Schnee-Eule

Bubo scandiacus früher: Nyctea scandiaca

Text von Karl-Heinz Graef
Überarbeitung und Aktualisierung Dr. Wolfgang Scherzinger, Dez. 2021

Merkmale

Schnee-Eule Männchen
Schnee-Eule Männchen

Die Schnee-Eule ist mit einer Größe von 58-63 cm nur wenig kleiner als ein Uhu, dabei hinsichtlich Körpergestalt und Gefiederfärbung unverwechselbar. Charakteristisch sind der breit-runde Kopf mit den oft nur spaltförmig geöffneten, gelben Augen, sowie ein lackschwarzer Schnabel, der großteils von buschigen Vibrissen verdeckt wird. Gesichtsschleier unauffällig. Die kleinen, spitze Federohren sind nur selten sichtbar. Die Füße und die Zehen sind pelzig-dicht und weiß befiedert, so dass sie wie Schneeschuhe wirken.

Im Jugendgefieder sind Schneeeulen noch kräftig schwarz-weiß gebändert (Weibchen stärker als Männchen). Wenn die individuelle Variationsbreite auch groß ist, so zeigen adulte Weibchen typischerweise derbe Flecken und Querbänder auf weißem Grund. Männchen werden mit dem Alter zunehmend weiß mit wenigen dunklen Sprenkeln oder Bändern, mitunter auch gänzlich schneeweiß.

Im Flugbild fallen der große Kopf und die langen Flügel besonders auf. Schneeeulen migrieren über enorme Strecken, selbst über das offene Meer. Dabei beherrschen sie sowohl einen kräftigen Ruderflug als auch reaktionsschnelles Wenden sowie Rütteln am Ort. Zur Balz segelnd-schwebender Imponierflug.

Lebensraum

Schnee-Eule (Weibchen) mit<br/>Jungvogel
Schnee-Eule (Weibchen) mit
Jungvogel

Der typische Lebensraum der Schnee-Eule ist die offene, übersichtliche, arktische Tundra in den nördlichsten Gebieten Europas, Asiens und Nordamerikas. Bevorzugt werden küstennahe Bereiche und Insellagen. Auf dem Zug und im Überwinterungsgebiet nutzt die Eule aber auch weite Prärien- und Steppengebiete, Flusstäler und Seenbecken; wegen des besseren Beuteangebots auch Agrarland und Brachen. Folgt auf Jahre mit besonders guter Reproduktion ein außergewöhnlich strenger Winter, so weichen Schneeeulen oft weit nach Süden aus, und können dabei sogar in Mitteleuropa als seltene Wintergäste auftreten. Meist handelt es sich um Jungeulen, die sich meist im Küstenbereich aufhalten (hier Jagdmöglichkeit auf Seevögel)

Schneeeulen brüten ausschließlich auf offenem, vegetationsarmen Boden. Bevorzugt erhöhte Stellen in deckungsfreiem Gelände, soweit diese früher schneefrei und trocken sind. Zudem bieten diese einen guten Überblick, so dass sich Prädatoren nicht unbemerkt annähern können.

Nahrung

Schnee-Eule Jungvögel im Gehege
Schnee-Eule Jungvögel im Gehege
Das Beutespektrum der Schnee-Eule ist jahreszeitlich sehr verschieden: Stellen zur Brut und Jungenaufzucht Lemminge und nordische Wühlmäuse bis zu 95% der Beutetiere, so jagt die kräftige Eule außerhalb der Brutzeit nach ergiebigerer Beute, wie Schneehühnern, Schneehasen oder Wasservögeln. Auf dem arktischen Packeis überwinternde Eulen spezialisieren sich auf Meersvögel, wie Möwen, Lummen und Enten. Auf ihren Wanderungen und im Überwinterungsgebiet an den Küsten zählen selbst Krebse und Fische zur Beute. In Mangeljahren zehrt die Eule von ihren Fettreserven, kann in sehr kritischen Hungerzeiten sogar Muskelmasse abbauen.

