Uhus auf die Besucher panisch reagiert hätten, wurde nicht beobachtet.

Während des Aufenthalts der Uhus im Kreuzgang informierte ein Flyer mit Verhaltensregeln die Besucher über die Situation. Den Text des Flyers hat­te das Bistum Hildesheim mit der EGE abgestimmt. Zugleich hatten mit den Uhus am Dom vertraute Personen einen kritischen Blick auf die Vorgän­ge im Kreuzgang. Die meisten Besu­cher verhielten sich rücksichtsvoll; nur in Einzelfällen mussten Personen aus­drücklich um Zurückhaltung gebeten werden.

Der Aufenthalt der jungen Uhus im Kreuzgang war für hunderte Men­schen, insbesondere Kinder, über fast sechs Wochen ein besonderes Natu­rerlebnis und eine kleine Sensation. Keine anderen freilebenden Uhus dürften jemals so oft fotografiert wor­den sein. Insbesondere an den Wo­chenenden war der Verfasser am Ort, um die Besucher über die Uhus zu in­formieren und Fragen zu beantworten. Viele Besucher staunten über die Grö­ße der jungen Uhus. Manche Besucher kamen nur der Uhus wegen, manche fast täglich oder gar mehrfach täglich in den Kreuzgang. Die Hildesheimer Zeitung, die Kirchenzeitung und das Bistum Hildesheim berichteten über die Uhus. Der emeritierte Weihbischof Hans-Georg Koitz, der sich bereits in den Vorjahren für den Schutz der Uhus am Dom eingesetzt hatte, wurde nach der Hl. Messe mit Messgewand, Mitra und Bischofsstab im Kreuzgang bei den Uhus gesehen, wie er sie einer Schar Kinder erklärte. Auch Bischof Norbert Trelle, Domdechant Weih­bischof Heinz-Günter Bongartz und andere Mitglieder des Domkapi­tels sahen im Kreuzgang immer wie­der - auch mit einem kritischen Blick auf die Taubennetze - nach den Uhus. Der in etwa 25 m Höhe gelegene Brut­platz im Westwerk bietet diese Mög­lichkeit des unmittelbaren Beobachtens der Uhus nicht. Verlassen die jungen Uhus das Westwerk, entfernen sie sich rasch vom Dom, und es be­steht kaum mehr die Chance, sie zu beobachten. Ganz anders ist also die Situation im Kreuzgang.

Ende der Infanteristenphase

Am 01.07.2017 hat der älteste Uhu (A1630 „Mona Lisa“) den Kreuzgang verlassen. Am Nachmittag dieses Ta­ges wurde der Uhu bei strömendem Regen an einer großen Glasfassade un­ter einem wettergeschützten Gebäude­vorsprung in der Nähe des Domes an einem Parkplatz unbeeinträchtigt an­getroffen und wenige hundert Meter entfernt in einen mit Bäumen und Sträuchern bestandenen Garten ge­setzt, in welchem der Uhu sofort unter dichtem Aufwuchs verschwand. An­zeichen für einen Aufprall an der Glas­fassade gab es nicht. Die beiden ande­ren Jungvögel haben am 10.07. (A1628 „Josephine“) und 14.07.2017 (A1629 „Domenico“) den Kreuzgang verlas­sen. Zuvor hatte sich der ältere der bei­den etwa eine Woche lang gut sichtbar zumindest tagsüber wieder im Nist­kasten aufgehalten. Dort hielt sich während des Aufenthalts der Jungvö­gel im Kreuzgang tagsüber auch das Weibchen auf. Ob der Jungvogel von dort aus Flüge in den Kreuzgang un­ternommen hat ist nicht bekannt.

Die nur 400 m vom Dom im Turm der evangelischen Andreaskirche brüten­den Wanderfalken tauchten zwar im­mer wieder am Dom und über dem Kreuzgang auf. Schwere Attacken auf die Uhus wurden aber nicht beobach­tet. Dies dürfte auch darauf zurückzu­führen sein, dass die Uhus im Kreuz­gang von Wanderfalken kaum zu entdecken sind.

