36. Jahrestagung der AG Eulen 2021 in Münster (NRW)

Schwerpunktthema „Steinkauz und Schleiereule als Nutznießer gepflegter Streuobstwiesen“

von Michael M. Jöbges

Bericht über die 36 Jahrestagung der AG Eulen in Münster / Westfalen vom 15. bis 17. Oktober 2021

Erstmals in der Geschichte der „Deutschen Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Eulen e.V.“ (AG Eulen) zwang uns die Corona-Pandemie im Jahr 2020 zu einer Absage der Jahrestagung. Umso erfreulicher war es, dass die 36. Jahrestagung der AG Eulen unter Beachtung des Hygienekonzeptes vom 15. bis 17. Oktober 2021 in der Akademie Franz-Hitze-Haus in Münster in Nordrhein-Westfalen stattfinden konnte. Für die Planung und tatkräftige Organisation vor Ort danken Vorstand und Beirat insbesondere sehr herzlich Hubert Große Lengerich und Dr. Susanne Petschel.

 Gruppenbild der Teilnehmer
Gruppenbild der Teilnehmer

Nordrhein-Westfalen ist vielen Menschen nicht als Eulenland präsent. Das sehr urban geprägte Bundesland beherbergt jedoch hohe Populationen von Uhu, Steinkauz und Schleiereule. Vor allem das sehr bäuerlich geprägte Münsterland weist vielfältige Lebensräume für mehrere Eulenarten auf und gilt als Dichtezentrum des Steinkauzes in Deutschland. Demzufolge standen Steinkauz und auch Schleiereule als Nutznießer gepflegter Streuobstwiesen im Mittelpunkt der Fachtagung.

Neben den Vorträgen aus Deutschland bereicherten Referenten aus der Schweiz und den Niederlanden das Vortragsprogramm. Insgesamt konnte der Vorstand der AG Eulen rund 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmer begrüßen, die eine mehr oder weniger weite Anreise hinter sich hatten.

Das Tagungsprogramm begann am Freitag mit einem Abendvortrag von Dr. Andreas Schüring aus dem Emsland (Niedersachsen). Der Referent beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Eulen und deren Schutz, insbesondere mit dem „Kobold der Nacht“, dem Steinkauz. Eindrucksvolle Bilder verbunden mit einem breiten Fachwissen faszinierten die Eulenfreundinnen und Eulenfreunde. Der beeindruckende Vortrag über seine Verhaltensstudien am Steinkauz kam beim Fachpublikum sehr gut an und wurde mit anhaltendem Applaus honoriert.

Danach trafen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum traditionellen Eulenstammtisch, um Erfahrungen rund um das Thema Eulen auszutauschen, die ausgestellten Fotos zu bewerten bzw. sich die Poster anzuschauen: Das Poster von Elke Ewert illustrierte altersbedingte Veränderungen von Augen (Iris) und Federn bei uralten Steinkäuzen im Alter von 16 und möglicherweise 30 Jahren; die Biologische Station Kreis Steinfurt (NRW) informierte über Steinkauzschutz.

Pünktlich um 09:00 Uhr am Samstag begrüßte der Vorsitzende der AG Eulen Michael M. Jöbges die Anwesenden und eröffnete die Fachtagung.

Für die Nordrhein-Westfälische Ornithologengesellschaft e.V. (NWO) überbrachte Dr. Ralf Barfknecht Grußworte. Aufgrund der landesweit hohen Bestände und Bedeutung des Steinkauzes in NRW hat die NWO diesen Sympathieträger zum Vereinssymbol gewählt.

Ein Grußwort vom Dachverband Deutscher Avifaunisten e.V. (DDA) überbrachte Dr. Christoph Sudfeldt. Der DDA, mit Sitz in Münster, ist der Zusammenschluss aller landesweiten und regionalen ornithologischen Verbände in Deutschland. Er vertritt damit etwa 11.000 Feldornithologen und Vogelbeobachter.

Den ersten Fachvortrag hielt Hubert Große Lengerich aus Münster über seine 30jährigen Schutzbemühungen für Schleiereule und Steinkauz im Raum Münster. Beide Arten konnten durch das Aufhängen von Nistkästen in ihren Beständen stabilisiert und gefördert werden, trotz anhaltender Lebensraumentwertung. So nahm der Steinkauzbestand von acht Brutpaaren 1994 auf 232 Brutpaare 2021 zu. Der Referent sieht es als notwendig und erforderlich an, Eulenschutz nicht als Sprint, sondern als Marathondisziplin zu betreiben.

