29. Jahrestagung der AG Eulen 2013 in Waren (Müritz)

Interessante Informationen zum Schwerpunktthema „Bestandstrends europäischer Eulenarten“

von Klaus Hillerich

Vom 18. - 20. Oktober 2013 trafen sich im Seehotel Ecktannen in Waren an der Müritz die Mitglieder und viele Freunde der AG Eulen zur jährlichen Tagung. Die Vorort-Organisatoren ANDREAS WEBER und FRIEDERIKE MEYER sowie unser Vorstand waren sehr erfreut über die 87 termingerechten Anmeldungen zum Treffen am „anderen Ende unseres Landes“. Der Vorstand legt großen Wert darauf, dass sich die Tagungsorte im Laufe der Zeit gleichmäßig übers Land verteilen. Daher nochmals besondere Anerkennung und Dank allen Teilnehmern, die den Weg zur Müritz in Mecklenburg-Vorpommern auf sich genommen haben.

Schon bei der Anreise waren nördlich von Berlin entlang der Straßen immer wieder kleinere und größere Trupps von Kranichen entgegen unserer „Zugrichtung“ zu beobachten. Doch die Teilnehmer waren ja wegen der Eulen zur mecklenburgischen Seenplatte gereist. Bereits am Freitagabend trafen sich viele Teilnehmer zum Eulenschützer-Stammtisch im Restaurant und im Tagungssaal zum Erfahrungsaustausch. Samstag pünktlich um 9:00 Uhr eröffnete JOCHEN WIESNER die 39. Jahrestagung und konnte 103 Teilnehmer begrüßen. Es folgten Grußworte von KLAUS DIETER FEIGE, dem Vorsitzenden der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Mecklenburg-Vorpommern e.V. (OAMV).

 Gruppenbild der Teilnehmer
Gruppenbild der Teilnehmer

ANDREAS WEBER machte uns neugierig auf die naturräumliche Vielfalt des Müritzgebietes. Der hohe Nutzungsgrad durch Jagd und Militär auf ca. 80% der Fläche hat sich positiv auf das Gebiet ausgewirkt. Hinter dem Ostufergibt gibt es viele Seen und die Landschaft um Boek und Speck ist weitgehend unverbaut. Über 400 Moore nehmen 8% der Fläche ein. Die vielen Seen ernähren 15 Fischadler-Brutpaare und von den ca. 3700 Kranich-Brutpaaren in Meck-Pomm. leben etwa 100 an der Müritz. Vor wenigen Jahren hat ANDREAS WEBER erstmals eine Brut des Sperlingskauzes bei Federow festgestellt.

CHRISTOPH GRÜNBERG, Münster, vom DDA informierte über die aktuelle Verbreitung und Arealentwicklung der Eulen. Diese Ergebnisse sind im Zusammenhang mit dem bundesweiten Adebar-Projekt zwischen 2005 und 2009 zustande gekommen. Die Schleiereule (Tyto alba) hatte 16.000 – 29.000 Reviere, vor allem im NW-Deutschen Tiefland und in Hessen. 73 % der Landesfläche waren besiedelt.- Dagegen bevorzugte der Rauhfußkauz (Aegolius funereus) die Mittelgebirgslagen; kommt aber auch in der Lüneburger Heide , Schleswig-Holstein und Meck-Pomm. Vor. 3.400 – 6.000 Reviere waren über ¼ der Landesfläche verteilt.- 7.500 – 9.000 Steinkauz (Athene noctua) Reviere wurden vor allem in NRW, der Niederrheinischen Bucht, RLP, Hessen, BaWü sowie SH nachgewiesen.- Der Sperlingskauz (Glaucidium passerinum) bevorzugt ebenfalls die Mittelgebirgslagen, kommt aber auch im Flachland (Lüneburger Heide und Niedersachsen) vor; 3.200 – 5.500 Reviere.- Die Zwergohreule (Otus scops) profitiert möglicherweise vom milder werdenden Klima. Seit 1998 gibt es wieder jährliche Nachweise. 2 – 7 Reviere wurden im Berichtszeitraum nachgewiesen: Bei Köln, in der Wetterau, in RLP bei Landau, in BaWü und am Ammersee in Bayern.- Ziemlich lückenlos übers Land verteilt ist die Waldohreule (Asio otus) mit 26.000 – 43.000 Revieren. Schwerpunkte der Verbreitung liegen in NRW und in Ostdeutschland.- Die Sumpfohreule (Asio flammeus) ist mit nur 50 – 180 Revieren nur noch an der Nordseeküste regelmäßiger Brutvogel und an wenigen Stellen im Binnenland.- Der Uhu (Bubo bubo) hat im gesamten Bundesgebiet erfreulich stabile Bestände erreicht; 2100 – 2500 Revierpaare. Allein in SH wurden ca. 400 Revierpaare gezählt.- Als häufigste Eule ist der Waldkauz (Strix aluco) flächendeckend mit 43.000 – 75.000 Revierpaaren vertreten. Es wurden Brutdichten bis über 50 BP/TK 1:25.000 gezählt.- Habichtskauz (Strix uralensis): Bis 2005 wurden vor allem im Bayerischen Wald insgesamt 200 Jungvögel ausgewildert. Die Wiederansiedlung ist gelungen; 1989 erfolgte die erste Brut in freier Wildbahn. Bis 2005 waren es wieder 5 – 6 Reviere.