Von Mitte Juli bis zum 12.08.2017 wa­ren die drei jungen Uhus nach Ein­bruch der Dunkelheit auf dem bis 23:30 Uhr angestrahlten Vie­rungsturm des Domes zu hören und zu sehen. Der Vierungsturm ist ein ge­eignetes Tagesversteck für Uhus und dürfte dazu auch genutzt worden sein. Die Jungvögel wurden mindestens bis zum 12.08.2017 im Kreuzgang (und möglicherweise auch im Vie­rungsturm) von den Altvögeln mit Nahrung versorgt. Dazu stürzten sich die jungen Uhus gleichsam von der Balustrade des Vierungsturms in den darunter liegenden Kreuzgang. Wäh­rend dieser vier Wochen unternahmen die jungen Uhus auch kurze Flüge zu anderen Stellen der Dachlandschaft des Domes und auf benachbarte Ge­bäude und auf den Domhof, kehrten aber immer wieder zum Vierungsturm zurück. Mit dem Festtag der Aufnah­me Mariens in den Himmel, dem Wei­hetag des Domes, am 15.08.2017, ist der Aufenthalt der jungen Uhus am Dom zu einem Abschluss gelangt. Mitte August 2017 haben die jungen Uhus nämlich ihren Standort vom Dom in den westlich gelegenen Be­reich zwischen St.-Bernward-Krankenhaus und Roemer- und Pelizaeus- Museum verlagert. Dort befinden sich extensive Rasenflächen und alter Baumbestand. Hier sind die Haupt­nahrungshabitate des Uhupaares und das eigentliche Revierzentrum zu ver­muten. Beobachtet wurden die drei jungen Uhus im Umfeld des Domes zuletzt im September; ein einzelner auch noch im Oktober 2017. Den Kas­ten im Westwerk des Domes haben die Uhus während der Jungenaufzucht als Nahrungsdepot genutzt. Der Umwelt­beauftragte des Bistums, Jürgen Selke-Witzel, fand dort bei einer Kon­trolle eine hinterlegte Taube und eine Bisamratte.

Ausblick

Nach Bekanntwerden der Uhubrut im Kreuzgang haben Bistum und EGE Erfahrungen mit Uhus erstmals an diesem Brutplatz gesammelt. Gebäu­debruten von Uhus können grundsätz­lich - für Uhus und Menschen - Pro­bleme aufwerfen. Die Ereignisse im Kreuzgang sind aber resümierend be­trachtet durchaus positiv zu bewerten sodass keine Gründe ersichtlich sind, die Uhus dort - was artenschutzrecht­lich auch nicht ohne weiteres möglich wäre - an einer Brut zu hindern.

Zwar ist in dem vom Bistum eigens für die Uhus erweiterten Brutplatz im Westwerk Raum für Flugübungen, so­dass die jungen Uhus nicht unvorbe­reitet das Westwerk verlassen müssen. Im Kreuzgang dürften die Startbedin­gungen - trotz der vielen Besucher - für die jungen Uhus aber deutlich günstiger sein. Der Umstand, dass die bereits voll flugfähigen jungen Uhus über Wochen bis Mitte August 2017 am Dom festgehalten haben, spricht ebenfalls dafür. Allerdings wird man abwarten müssen, ob die Uhus dieses auch so sehen.

Abbildung 2: Die drei jungen Uhus auf dem Vierungsturm des Hildesheimer Doms im Juli 2017. (Foto: Antje Sell)

Das Bistum Hildesheim wird jeden­falls beide Brutplätze offenhalten, den Kasten im Kreuzgang grob reinigen und vielleicht auch die oben erwähn­ten baulichen Vorrichtungen wieder anbringen lassen. Die Uhus haben also auch 2018 die Wahl. Einen An­schluss für eine Webcam gibt es nicht nur im Westwerk, sondern auch im Kasten im Kreuzgang, sodass auch von dort eine Brut via Webcam beob­achtet werden könnte - bis dann, wenn Gott will, wieder Uhus im Kreuzgang landen. Dann sollen die Besucher noch besser informiert und weitere Vorkehrungen für eine störungsarme Infanter­isten­phase getroffen werden. Das seit 2014 am Dom entstandene Netzwerk Uhu-erfahrener Personen ist dabei von großem Nutzen.

Natürlich ist die Frage erlaubt, ob die Uhus am Dom diesen Aufwand wert sind und die Aufmerksamkeit gerecht­fertigt ist. Anderen Uhus in Deutsch­land wird eine solche Sorge nicht zu­teil. Uhus, die an einem vielbesuchten Ort wie dem Hildesheimer Dom brü­ten, bieten jedoch gute Voraussetzun­gen für die Vermittlung des Anliegens des Naturschutzes (auch für die Ab­grenzung von problematischer Ver­menschlichung und falschverstande­ner Tierliebe), für Initiativen für mehr Natur im Siedlungsbereich und für die Zusammenarbeit zwischen Kirche und Naturschutz. Insoweit verbindet sich mit den Uhus am Dom auch ein Bildungsauftrag. Um die Uhus herum ist insbesondere auf Initiative des Um­weltbeauftragten des Bistums ein breites Netzwerk von Personen ent­standen, die sich in kurzer Zeit große Kenntnisse angeeignet haben und bes­te Voraussetzungen bieten, dass eine Uhubrut am Dom auch 2018 erfolg­reich verlaufen kann.