Ebenfalls beeindruckend war der Vortrag von Ronald van Harxen aus den Niederlanden. Jahrzehntelange biologische Untersuchungen von vielen Steinkauz-Experten im Dichtezentrum des Steinkauzes in den an Nordrhein-Westfalen angrenzenden Niederlanden erbrachte viele neue Informationen über Legebeginn, Gelegegröße, Anzahl der Jungvögel und Bruterfolg. Beobachtungen mit Kameras zeigten, dass Jungtiere überwiegend mit kleinen Beutetieren, vor allem Insekten, gefüttert werden. Weiterhin wurde dokumentiert, dass Steinkäuze sich auf das Aktivitätsmuster von Wald- und Feldmaus einstellen und wenn notwendig auch tagsüber Feldmäuse jagen.

Nach der Kaffeepause übernahm Dr. Mia-Lana Lührs die Moderation der Fachvorträge.

Der nächste Referent, Herbert Keil aus Ludwigsburg (Baden-Württemberg), berichtete über Überlebensrate und Dispersion von Steinkäuzen im Landkreis Ludwigsburg. Bei diesem Projekt wurden 237 Jungvögel mit Telemetrie-Sendern versehen, die eine Reichweite von > 30 km und eine Lebensdauer von rund 400 Tagen hatten. Damit konnten die Überlebensrate im gesamten Jahresverlauf dokumentiert und die Raumnutzung sowie Wanderung der Jungtiere verfolgt werden.

Dr. Alexandra Esther vom Julius-Kühn-Institut aus Münster referierte über Resistenzen bei Schadnagern (Ratten und Mäusen) gegen blutgerinnungshemmende Rodentizide (Antikoagulanzien) und Gefahren durch diese Rodentizide. Landwirtschaftliche Betriebe müssen Rattenbefall verhindern, denn Ratten können Überträger verschiedener Tier- und Humanpathogene sein. Die Bekämpfung erfolgt überwiegend durch die Ausbringung von antikoagulanten Rodentiziden. Die Bestände von schädlichen Nagern können jedoch auch durch geeignete Hygienemaßnahmen verringert und die Notwendigkeit von Pestizideinsätzen somit reduziert werden.

Im nächsten Beitrag informierte Magdalena Wlodarz von der Universität Potsdam (Brandenburg) über das Nahrungsspektrum junger und adulter Schleiereulen in Brandenburg. Im Rahmen ihrer Masterarbeit begleitete sie dazu Schleiereulen über ein Jahr lang und wertete Gewöllefunde aus. Die Ergebnisse bestätigten anhand von 5.136 identifizierten Beutetieren frühere europaweite Befunde, die Wühlmäuse als Hauptbeutetiere und Spitzmäuse als zweithäufigste Beute von Schleiereulen nachgewiesen haben. Sie zeigten aber auch Unterschiede in der Zusammensetzung der Nahrung zwischen Alt- und Jungvögeln auf.

Vor der Mittagspause versammelten sich die Teilnehmer zum obligatorischen Tagungsfoto mit anschließendem Mittagessen, wobei auch genügend Zeit zum Fachaustausch blieb.

Nach der Mittagspause übernahm Christiane Geidel die Leitung der Fachtagung. Als erster Referent berichtete Stephan Grote aus Münster über Obstweiden und Obstwiesen in der westfälischen Kulturlandschaft, ihre Geschichte, Ökologie und Pflege. Neben den regelmäßig vorhandenen, linearen Heckenstrukturen sind Obstwiesen die wichtigsten Biotope. Seit den 1960iger Jahren wurde die Beweidung der Obstwiesen zunehmend aufgegeben. Gleichzeitig fanden immer weniger Neuanpflanzungen statt. Fehlende Kenntnisse über Schnitt und Erziehung der Obstbäume, mangelhaftes Wissen zum Wuchs der Baumarten und -sorten führen u.a. dazu, dass neu angelegte Obstwiesen keinen hohen ökologischen Wert mehr erreichen.

Nachfolgend stellte Dr. Christian Harms aus Freiburg (Baden-Württemberg) neue Einblicke in das Verhalten von Uhus unter Freilandbedingungen vor, die er mittels Mikrofon und Kamera (Videoaufzeichnungen) dokumentierte. Seit Jahren arbeitet Dr. Harms mit dieser Technik, um Uhu-Geheimnissen auf die Spur zu kommen. Erste Ergebnisse seiner Untersuchungen unter Einsatz von digitalen Audiorekordern (ARUs) im Freiland wurden vorgestellt, u.a. Auseinandersetzungen zwischen Uhu und Gänsesäger infolge von Nistplatzkonkurrenz, ebenso wie Beobachtungen zur Brutphänologie (Vorverlegung des Brutbeginns beim Uhu und die Nutzung von Ausweichbrutplätzen).

Der nächste Vortrag von Hubert Ortmann aus Ladbergen, Kreis Steinfurt (NRW), betrachtete das Zusammenleben von Waldkauz und Hohltaube. Das Untersuchungsgebiet befindet sich im Tiefland des nördlichen Münsterlandes, südlich des Teutoburger Waldes. Große Veränderungen des Nutzwaldes durch den Klimawandel haben das Angebot an natürlichen Nisthöhlen für beide Arten drastisch verringert. Sie profitieren jedoch seit Jahren von dem Angebot an Nisthilfen.