UBBO MAMMEN & TERESE THÜMMLER berichteten über die Bestandsentwicklung der Eulen in Deutschland. Basis dafür ist die Datenbank des MEROS-Programms (Monitoring Europaen Raptors and Owls).Es wurden nicht nur mittelfristige und kurzfristige Bestandstrends dargestellt, sondern auch die Brutgröße und Fortpflanzungsziffer von 7 Eulenarten. Die MEROS-Datenbank ist das Sammelbecken der Datensätze von mehreren hundert Ornithologen seit 1988. Schleiereule, Uhu, Steinkauz und Sperlingskauz zeigen positive Bestandstrends, während Waldkauz, Waldohreule und Rauhfußkauz leicht rückläufige bzw. stark schwankende Bestandstrends aufweisen.

Die Bestandsentwicklung bei der Schleiereule in den Niederlanden von 1979 – 2013 hatte JOHAN de JONG vorgestellt. Ausgehend von nur 104 BP in 1979 hat sich der Bestand bis 1985 gut verdoppelt. 1990 waren es schon über 1.000 BP und 2007 >3.000 BP. Je nach Mäuseangebot schwankt die Population in den letzten Jahren zwischen 1.600 und 3.200 Paaren. Damit ist die maximale Bestandsgröße auf Grund von telemetrischen Studien auf den für die Schleiereule nutzbaren Habitat-Bereichen erreicht. Eine Methode zur Verringerung der erheblichen Straßenverkehrsopfer wurde vorgestellt: Drehbare, waagerechte Rohre auf gefährlichen Sitzwarten am Fahrbahnrand erlauben das Sitzen der Eule nicht mehr; sie muss/wird sich mehrere Meter abseits der Straße auf eine feste waagerechte Sitzkrücke setzen.

DR. INGRID KOHL schilderte die Wiedereinbürgerung des Habichtskauzes in Österreich im Wildnisgebiet Dürrenstein. Bisher wurden 70 nachgezüchtete junge Habichtskäuze ausgewildert; vorzugsweise von Juli bis Mitte September. Später freigelassene Vögel haben größere Verlustraten. [2012 gab es 2 Bruten, 2013 einen Brutversuch.] Den ausgewilderten Habichtskäuzen stehen 70 geeignete Nistkästen zur Verfügung (40x40x50 cm, Einschlupf ca. 12×20 cm).

DR. ERNST KNIPRATH befasste sich mit den Schleiereulen-Bestandszahlen einzelner Untersuchungsgebiete, um einen eventuellen Trend des Gesamtbestandes herauszulesen. In der Diskussion wurde deutlich, dass es nicht genüge die einzelnen Jahre zu betrachten, sondern auch Faktoren wie verstärkter Maisanbau (→ Nahrungsmangel) oder das Vorkommen des Uhus mit in die Betrachtung einzubeziehen.