Dank

Die drei Hildesheimer Domuhus ha­ben Paten gefunden: Joachim Acht­zehn, Angelika Krueger und Tarek Abu Ajamieh. Sie haben sich in besonderer Weise für den Schutz der Uhus eingesetzt. Die EGE dankte die­sen Personen deshalb mit einer Ehren­patenschaft: Herrn Achtzehn und Frau Krueger für umfangreiche Be­obachtungen und Berichte, die sie an den Verfasser in Hannover gerichtet haben, sodass dieser immer auf dem Laufenden war, ohne selbst am Ort sein zu müssen. Herrn Abu Ajamieh für die umfassende Information der Leser der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung. Die Beobachtung der Uhus war auch deshalb wichtig, damit bei Anzeichen einer Verletzung, Erkran­kung oder einem Verfangen in den Taubennetzen rasch hätte gehandelt werden können.

Die EGE dankt zudem allen Men­schen am Dom, insbesondere dem Domdechanten Weihbischof Heinz-Günter Bongartz, dem Umweltbe­auftragten des Bistums Jürgen Selke-Witzel, Herrn Edmund Deppe von der Kirchenzeitung sowie den Domküstern Herrn Körner, Herrn Musiol und Herrn Raulfs, den Haus­meistern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Dommuseums.

Zusammenfassung

2017 brüteten wie bereits in den Jahren 2014, 2015 und 2016 Uhus am Hildesheimer Dom. 2017 fand die Brut Eulen-Rundblick Nr. 68 – August 2018 erstmals nicht im Westwerk, sondern in einer 2014 eigens als Uhubrutplatz eingerichteten Dachgaube über dem doppelstöckigen Kreuzgang statt. Die Brut wurde erst entdeckt, als der erste der drei Jungvögel am 01.06.2017 in Alter von etwa sechs Wochen im von hohen Gebäuden umschlossenen Kreuzgang auftauchte. Dort verbrachten die jungen Uhus die Infanteristenphase und blieben danach noch bis Mitte August im Kreuzgang bzw. am Dom. Trotz hoher Besucherzahlen im Kreuzgang verlief die Zeit für Uhus und Besucher weitgehend problemfrei. Die Gründe für den Brutplatzwechsel sind unklar; aus menschlicher Sicht hat sich der Wechsel nicht als nachteilig erwiesen.

Literatur:
Breuer W 2015a: Brut des Uhus Bubo bubo am Hildesheimer Dom. Eulen-Rundblick 65: 9-11

Breuer W 2015b: Uhus am Hildesheimer Dom. Die großen Eulen entdecken die Stadt. Nationalpark 2/2015: 18-21

Breuer W 2016: Die Uhus am Hildesheimer Dom im Jahr 2015. Eulen-Rundblick 66: 41-42




Aus Eulen-Rundblick 68:

Uhu-Monitoring in Baden-Württemberg 2017: Das neue Populationsmaximum und der obligate Ruf nach Regulierung

von Frank Rau

Die Uhus blieben auch 2017 in Ba­den-Württemberg weiter auf Ex­pansionskurs und erreichten - nach dem letztjährigen Bestandsrückgang - ein neues absolutes Populations­maximum. Die Ergebnisse des von der Arbeitsgemeinschaft Wander­falkenschutz (AGW) durchgeführ­ten, flächendeckenden Monitorings in Baden-Württemberg (siehe dazu Rau2017) beleuchten einen hochgra­dig dynamischen Prozess mit enor­men interannuellen Fluktuationen und markanten regionalen Differen­zierungen, dessen Ende bislang noch nicht absehbar ist. Aber es überwiegt nicht nur die Begeisterung über diese erfolgreiche Wiederausbreitung einer ehemals ausgerotteten Art, sondern das verstärkte Auftreten dieses Spit­zenprädators ruft bereits wieder die ersten „Regulierer“ auf den Plan.

Die Brutsaison 2017

Nachdem in den zurückliegenden Jahren immer wieder die Witterung eine durchaus entscheidende Rolle im Verlauf der Brutzyklen von Wan­derfalken und Uhus spielte oder zu­mindest zu spielen schien, so war die Brutsaison 2017 durch einen hinsicht­lich der Temperaturen eher norma­len, aber außergewöhnlich trockenen und sehr sonnenscheinreichen Win­ter und ein sich anschließendes, ten­denziell zu warmes Frühjahr mit wechselnden, teilweise ergiebigen Niederschlägen und trotzdem viel Sonnenschein geprägt (Deutscher Wetterdienst2017). Ein kurzfris­tiger, aber massiver Kälteeinbruch in der zweiten Aprildekade führte zwar zu massiven Schäden in der Land­wirtschaft, verlief dieses Mal aber ohne eine ausgedehnte Schlechtwet­terlage mit Schnee- und Regenfällen und blieb weitestgehend ohne Aus­wirkungen auf das Brutgeschehen. Für die Uhus waren folglich die äu­ßeren Bedingungen ausgesprochen positiv und dies zeigte sich auch landesweit in den Populations- und Reproduktionskennwerten der Brut­saison 2017. Der deutliche Populati­onsrückgang des Jahres 2016 (Rau 2017) wurde nicht nur wieder ausge­glichen, sondern es wurde mit 224 Revierpaaren und 278 besetzten Re­vieren ein neues Populationsmaxi­mum in Baden-Württemberg erreicht (Abbildung 1). Dies stellt gegenüber dem Vorjahr ein Anstieg um 48 Re­vierpaare und 43 besetzte Reviere dar, ist aber auch nochmals ein deut­licher Zuwachs um 28 Revierpaare beziehungsweise 36 Reviere im Ver­gleich mit dem bisherigen Maximal­jahr 2015! Landesweit konnten 2017 43 erstmals besiedelte Revierzentren erfasst werden (2016: 25).