Nach der Kaffeepause moderierte Dr. Jochen Wiesner den letzten Vortragsblock. Zuerst berichtete Olaf Geiter von der Vogelwarte Helgoland mit Sitz in Wilhelmshaven über die Eulenberingung in Nordwestdeutschland im Bereich der Markierungszentrale Helgoland. Herr Geiter dokumentierte die Jahresberingungsdaten der heimischen Eulenarten und analysierte deren Wiederfundergebnisse. Er appellierte an die Tagungsteilnehmer, verstärkt Markierungen an Eulen vorzunehmen, zum Beispiel von Waldohreulen.

Simon Birrer von der Schweizerischen Vogelwarte Sempach stellte den zweiten Europäischen Brutvogelatlas EBBA2 vor (Keller et al. 2020). Für dieses gewichtige Werk haben rund 120.000 Ornithologinnen und Ornithologen über fünf Jahre Vögel erfasst. Im Buch sind nun Karten zu finden, aus denen Verbreitung und Häufigkeit aller Arten zu entnehmen sind, aber auch Veränderungen seit dem ersten Brutvogelatlas. Herr Birrer berichtete in seinem Vortrag über Veränderungen in der Verbreitung der europäischen Eulenarten.

Der nächste Referent, Steffen Kämpfer aus Münster, berichtete über die Brut- und Nahrungsökologie der Sumpfohreule auf den Ostfriesischen Inseln. Von dieser Art ist nur sehr wenig über die Lebensraumansprüche und Brutökologie bekannt. Vor diesem Hintergrund wurden zwischen 2011 und 2019 umfangreiche Untersuchungen zu diesen Aspekten durchgeführt, wobei neben Habitat- und Nahrungspräferenzen ein Schwerpunkt auf der Ermittlung des Schlupf- und Bruterfolgs lag. Konkrete Ergebnisse wurden vorgestellt.

Der letzte Fachvortrag der Tagung behandelte das Thema Forstwirtschaft in Natura 2000 Gebieten. Martin Lindner aus Sundern, Hochsauerlandkreis (NRW), resümierte zum unzureichenden Erhaltungszustand in Natura 2000 Gebieten (FFH-Gebiete, Vogelschutzgebiete). Der Referent bittet um Hinweise, Fakten, Artikel und Fotos aus Deutschland, um eine weitere Bewertung von Natura 2000 Gebieten vornehmen zu können.

In den Pausen und besonders nach dem letzten Vortragsblock hatten die Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmer Gelegenheit, sich die im Vortragsraum ausgestellten Eulenbilder anzuschauen und zu bewerten. Die fünf bestplatzierten Fotos können auf der Homepage der AG Eulen angeschaut werden. Herzlichen Dank allen Fotografinnen und Fotografen, die sich am Wettbewerb beteiligt haben bzw. allen, die eine Bewertung der Bilder vorgenommen haben!

Am Samstagabend fand die jährliche Mitgliederversammlung (MV) statt. Siehe Protokoll zu Verlauf und Ergebnissen!

Zum Abschluss der Tagung fanden am Sonntagvormittag bei gutem Wetter im Stadtbereich von Münster zwei Exkursionen per Bus statt. Die Leitung der ersten Exkursion übernahm Hubert Große Lengerich. Diese führte zu Steinkauz- und Schleiereulen-Habitaten im Stadtbereich von Münster. Die zweite Exkursion steuerte das EU-Vogelschutzgebiet „Rieselfelder Münster“ an. Manfred Röhlen aus Telgte erläuterte kenntnisreich die Entwicklung der Rieselfelder und deren ornithologische Besonderheiten, von denen u.a. ein Kuhreiher als seltener Gast zu sehen war. Beiden Exkursionsleitern danke ich sehr herzlich für die fachlich hervorragenden und eindrucksvollen Führungen. Mit vielen interessanten Eindrücken beendeten die Exkursionsteilnehmerinnen und -teilnehmer gegen Mittag die Tagung.

Die nächste Jahrestagung der AG Eulen wird vom 20. bis 25. Oktober 2022 in Halberstadt (Sachsen-Anhalt) stattfinden. Der Vorstand und Beirat der AG Eulen hoffen, viele Eulenfreunde und Mitglieder der AG Eulen auf der nächsten Jahrestagung 2022 begrüßen zu dürfen. Bleiben Sie gesund und haben Sie weiterhin viel Freude an der Beobachtung und Förderung der heimischen Eulenwelt!

Michael M. Jöbges

Literatur:

Keller V, Herrando S, Voříšek P, Franch M, Kipson M, Milanesi P, Martí D, Anton M, Klvaňová A, Kalyakin MV, Bauer H-G & Foppen RPB 2020: European Breeding Bird Atlas 2: Distribution, Abundance and Change. European Bird Census Council & Lynx Edicions, Barcelona