Nachdem im Vorjahr die AG EulenJahresversammlungin Baden-Württemberg stattgefunden hatte, ging es 2017 in den hohen Norden Deutschlandsnach Breklum, unweit von Husum, der „Grauen Stadt am Meer“. Welch ein auffälliger landschaftlicher Kontrast, der sich besonders bei der Exkursion in den Beltringharder Koog zeigte, einer Fläche, die erst 1987 durch Eindeichung dem Meer abgerungen worden war. Im vergangenen Jahr waren es noch Steinbrüche mit Wanderfalken und Uhus als Brutvögel,nunmehr dagegen Grünland und Naturschutzflächen voller rastender nordischer Gänsescharen und mit einem der wenigen Sumpfohreulen-Vorkommenin Schleswig-Holstein.
Die 33. Jahrestagung der AG Eulen fand vom 20.-22. Oktober im Christian Jensen Kolleg statt, dem Evangelisch-Lutherischen Bildungs- und Tagungszentrum von Nordfriesland, das mit dem Ausspruch wirbt: „Mitten in Nordfriesland, wo der Himmel weit ist und eine Nordseebrise über das Marschland weht…“. Diesem Ausspruch folgend war das Wetter während der ersten beiden Tage auch windig und regnerisch-nasskalt.
Umso erfreulicher, dass sich etwa 110 Teilnehmer auf den Weg gemacht hatten und zum größten Teil bereits am Freitagabend zum allseits geschätzten Eulenschützer-Stammtisch zusammengefunden hatten. Dabei gibt es alle Jahre wieder ein großes Wiedersehen, da sich viele der aus allen Teilen der Bundesrepublik angereisten Teilnehmer nur auf den Jahrestagungen treffen und sich hier ausgiebig über ihre Erlebnisse und Erfahrungen der vergangenen Eulen-Brutsaison austauschen.
In diesem Jahr wurde die Jahresversammlung der AG Eulen vom „Landesverband Eulen-Schutz in Schleswig-Holstein e.V.' ausgerichtet, einem gemeinnützigen Verein, der sich dem Schutz der Eulen verschrieben hat und inzwischen über 400 Mitglieder zählt. Eine gute Gelegenheit für den Eulenschutzverband, seine Arbeit gemäß dem Tagungs-Motto „Eulenforschung und Eulenschutz - mit Schwerpunkt Schleswig-Holstein“ vorzustellen.
Dies spiegelte sich auch in dem umfangreichen Tagungsprogramm wieder,in dem allein 9 von 13 Fach-, Foto- und Filmbeiträgen den Eulenschutz im hohen Norden der Bundesrepublik zum Inhalt hatten.
Am Samstag eröffnete Jochen Wiesner, der Vorsitzende der AG-Eulen, pünktlich um 8:30 Uhr die Fachtagung und begrüßte die angereisten Teilnehmer. Nach den Grußworten von Thorsten Elscher aus dem Umweltministerium des Landes Schleswig-Holstein (MELUND) und Volker Looft vom Landesnaturschutzverband (LNV) begann der erste Vortragsblock mit einem Rückblick von Johann Böhling über 35 Jahre erfolgreicher Arbeit des Landesverbandes Eulen-Schutz. Er spannte den Bogen von den Anfängen des Eulenschutzes in Schleswig-Holstein mit dem ersten Artenhilfsprogramm zur „Wiedereinbürgerung des Uhus in Schleswig-Holstein“ bis zur Gegenwart mit weiteren Artenhilfsprogrammen für die Schleiereule, den Steinkauz sowie die Waldbewohner Rauhfuß- und Sperlingskauz.
Nach diesem Überblick ging es im Detail um die einzelnen Eulenarten. Den Anfang machte Matthias Haupt mit einem Bericht aus den Referenzgebietendes Waldkauzes. Bei dieser „Allerweltsart“, die überall in den Waldgebieten Schleswig-Holsteins vorkommt, wurde in den untersuchten Gebieten keine Bestandsabnahme festgestellt. Es wurden lediglich die üblichen Bestands-Schwankungen in Abhängigkeit vom Nahrungsangebot verzeichnet.
Danach berichtete Karl-Heinz Reiser über die beachtlichen Erfolge bei der Wiedereinbürgerung des Uhus. Nachdem der Uhu seit 1831 etwa 150 Jahre lang als Brutvogel in ganz Schleswig-Holstein gefehlt hatte, kann gegenwärtig erfreulicherweise berichtet werden, dass der Uhu seit den ersten Auswilderungen 1980/82 das Land - abgesehen von den Marschen - wieder flächendeckend besiedelt hat und in Schleswig-Holstein inzwischen einen Bestand von ca. 400 Brutpaaren aufbauen konnte.
Natürlich bleibt es nicht ohne Auswirkungen, wenn ein Top-Prädator wieder das Ende der Nahrungskette einnimmt, und es wird aktuell vermehrt die Frage gestellt, wie sich der Uhu auf die Bestände anderer Greifvogelarten, insbesondere den Mäusebussard, auswirkt? Diese Frage und die Frage der Raumnutzung des Uhus auch mit Blick auf seine Gefährdung durch Windkraftanlagen untersuchte Thomas Grünkorn im Auftrag des Umweltministeriums und in Zusam-menarbeit mit dem Landesverband für Eulen-Schutz. In seinem eindrucksvollen Vortrag „Einblicke in die Lebensweise des Uhus mittels Videokamera und Sender“ konnte er dazu erste Ergebnisse seiner auf zwei Jahre konzipierten Forschungsarbeit vorstellen.