Mit dem aktuellen Bestandsanstieg setzen die Uhus in Baden-Württem­berg ihre bemerkenswerte Expan­sion fort. Wie bereits im Vorjahr angemerkt, ist die rezente Popu­lationsdynamik nach wie vor der Wachstums-Phase eines logistischen Wachstumsmodells zuzuordnen, aber die zunehmenden interannuel- len Fluktuationen des Bestands, de­ren maximale Jahresamplitude bei über ± 50 Revierpaaren pro Jahr lag (Abbildung 2), können als Indiz da­für gewertet werden, dass inzwischen über die reine Bestandsgröße und den Reproduktionserfolg hinaus weite­re Faktoren zu wirken beginnen, die fortschreitend regulierend auf die Po­pulation einwirken.

Dies lässt sich auch bei der Betrach­tung der Reproduktionsergebnisse des Jahres 2017 interpretieren: Ge­genüber dem Vorjahr 2016 zeigte sich neben den deutlich angestiegenen Beständen landesweit auch ein mar­kanter Anstieg bei der Zahl der er­folgreichen Bruten von 82 (46,6%) auf 137 (61,2%). Nach dem drastischen Einbruch auf nur noch 165 ausgeflo­gene Junguhus im Jahr 2016 stieg die Anzahl der flüggen Jungvögel 2017 wieder auf 257. Dies ist aber nach 2015 mit 316 und 2012 mit 287 flüg­gen Jungvögeln nur der drittstärkste Jahrgang (Abbildung 3). Erstmals in den zurückliegenden 20 Jahren ist also eine Abkopplung des Populati­onsmaximums von dem zugehörigen Bruterfolg zu beobachten. Eine Ursa­che hierfür war die gegenüber 2015 deutlich angestiegene Zahl jener Paa­re, die nicht mit einer Brut begonnen haben (2017: 31,7%, 2015: 15,8%), wohingegen die nachweislich abge­brochenen Bruten bei niedrigen 7,1% nahezu konstant blieben (2015: 7,7%). Demzufolge lag die Erfolgsquote 2017 lediglich bei 61,2% aller Revier­paare gegenüber 76,5% vor 2 Jahren. Auch war die Anzahl der Jungvögel pro erfolgreicher Brut mit 1,88 (2017) sowohl gegenüber 2,04 (2016) als auch 2,11 (2015) gesunken und ran­gierte deutlich unter dem Maximal­wert von 2,36 aus dem Jahr 2012. In der Summe resultiert 2017 eine lan­desweit recht niedrige Reproduktivität von 1,15 flüggen Jungvögeln pro Revierpaar (2015: 1,61).

Die stärkste Dynamik zeigte sich 2017 im Regierungsbezirk Süd-Würt­temberg mit der zentralen Schwäbi­schen Alb und dem Durchbruchstal der Donau. Durchaus erwartungsge­mäß waren hierbei maximale Wer­te zu verzeichnen, wobei gegenüber dem Vorjahr 2016 die Zahl der Re­vierpaare um 18 und die Zahl der erfolgreichen Bruten sogar um 25 an­stieg. Deutlich moderater verlief die Entwicklung in Nord-Württemberg und Süd-Baden, wo sich die Bestän­de um jeweils 12 und die erfolgrei­chen Bruten um 15 beziehungsweise 13 erhöhten. Nord-Baden fällt aus diesem Muster etwas heraus, denn der Bestand stieg lediglich um 6 Re­vierpaare an. Zunahmen zeigten sich deutlich im Bereich der Schwäbischen Alb und im Norden Baden-Württem­bergs, im Westen und Süden dagegen waren tendenziell überwiegend stabi­le Verhältnisse und leichte Abnahmen zu verzeichnen. Insgesamt zeigte sich 2017 die Schwäbische Alb noch deut­licher als wesentliches Zentrum der baden-württembergischen Uhupopu­lation!

Abbildung 1: Die Populationsentwicklung der Uhus inBBaden-Württemberg 1965-2017. Gegen­übergestellt sind die Zeitreihen der eindeutig identifizierten Revierpaare und der besetzten Re­viere (Summe der Revierpaare und der revierhaltenden Einzelvögel).
Abbildung 2: Die jährlichen Zu- und Abnahmen der Uhurevierpaare in Baden-Würittemberg 1965-­2017 wiesen in der Dekade 2008-2017 Amplituden bis über ±50 Revierpaare / Jahr auf! Die Kurve der besetzten Reviere zeigt einen analogen, aber in der Amplitude gedämpften Verlauf.