Aus einer 35-jährigen Langzeitstudie berichtete DR. JOCHEN WIESNER über periodische Schwankungen der Brutgröße beim Sperlingskauz. Im Rahmen eines Planberingungsprogramms erfasste er 1.727 ausgeflogene Junge aus 389 erfolgreichen Bruten. Die statistisch gesicherten periodischen Schwankungen im Bruterfolg haben eine Periodenlänge von 6 – 9 Jahren und belegen die Abhängigkeit des Sperlingskauzes vom Kleinsäuger-Angebot. In guten Mäusejahren im Durchschnitt 5,49 Junge/Brut (n = 92 Bruten), in Jahren mit nur geringem Mäuseangebot nur 3,47 Junge/Brut (n = 89 Bruten). Kleinsäugermangel wird also nicht automatisch durch das Erbeuten von Vögeln kompensiert.

DR. THEODOR MEBS und DR. JOCHEN WIESNER berichteten über das Ergebnis einer Umfrage zum Vorkommen des Sperlingskauzes. Er ist kein reiner Gebirgsvogel. Das Vorkommen des Sperlingskauzes ist an Wälder mit >60% Nadelholzanteil gebunden, z. B. an die Fichtenwälder in der Lüneburger Heide.

OTTO DIEHL schilderte sehr eindrucksvoll mit Tonbandaufzeichnungen ein weitgehend unbekanntes Phänomen während der Schleiereulenbalz. Ca. 4 – 6 Wochen vor der Eiablage können die Männchen durch das sogenannte „Brutplatzstampfen“ auffällig werden. Dabei trampeln die Männchen bei geeignetem Untergrund deutlich hörbar mit den Füßen auf dem Boden des ausgewählten Brutplatzes herum. Ein rhythmisch-monotones Klopfen ist u. U. über mehrere Minuten hin deutlich zu hören. Warum die Schleiereule das tut ist nicht bekannt.

Der Vorsitzende der Gesellschaft zum Schutz und zur Erforschung von Eulen (S.C.R.O.-Deutschland), KARL-HEINZ DIETZ, erläutert ein neues Projekt seiner Gesellschaft zur Rettung der Hispaniola-Schleiereule. Sie sei die wohl seltenste Eule der Welt und kommt nur auf zwei Inseln in der Dominikanischen Republik vor (Hispaniola und eine Nachbarinsel). Ein Zuchtprogramm in Deutschland soll bei erfolgreicher Nachzucht den dortigen Bestand stützen. Doch die Bruterfolge in Gefangenschaft sind äußerst gering.

WILHELM MEYER berichtet kurz von seiner Schnellumfrage per E-Mail im Mai 2013 zum Thema „Mäuse vergiften“. Die Ausbringung des Mäusegiftes Chlorfacinon ist seit dem 30.6.2010 verboten. Nach dem Mäusegradationsjahr 2012 war für 2013 ein Niedergangsjahr zu erwarten, was auch eingetreten ist. Dennoch hat der Bauernverband den Antrag gestellt, 600 t Ratron® (Wirkstoff Chlorfacinon) mit Düngerstreuern ausbringen zu lassen. Mäusebussard, Turmfalke und Eulen könnten eine Mäuseplage in 2013 nicht verhindern. Darum sollte in den Forstämtern jeweils eine Person die Bestandsentwicklung der Mäusepopulation im Auge behalten. Landwirte hätten von 50 Löchern pro m² (!) gesprochen. Vorgeschlagene Methode: auf 250 m² die Löcher zählen, mit Erde verschließen und am nächsten Tag die offenen Löcher wieder zählen. Bei einem Versuch im Jahre 1976 hatte MEYER über GÖRNER im Naturschutzbeirat erreicht, dass 3 Probeflächen wie folgt behandelt werden:

Fazit: Die Natur kann sich selbst regenerieren, wenn man sie nur lässt!

In Huston/Minnesota fand im Februar 2013 das internationale Eulen-Festival statt. Bei dem 3-tägigen festlichen Ereignis mit 2000 Besuchern aus Wissenschaft, Bevölkerung und Kindergärten wurde DR. WOLFGANG SCHERZINGER zusammen mit einer Kollegin aus Taiwan und einem Kollegen aus Kenia mit dem „Owls Award“ ausgezeichnet. Er berichtete kurz über dieses typisch amerikamisch aufgemachte Eulenfest, das maßgeblich von KARLA BLOOM-KINSTLER, der wiss. Leiterin des lokalen Naturkundemuseums, organisiert wurde.

