von Karl Radler
Rund 150 Teilnehmer fanden den Weg an den Südostrand unseres Verbreitungsgebietes zur Jahrestagung 1993 in den Nationalpark Bayerischer Wald. Ein deutlich größerer Anteil als sonst reiste bereits am Freitagabend an, um die Chance zum persönlichen Austausch in unserer „Freitagabendrunde“ zu nutzen. Essen a la Carte und Bayerisches Weißbier unterstützten die an mehreren Tischen angeregten Diskussionen im Gasthof Euler in Neuschönau.
Während die restlichen Teilnehmer noch anreisten, startet am nächsten Morgen ein langer Zug von Zwei- bis Dreierreihen vom Hans-Eisenmann-Haus zu einem Rundgang durch die Gehegezone des Nationalparks. Jeweils an den Eulen-Volieren wurde dieser anregende Morgenspaziergang durch spannende und exklusive Erläuterungen unseres Gastgebers, WOLFGANG SCHERZINGER unterbrochen.
Nach einem Mittags-lmbiß begrüßte der AG-Leiter um 14 Uhr die Teilnehmer zur Vortragstagung 1993 und gab einen kurzen Überblick über die Herkunft, Motivation, Arbeitsweise und die aktuellen Ziele der „AG zum Schutz bedrohter Eulen (AG EULEN)“.
Die Vortragsreihe dieses Nachmittags eröffnete unser Gastgeber mit einem durch sehr schöne Bilder unterstützten Übersicht zum Lebensraum der Käuze und zu seinen Forschungsarbeiten über alle im Bereich des Nationalparks Bayerischer Wald vorkommenden Eulenarten. Einen ebenso beeindruckenden und umfassenden Überblick gab anschließend BOHUSLAV KLOBEC aus Trebon (Tschechische Republik) für den angrenzenden Böhmerwald. Zum Abschluß dieses Nachmittags präsentierte NORBERT SCHÄFFER aus Regensburg eine kurze Zwischenbilanz der Habichtskauz-Wiederansiedlung im Nationalpark Bayerischer Wald.
Dies war gleichsam die Grundlage und Einstimmung für die folgende Wanderung in den Bergmischwald, zu der gut hundert Teilnehmer noch vor Einbruch der Dunkelheit aufbrachen. An verschiedenen Stationen hat uns auf diesem Weg Wolfgang SCHERZINGER einen lebendigen Einblick in die Geschichte dieses Lebensraums sowie das aktuelle Management und seine Ziele und Probleme gegeben. Am höchsten Punkt dieser wunderschönen Herbstwanderung ist es leider nicht gelungen die ansässigen Habichtskäuze zu einer Lautäußerung zu bewegen. Dennoch werden viele Teilnehmer diesen bei unserer Jahrestagungen bisher einmaligen Programmpunkt in bester Erinnerung behalten, wie in den anschließenden Gesprächskreisen beim Abendessen in verschiedenen Gaststätten des Nationalparks zu vernehmen war.
Am Sonntagmorgen konnte der AG-Leiter bereits um 8 Uhr 30 den ersten Referenten vorstellen: BERND RAAB von der Landesgeschäftsstelle des Landesbunds für Vogelschutz (LBV) in Hilpoltstein gab einen Überblick zu einem gerade abgeschlossenen Projekt des LBV, bei dem es um die Umsetzung von Artenschutzzielen (u.a. für den Steinkauz) bei der ländlichen Neuordnung (Flurbereinigung im Raum Uffenheim/Mittelfranken) ging.
FRANZ KRAUSE aus Bredav (Tschechische Republik) gab uns einen durch viele Dias sehr anschaulichen Einblick in seine langjährige Arbeit zur Ansiedlung von Waldohreule und Waldkauz durch künstliche Nisthilfen in einer sehr stark ausgeräumten Landschaft und landwirtschaftlich intensiv genutzten Gegend.
KLAUS BRÜNNER-GARTEN aus Nürnberg berichtete aus seinem langjährigen privaten Einsatz und aus seiner beruflichen Arbeit für einen „eulengerechten“ Waldbau in fränkischen Forstämtern; er betonte vor allem den Wert von Angeboten an von Spechten gezimmerten Naturhöhlen für kleine Waldeulen.
Moderiert von JOCHEN WIESNER wurde dieser Vortragsmorgen fortgesetzt mit einem Beitrag von ULRICH DORKA aus Tübingen über die intensive Arbeit einer Arbeitsgruppe, die im Nordschwarzwald einen Sperlingskauzbestand systematisch erfaßt und beobachtet.
Unter dem Titel „Wie reagiert der Rauhfußkauz auf einen Mangel an Weibchen?“ erläuterte ORTWIN SCHWERDTFEGER aus Osterode seine neuesten Erkenntnisse zur Dynamik der Zu- und Abwanderung in der von ihm seit Jahren intensiv studierten Population im Harz.
Welche konzeptionellen Probleme entstehen, wenn man vorliegende Daten zur Bestandsentwicklung, zum Bruterfolg sowie aus Ringfunden auswerten möchte, um sie für den Artenschutz nutzbar zu machen? Davon berichtet KRISTAN HERDICK aus Freiburg zusammen mit Ergebnissen aus seiner Diplomarbeit, in der er Daten vom Rauhfußkauz aus dem Schwarzwald ausgewertet hat.
Nach einem lmbiß Im Nationalpark-Wirtshaus und einem Gang durch die verschiedenen Ausstellungen im Hans-Eisenmann-Haus, fanden sich fast alle Teilnehmer zum letzten Mal im Vortragssaal ein, um von HUBERTUS ILLNER aus Soest etwas über die den Mauserbeginn bestimmenden Faktoren beim Steinkauz zu hören.
Die Vorträge wurden abgeschlossen mit einem Bericht von WOLFGANG SCHERZINGER über eine Tagung in Seattle, in der es um die Diskussion zum Schutz des Fleckenkauzes im Nordwesten der USA ging.
Kurz nach 15 Uhr schloß der AG-Leiter diese Vortragstagung 1993 mit einem herzlichen Dankeschön an alle Referenten sowie an unseren Gastgeber und seine Helfer für die Organisation dieser Tagung, die sicher einen gewissen einmaligen Charakter in der Reihe dieser Veranstaltungen behalten wird. Bevor er allen Teilnehmern eine gute Heimreise wünschte, gab KARL RADLER noch die Veränderungen in der Leitung der AG EULEN bekannt.
Welche Lautäußerungen des Steinkauzes eignen sich für Verhöraktionen? Unter diesem Thema verblieb unter der Leitung von ANDREAS KÄMPFER-LAUENSTEIN noch ein Gesprächskreis von rund 20 Teilnehmern, um an einer Empfehlung zur Standardisierung von Bestandserhebungen mittels Klangattrappen mitzuwirken.
Die Schriftleitung des Eulen-Rundblicks bemüht sich bei allen Referenten um eine Veröffentlichung der Beiträge dieser Tagung.
Quelle: 1994 Eulen-Rundblick 40/41: 45-46