Vergleicht man aber die Bestands­situation dieses Jahres mit jener des letzten Maximaljahres 2015, so fällt unmittelbar auf, dass sich die Popula­tionsentwicklung vorrangig im Süden des Landes abgespielt hat: Die Regie­rungsbezirke Süd-Baden und Süd­-Württemberg wuchsen um 14 bzw. 15 Revierpaare, wohingegen die Uhupo­pulation der nördlichen Landesteile stagnierte oder sogar leicht zurück­ging.

Der Fortpflanz­ungs­erfolg der Uhus lag 2017 in allen 4 Regierungsbe­zirken deutlich über jenem des Vor­jahres. Am drastischsten stieg die Anzahl der ausgeflogenen Junguhus in den östlichen Landes­teilen: Um 44 in Süd-Württemberg und um 35 in Nord-Württemberg. Dem gegenüber war der Zuwachs in den westlichen Landesteilen eher verhalten. Es zei­gen sich deutliche Zunahmen in den Kern­räumen der Population auf der Schwäbischen Alb, im Neckartal und im angrenz­enden Odenwald. Dem ge­genüber stehen moderate Rückgänge im Westen des Landes.

Zusammenfassend zeugt auch die Brutsaison 2017 von den starken interannu­ellen Schwankungen und der anhaltenden, enormen Dynamik der landesweiten Populationsentwick­lung! Die ungebrochene Expansi­onstendenz der Uhus wird auch in diesem Jahr durch eine Vielzahl neu­er Ansiedlungen belegt. Bevorzugtes

Habitat sind nach wie vor aufgelas­sene oder aber auch aktive Steinbrü­che, jedoch finden sich auch Bruten und Brutversuche im urbanen Raum bis hin zur Balustrade einer Karlsru­her Schule. Und selbst wenn keine di­rekte Revierbesetzung nachgewiesen werden kann, so lassen sich doch Ein­zeltiere verstärkt in allen Landesteilen und Naturräumen flächendeckend, ganzjährig und habitatübergreifend antreffen.

Anmerkungen zur Reproduktivität der Uhus

Die oben dargestellten niedrigen Reproduktivitätswerte der Jahre 2015 - 2017 scheinen angesichts der un­gebremsten Expansion der baden-württembergischen Uhus erstaunlich niedrig. Es ist hier jedoch anzumer­ken, dass diese Kennzahl bei der baden-württembergischen Uhupo­pulation seit rund 30 Jahren ledig­lich sechs Mal einen Wert von 1,20 flüggen Jungvögeln pro Revierpaar überschritten hat und ein niedriges absolutes Maximum von 1,64 flüggen Jungen pro Revierpaar im Jahr 2012 erreichte (Abbildung 4). Die langjäh­rig ermittelten Reproduktivitätswerte (1990 - 2017) zeigen eine recht große Spannweite zwischen 0,46 (1994) und 1,64 (2012) flüggen Jungen pro Paar und Jahr. Der zwanzigjährige Mittel­wert liegt bei 1,08 ± 0,27 flüggen Jun­gen pro Revierpaar (1998 - 2017), das Mittel der zurückliegenden Dekade 2008 - 2017 liegt bei massiv angestie­gener Bestandsgröße mit 1,17 ± 0,29 flüggen Jungen pro Revierpaar nur unwesentlich höher und kaum über dem von Dalbeck(2003) angegebe­nen Minimalkriterium von rund 1,1 flüggen Jungen pro Paar und Jahr, die zur langfristigen Bestandserhaltung der Art erforderlich sein sollen. Die Daten des langjährigen Monitorings belegen deutlich, dass trotz des deut­lichen Bestandsanstiegs der jährliche Reproduktionserfolg der einzelnen Revierpaare dauerhaft eher nied­rig einzustufen ist. Dies deckt sich mit den in der Literatur angegebenen Werten (Bergerhausen et al. 1989, Mebs& SCHERZINGER 2008, JENNY 2011, Bauer et al. 2012) und stimmt auch mit den jüngst veröffentlichten langfristigen und großräumigen Be­obachtungen 1960 - 2015 aus Thü­ringen (Görner 2016) überein. Hier überschritten die jährlichen Reproduktivitätswerte der Uhus nur in we­nigen Jahren einen Schwellenwert von 1,00 flüggen Jungen pro Revierpaar. Demzufolge ist es durchaus plausibel, dass ein durchschnittlich niedriger Fortpflanzungserfolg in Konsequenz vieler nichtbrütenden Paare, niedri­ger Gelegezahlen und / oder höherer Verlustraten der noch nicht flüggen Jungvögel eher die Regel denn die Ausnahme auch in einer expandie­renden Uhupopulation darstellt (und zwar auch bei gegebenem Ausschluss nennenswerter Zuwanderung oder Auswilderung). Beobachtungen und Meldungen hoher Gelege- oder Brut­verluste sind also keine dramatischen Ausnahmen oder gar zwangsläufig besorgniserregende Probleme, son­dern repräsentieren vielmehr einen populationsdynamischen Normalfall. Darüber hinaus weisen diese Ergeb­nisse darauf hin, dass das Minimal­kriterium zur Bestandssicherung nach Dalbeck(2003) mittlerweile si­cher zu hoch angesetzt ist und einer Neujustierung bedarf.