Fortpflanzung

Schnee-Eule Weibchen (zu erkennen <br/>an den dunklen Brustfedern)
Schnee-Eule Weibchen (zu erkennen
an den dunklen Brustfedern)

Unabdingbare Voraussetzung für Balz und Brut ist ein Überangebot an Beutetieren geeigneter Größe. Da die Bestände der unabdingbar erforderlichen Lemminge und anderer Kleinsäuger zyklisch schwanken, bieten sich derartige Beutedichten regional nur alle 3-4 Jahre. Profitable Brutgebiete müssen entsprechend jährlich neu erkundet werden, weshalb Schnee-Eulen während der Frühlingsmonate über enorm große Strecken wandern.

Haben die Eulenmännchen ein passendes Beuteangebot entdeckt, so markieren sie ein Jagdrevier mit auffälligen Imponierflügen und bellendem Reviergesang. Auch hocken sie auf exponierten Stellen, um mit ihrem weißen Gefieder den Gebietsanspruch zu demonstrieren. Schneeeulen sind i. R. monogam, doch kommt es jährlich zur Neuverpaarung.

Männchen wie Weibchen präparieren gemeinsam eine Brutmulde, indem sie Grassoden, Steine oder Erdbrocken abtragen, selbst wenn der Boden noch gefroren ist. Das Weibchen beginnt um die zweite Maihälfte mit der Eiablage, und brütet ab dem erst-gelegten Ei. Gelegegrößen stehen in enger Abhängigkeit zum Nahrungsangebot und umfassen meist 5-7 reinweiße Eier (in Extremjahren 12, ausnahmsweise auch 16 Eier; Legeintervall 2-5 Tage). Während der Bebrütungsdauer von etwa 32-34 Tagen verlässt das Weibchen den Brutplatz nur für kurze Zeit, zumal wenn noch winterliche Verhältnisse herrschen. Dem Legeintervall entsprechend schlüpfen die Jungen in rund zwei Tagesabständen und wachsen bemerkenswert schnell. Bereits im Alter von 1-2 Wochen krabbeln sie gelegentlich und ab der dritten Woche regelmäßig aus der Nestmulde. Bereits in diesem Alter verteilen sich die Jungeulen im weiten Umkreis, und machen die futtertragenden Eltern mit laut-zwielendem Betteln und Flügelschlagen auf sich aufmerksam. Erstes, sicheres Fliegen und selbständiges Beuteschlagen bereits mit 8-9 Wochen.

Bestandsentwicklung und Gefährdung

Bestandsrückgänge gelten für die gesamte Holarktis. Von ursprünglich 200.000-300.000 angenommenen Paaren wird der Weltbestand aktuell nur noch auf 14.000 Brutpaare geschätzt; er kann in Mangeljahren sogar auf nur noch 8.000 Paare sinken. Für Europa wurden zuletzt 700-2.300 Paare gemeldet. Der unerwartete Bestandsrückgang dürfte zum einen durch klimatische Veränderungen verursacht sein, durch die die typischen Lemming-Zyklen erheblich verflachten. Zum anderen nahmen selbst im Hohen Norden Erschließungen und Störungen durch menschliche Aktivitäten massiv zu, wie speziell der Verkehr mit Schneemobilen abseits von Straßen und Wegen. Zusätzlich fordert ein stark angewachsener LKW-Verkehr auf den Transitrouten immer wieder Opfer, speziell bei geschlossener Schneedecke, da die Eulen in der schneefreien Fahrbahn ein günstiges Jagdgebiet vermuten. Auch verunglücken zahlreiche Eulen auf ihrer Wanderung durch Unfälle in der Kulturlandschaft, wie Kollisionen mit Stromleitungen, Fahrzeugen oder sogar Flugzeugen.

Indigene Volksgruppen des Hohen Nordens nutzen traditionell Eier, aber auch Fett und Fleisch der Schneeeulen. Auch kommt es noch immer zu Abschüssen, weil Schneeeulen als Konkurrenten bei der Schneehuhnjagd vermutet werden.

Schutzmaßnahmen

Für solche direkten Eingriffe in die Eulenbestände gibt es heute keine Rechtfertigung mehr. Dringlicher erscheint es aber, einen raschen Abbau der unzähligen Unfallursachen zu fordern, wie die Vermeidung von Stromschlag und Kollisionen an Hochspannungsmasten. Jedenfalls sollte der Verkehr mit Schneemobilen in der offenen Tundra während der Wintermonate und zur Brut- und Aufzuchtszeit eingeschränkt, zumindest geregelt werden.