Am Samstagabend 19.10.13 fand die Mitgliederversammlung statt, die wir mind. 1x in 2 Jahren durchführen. 51 Mitglieder waren bis zum Ende der Versammlung anwesend und haben sich an den Diskussionen und Vorstandswahlen beteiligt. Die Niederschrift darüber ist im ER Nr. 64 S. 104 abgedruckt.

Für Sonntagvormittag hatten ANDREAS WEBER und FRIEDERIKE MEYER von NationalparkTours zwei Exkursionen vorbereitet. Frau MEYER hatte für 10 Teilnehmer Fahrräder organisiert (7,- €) . In ebenem Gelände radelten die Eulenfreunde zum ca. 10 km entfernten Moor- und Warnkersee. Zwei Zwergsäger ♀♀, Zwergtaucher und verschiedene Enten erfreuten die Orniherzen.

Die andere Gruppe (fast 40 Teilnehmer) traf sich mit ANDREAS WEBER an der Nationalpark-Servicestation in Federow. Da die Fischadler schon zu ihren Winterquartieren aufgebrochen waren, schauten wir uns in der Station beeindruckende Filmsequenzen aus dem Brutgeschehen dieser imposanten Vögel an. Anschließend starteten wir zu einer Wanderung um den Hofsee. Die Wasservögel hatten sich hier allerdings rar gemacht. Ein Trupp Schwanzmeisen zog durch die Ufergehölze. Als bescheidenes Highlight sahen wir einen Fischadlerhorst in Weges Nähe auf einer schwachen freistehenden Kiefer.

Nach dem „offiziellen“ Teil dieser Exkursion begleiteten neun Mitglieder unseren Guide zu dessen Wohnort nach Speck. Dort präsentierte sich eine 800-jährige Sommerlinde in der Nähe der alten Kirche des Dorfes. Der Waldkauz, der sonst durch ein Kirchenfenster an seiner Schlafhöhle zu sehen war, tat uns nicht den Gefallen. Mit einem kleinen Rundgang durch den Park eines ehemaligen Gutshofes und guten Ratschlägen für die Ansiedlung einer Schleiereule beendeten wir am frühen Nachmittag unseren Besuch bei ANDREAS WEBER.

 Eindrucksvolle 800-jährige Sommerlinde
Eindrucksvolle 800-jährige Sommerlinde

Da wir Vier aus Südhessen eine weitere Nacht im Seehotel Ecktannen gebucht hatten, blieb noch Zeit für die Erkundung des Bereichs NO von Waren. Durch aufkommenden Hunger waren schnell die Feuchtgebiete bei der sog. Aalbude am Kummerower See ausgemacht. Unterwegs auf Äckern mehrere futtersuchende Trupps von Kranichen, meist Familienverbände mit diesjährigen Vögeln. Im Bereich der Aalbude ruhten 2 Kolkraben auf dem verwaisten Fischadlerhorst. Lange Reihen durch Wiedervernässung abgestorbener Erlen und Pappeln boten vier Seeadlern und mehreren Kormoranen willkommene Sitzwarten. In den Flachwasserbereichen gründelten Enten und Blessrallen; Graureiher warteten auf Ihre Chance zum Erbeuten eines Fisches. Den dadurch in Erinnerung gerufenen Hunger konnten wir am Ende des Kützerhofer Dammweges in der Aalbude endlich mit einer deftigen Fischsuppe vertreiben. Auf dem Rückweg entpuppte sich ein Silberstreif über dem Schilfgürtel als ca. 250 zur Übernachtung einfliegende Silberreiher. Im Licht der untergehenden Sonne entdeckten wir noch 2 Wassertreter. Ob Odins- oder Thorshühnchen, das ließ sich nicht mehr klären. ANDREAS, danke für diesen guten Tipp!- Ausgeruht und zufrieden traten wir dann am Montagmorgen die Heimreise an.

 Exkursion
Exkursion
 Kraniche auf Futtersuche
Kraniche auf Futtersuche
 Abgestorbene Erlen und Pappeln
Abgestorbene Erlen und Pappeln
 Seeadler
Seeadler