Diskussion

Die Rückkehr der Uhus nach seiner Ausrottung in Baden-Württemberg ist eigentlich eine Erfolgsgeschich­te des Artenschutzes (Rau2015, vgl. Jöbges2017). Ohne wesentliche be­standsstützende Maßnahmen breitete sich die Großeule seit rund 30 Jahren wieder im gesamten Land aus und be­siedelt dieses heute nahezu flächen­deckend. Ein Ende dieser noch vor kurzem unvorstellbaren Entwicklung ist bislang nicht absehbar, aber schon jetzt zeichnen sich Probleme mit der Expansion der Uhus ab, mit denen sich der engagierte Vogelschutz aus­einandersetzen muss. Ähnlich wie mit Wolf oder Luchs gliedert sich mit dem Uhu derzeit ein sogenannter „Spit­zenprädator“ wieder in die Umwelt ein und verhält sich dabei möglichst artgemäß: Er dezimiert die anderen..! Dies wird dann zu einem Problem, wenn er als Konkurrent oder direkter Fressfeind von Zielarten des Arten­schutzes, der Tierliebe oder von Nut­zungsinteressen in Erscheinung tritt - dies sind Rebhühner ebenso wie Limikolen, Steinkäuze oder auch der Wanderfalke. Auch wenn der Uhu ei­nem opportunistischen Nahrungs­erwerb nachgeht und überwiegend leicht erbeutbare Ubiquisten schlägt (Mebs & Scherzinger2008), so fal­len ihm eben immer wieder auch sol­che „wertvollen“ Arten zum Opfer.

Abbildung 3: Die Fortpflanzungsergebnisse der Uhus in Baden-Württemberg 1965-2017. Der 2015 mit 316 flüggen Jungvögeln verzeichnete Maximalwert wurde trotz des neuen Populationsmaxi­mums 2017 nicht überschritten.
Abbildung 4: Die Reproduktivitätswerte rder Uhussin Baden-Württemb erg 1965-2017. Das von Dalbeck (2003) zur langfristigen Bestandserhaltung der Art errechnete Minimalkriterium von rund 1.1 flüggen Jungen pro Paar und Jahr ist rot unterlegt dargestellt. Jahre, in denen der landes­weite Uhubestand unter 10 Revierpaaren lag, sind grau wiedergegeben.

Reflexartig werden folglich seit ei­nigen Jahren aus einschlägigen, aber auch aus unerwarteten Kreisen wie­der Rufe nach einer „Regulierung“ der Uhus laut.

Die aufgezeigte Populationsentwick­lung der Uhus im Zeitraum 1965-2017 beleuchtet einen rezent ablaufenden, (weitgehend..) ungesteuerten und hoch­gradig dynamischen Prozess, der für die aut- und synökologische For­schung von großem Interesse ist. Vor diesem Hintergrund ermöglichen die Daten des langjährigen Monitorings von Wanderfalken und Uhus wich­tige Erkenntnisse. Erstmals in der über fünfzig­jährigen Geschichte des AGW-Programms konnten im Jahr 2017 in Baden-Württemberg mehr besetzte Uhu- als Wanderfalkenrevie­re nachgewiesen werden (Rau et al. 2017). Die naheliegende Vermutung, dass der zu beobachtende Rückgang der Wander­falken­population in Ba­den-Würt­tem­berg die unmittelbare Folge des Anwachsens der Uhupopu­lation ist, greift jedoch eindeutig zu kurz. Selbstverständlich verlieren die Wanderfalken an Terrain, (vermeint­lich?) traditionelle Brutplätze der Fal­ken werden zunehmend von den Uhus übernommen und wie in den Vorjah­ren wurden auch 2017 wieder diverse (zahlreiche?) durch Uhus verursach­te Brutverluste bei den Wanderfalken dokumentiert. Eine monokausale Be­standslimitierung des Wanderfalken durch den Uhu erscheint jedoch so­wohl aus theoretischen Überlegungen heraus als auch aufgrund der Ana­lyse der Monitoringergebnisse bei­der Arten als wenig wahrscheinlich. Dies wird nicht zuletzt durch diesjäh­rige Beobachtungen auf der Schwä­bischen Alb und deren Vergleich gestützt: Die unmittelbar benachbar­ten, naturräumlich sehr ähnlichen Landkreise Reutlingen und Alb-Donau-Kreis zeigten 2017 jeweils über­einstimmend einen hohen Bestand an Uhus (19 und 17 Revierpaare) mit ho­hen Reproduktionszahlen (24 und 27 ausgeflogene Junguhus bei 13 bzw. 14 erfolgreichen Bruten). Beide Kreise zeigten 2016 und 2017 eine konstante Besiedlungsdichte der Wanderfalken mit je 11 Revierpaaren. Trotz dieser weit reichenden Übereinstimmungen zeigten sich bei den Wanderfalken im Brutgeschehen deutliche Differen­zierungen: Im Alb-Donau-Kreis sta­gnierte die Fortpflanzung auf dem Niveau von 2016, dagegen wurden in Reutlingen sowohl bei den erfolgrei­chen Paaren (+7) als auch den flüg­gen Jungen (+15) deutliche Zuwächse verzeichnet! Und dies obwohl im Alb-Donau-Kreis zahlreiche Brutplätze durch Uhuschutzgitter gesichert sind. Interessanterweise konnten in Reut­lingen Neuansiedlungen des Wander­falken (n = 5) oftmals an vermeintlich suboptimalen Standorten in der Nähe bestehender oder ehemaliger Horste dokumentiert werden! Es scheint of­fensichtlich, dass die Wanderfalken neben den nachgewiesenen Verände­rungen der Habitatstruktur und einer sukzessiven Arealverschiebung auch kleinräumig auf das Auftreten der Konkurrenz reagieren können.