Detaillierte Einblicke in das intime Brutverhalten eines Uhupärchens gewährte uns Christian Harms, nicht zuletzt auch mit eindrucksvollen Videosequenzen, die er in der Nähe von Freiburg während eines kompletten Reproduktionszyklus an einem ungestörten Brutplatz mittels IR-Videoka- mera aufgezeichnet und dieses umfangreiche Datenmaterial verhaltensanalytisch ausgewertet hat.
Nach der Mittagspause ging es mit sehr beeindruckenden Impressionen von Christian Willer weiter. Den meisten Eulenfreunden ist die Sumpfohreule hinlänglich bekannt, aber nur selten hat man das Glück, diese auch ausgiebig zu beobachten. Daher erfreuten sich die Teilnehmer an den zahlreichen Bildern von Sumpfohr-eulen, die beispielhaft für die nordfriesischen Inseln, in diesem Fall auf Amrum, fotografiert worden sind. Hier ist es ohne beeinträchtigende Störungen möglich, von öffentlichen Wegen aus die Eulen bei der Jagd und mit Glück auch bei der Fütterung ihrer Jungen zu beobachten.
Nicht so Erfreuliches hatte Peter Finke zu berichten, der von den Problemenbeim Schleiereulenschutz berichtete.Schneewinter und zunehmender Wandel der Landbewirtschaftung,insbesondere der großflächige Maisanbau, haben den Bestand der Schleiereule stark reduziert, so dass heute nur noch in den Marschen gute Bestände zu verzeichnen sind.
Dem Steinkauz widmeten sich in ihren Vorträgen auch Georg Kaatz und Michael M. Jöbges. Während der Steinkauz in Schleswig-Holstein, abgesehen von kleinen Restvorkommen,nur noch in Dithmarschen in größerem Maße vorkommt, ist Nordrhein-Westfalen quasi das Hauptvorkommensgebiet des Steinkauzes in der Bundesrepublik. Aber auch dort werden deutliche Bestandsrückgänge beobachtet. Die Ursachen hierfür sind vielschichtig und reichen vom Grünlandverlust über veränderte Landbewirtschaftung bis hin zum Flächenverbrauch durch Wohngebiete oder Straßenbau.
Am späten Nachmittag standen dann die beiden kleinen Waldeulen, Rauhfußkauz und Sperlingskauz, im Vordergrund. Hans Dieter Martens berichtete vom Auf und Ab beim Schutz der beiden Eulenarten, die als Nischenbewohner nur in den größeren Waldgebieten im südöstlichen Schleswig-Holstein vorkommen. Der Bestand beider Arten hatte in den letzten Jahren deutlich zugenommen; die Anzahl der Nachweise ist in den letzten vier Jahren jedoch wieder gesunken.Im Anschluss daran berichtete Jochen Wiesner über die Erkenntnisse zum Sozialsystem des Sperlingskauzes anhand seiner 35-jährigen Beringungsarbeit in Thüringen. Seine klar herausgearbeiteten Ergebnisse wurden durch einen Kurzfilm von Christian Nickel zum Brutgeschehen des Sperlingskauzes in Schleswig-Holstein eindrucksvoll ergänzt.
Den Abschluss der Fachvorträge bildete der Blick über den berühmten Tellerrand: Klaus Dichmann berichtete über die Bestandssituation und Gefährdung der sieben Eulenarten in Dänemark. Dieser Vortrag rundete das Gesamtbild bis zur Nordspitze der Jütländischen Halbinsel ab.
Bevor sich die Versammlung auflöste, war es Zeit für ein großes „Dankeschön“. Nach 10 Jahren erfolgreicher Vereinsarbeit scheidet Dr. Jochen Wiesner als Vorsitzender der AG Eulen aus. Zum Dank wurde ihm unter dem Beifall aller Teilnehmer von Christiane Geidel die gerahmte Originalzeichnung eines Sperlingskauzesvon dem bekannten Künstler Conrad Franz überreicht, der seit 2006 alle Titelbilder des Eulen-Rundblicks zeichnet.
Wie in den Vorjahren fand am Samstagabend die Mitgliederversammlung der AG Eulen statt. Bei den anstehenden Vorstandswahlen wurde Michael M. Jöbges zum neuen Vorsitzenden gewählt. Die weiteren Ergebnisse und Beschlüsse der Mitgliederversammlung von Breklum können im ausführlichen Protokoll nachgelesen werden.
Den Abschluss der Tagung bildeten am Sonntagmorgen zwei Exkursionenin die nähere Umgebung von Breklum. Die erste Exkursion führte Dr. Walther Petersen-Andresen mit Unterstützung von Armin Jes in den Beltringharder Koog. Bei unerwartet herrlichem Sonnenschein konnten eine reichhaltige Vogelwelt mit Tausenden rastender nordischer Gänse und viele Watvogelarten in einem der bedeutendsten Schutzgebiete an der Westküste, direkt am Nationalpark „Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer“,beobachtet werden. Die zweite Exkursion führte Georg Kaatz in ein Steinkauz-Revier nach Tellingstedt und demonstrierte den interessierten Teilnehmern, wie ein „Optimal-Habitat“ für den Steinkauz in Schleswig-Holstein aussieht.
Zu guter Letzt möchte ich mich bei allen Personen, die an der erfolgreichen Durchführung dieser gelungenen Tagung in Breklum mitgewirkt haben, ganz herzlich bedanken!
Armin Jeß