Dem Ansinnen nach einer Bestands­limitierung der Uhus ist nach allen bisherigen Erkenntnissen dringend entgegenzutreten! Rufe nach einer wie auch immer gerichteten Regu­lierung werden von der Arbeitsge­meinschaft Wanderfalkenschutz in Baden-Württemberg und Nordrhein-­Westfalen (Jöbges2017) ebenso wie von der Bundesarbeitsgruppe (BAG) Eulenschutz des NABU grundsätz­lich abgelehnt. Neben dem gesetzlich verankerten Schutz der Art sollte die weitere Beobachtung und Dokumen­tation der Bestandsentwicklungen ein wesentlicher Baustein der zukünfti­gen Aktivitäten des AGW-Monitoring-programms darstellen. Zahlreiche weitere Faktoren wie die unablässig fortschreitende Landschaftsnutzung, die direkte Verfolgung, aber auch ein denkbarer Nahrungsmangel durch einbrechende Kleinnager- und Vogel­bestände stellen zukünftige Heraus­Forderungen für den aktiven Schutz der Spezies dar.

Zusammenfassung

In Baden-Württemberg wurde 2017 mit 224 Revierpaaren und 278 be­setzten Revieren ein neues Populati­onsmaximum des Uhus erreicht. Der Anteil erfolgreicher Bruten (n=137) betrug 61,2%. Die Zahl der ausgeflo­genen Junguhus war mit 287 Jung­uhus die bisher dritthöchste. Die Ausbreitung erfolgte regional unter­schiedlich, wobei die Schwäbische Alb weiterhin das Zentrum der baden- württembergischen Uhupopulation ist. Die Uhupopulation zeigt weiter­hin bei starken jährlichen Schwan­kungen eine enorme Dynamik.

Literatur:

Bauer H-G, Bezzel E & Fiedler W 2012: Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Band 1: Nonpasseriformes - Nichtsperlingsvögel. 2. Auf­lage. Aula-Verlag, Wiebelsheim Bergerhausen W, Radler K & Wil­lems H 1989: Reproduktion des Uhus (Bubo bubo L.) in verschiedenen euro­päischen Teilpopulationen sowie einer „Population“ in Gehegen. Charadrius 25(2): 85-93

Dalbeck L 2003: Der Uhu Bubo bubo (L.) in Deutschland - autökologische Analysen an einer wieder angesiedel­ten Population - Resümee eines Arten­schutzprojekts. Shaker Verlag, Aachen Deutscher Wetterdienst2017: WitterungsReport Express.

Görner M 2016: Zur Ökologie des Uhus (Bubo bubo) in Thüringen - Eine Langzeitstudie. Acta ornithologica 8(3-4): 151-320

Jenny D 2011: Bestandsentwicklung und Bruterfolg des Uhus Bubo bubo im Engadin. Ornithologischer Beob­achter 108(3): 233-250

Jöbges M M 2017: Zum Vorkom­men des Uhus (Bubo bubo)2015/16 in Nordrhein-Westfalen - Trend, Beeinträchtigung, Interaktion. In: Arbeitsgemeinschaft Wanderfal­kenschutz des NABU-NRW (ed.): Jahresbericht 2016: 10-17 MebsT & ScherzingerW 2008: Die Eulen Europas. Biologie - Kennzei­chen - Bestände. Kosmos, Stuttgart RauF 2015: Bestands- und Areal­entwicklung von Wanderfalke Fal- co peregrinusund Uhu Bubo buboin Baden-Württemberg 1965-2015. In: RauF, LühlR & BechtJ (Hrsg.): 50 Jahre Schutz von Fels und Falken. Ornithol. Jh. Bad.-Württ. 31 (Sonder­band): 99-127

Rau F 2017: Uhu-Monitoring in Ba­den-Württemberg: Bestands- und Arealentwicklung von Uhus Bubo buboin Baden-Württemberg 2016. Eulen-Rundblick 67: 37-41 RauF, BechtJ, LühlR & FischerB 2017: Wanderfalken und Uhus in Ba­den-Württemberg - Die Brutsaison 2017. In: Arbeitsgemeinschaft Wan­derfalkenschutz Baden-Württem­berg:Jahresbericht 2017. http://www.agw-bw.de/veroffentlichungen/jahresberichte/, 15.3.2018: 4-8




Familiäre Zwiesprache beim Schleiereulenbrutpaar

Ernst Kniprath

Gern setze ich mich dem Vorwurf der Vermenschlichung aus und zeige eine doch eindeutige Situation im Brutkasten des Kanton Aargau, Departement Bau, Verkehr & Umwelt, Abteilung Landschaft & Gewässer, Entfelderstrasse 22, in CH 5001 Aarau. Das Männchen hat in den letzten 10 Stunden mindestens sechs Mäuse gebracht (fünf davon liegen beim 1. Bild zwischen seinem rechten Fuß und der Wand des Kastens) und sich dabei wohl selbst vergessen. Gerade ehe es wieder zur Jagd starten wollte, bemerkte es offensichtlich seinen Hunger.

eigentlich noch Hunger
Darf ich?
Ich versuche es mal
Darf ich wirklich?
sieht gut aus
nicht lange gezögert




Fastzusammenstoss mit einem Waldkauz

18.06.2018

Heute morgen um 4:00 Uhr fuhr ich per Fahrrad von meiner Suche nach jungen Eulen in den Rheinauen nördlich von Karlsruhe nach Hause. Es war auf einem scheußlich zu fahrenden, von Kräutern und Gras fast zugewucherten Feldweg, von dem nur die beiden Radspuren nicht bewachsen waren, als mir plötzlich ein Waldkauz in Hüfthöhe entgegengeflogen kam. Er war offenbar von meinem recht hellen Fahrradscheinwerfer geblendet und zog nur wenige Meter vor mir in die Höhe meines Kopfes hoch.

Während ich mich duckte, drehte der Kauz im letzten Moment nach links ab. Ich spürte sehr deutlich seinen Fahrtwind, hielt an und notierte das Ereignis, während er sich aus dem nahen Wald mit einigen Revierstrophen meldete.

Der unbefangene Leser wird sich fragen, wieso ein Waldkauz knapp über der Krautschicht über der Radspur eines Feldweges fliegt. Die Antwort ist einfach: er sieht nach, ob irgend wo ein Mäuslein in der Radspur herum läuft. In dem hohen Kraut hat er keine Chance, eine potentielle Beute zu erwischen.

Schuld an dem Beinaheunfall war eindeutig ich: ich fuhr am linken Rand des Feldweges :-(. Zum Glück hat der kluge Kauz sehr umsichtig reagiert.


Aber Spaß beiseite, denn die ganze Geschichte hat einen Hintergrund, der mich schon lange beschäftigt: die Reaktion nicht nur der Eulen auf helles Licht.

Seit Einführung der Leuchtdiodentechnologie können auch Fahrradscheinwerfer eine ganz beachtliche Blendkraft entwickeln und was sich hinter so einer blendenden Lichtquelle befindet, kann der Geblendete nicht sehen.

Geblendeter Steinmarder aus ca. 1,5 m Entfernung fotografiert

Daraus können schöne Beobachtungen resultieren, wie z.B. der abgebildete Steinmarder, der mich zuerst wegen des Fahrradlichtes nicht sah und den ich schon während des Anhaltens per Taschenlampe blendete, um ihn zu fotografieren.

Die meisten Tiere erkennen helles Licht nicht als Gefahr und der Beobachter kann sich hinter seinem Lichtkegel verstecken. Im Straßenverkehr wird es ihnen aber gar zu oft zum Verhängnis.

Einen Spezialfall bilden Rehe am Straßenrand, vor allem, wenn sie einem den Spiegel zeigen. Werden sie in dieser Stellung mit starkem Licht angeleuchtet, sehen sie plötzlich ihren eigenen, sich langsam drehenden und kürzer werdenden Schatten und starren gebannt und mit nach vorne gespitzten Ohren darauf. Wenn das Fahrzeug dann so nahe ist, dass sie es nicht mehr überhören können, springen sie völlig unberechenbar los und wenn man Pech hat, eben gerade in die falsche Richtung – Rehe sind Fluchttiere und keine Intelligenzbestien, denn das Essen läuft ihnen nicht davon.

Als umsichtiger Autofahrer sollte man beim nächtlichen Anblick eines Rehhinterns bremsen, abblenden und hupen, damit man auf das Fluchtverhalten rechtzeitig reagieren kann. Als Radfahrer betätige ich im Zweifelsfall einige Meter vor dem Reh die Klingel.

A.F.

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